Corona-Lockerungen:Ihre Reservierung, bitte!

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Alle Geschäfte sind nun offen, als nächstes dürfen Mitte Mai die Gastronomiebetriebe wieder Gäste bewirten. Während das Aufatmen überall im Alltag zu spüren ist, gibt der Ärztekammerpräsident eine eindringliche Warnung heraus.

Von Peter Münch

Dieser Samstag, der 2. Mai, könnte als "Schlangentag" in die österreichische Corona-Geschichte eingehen. Lange Schlangen bilden sich in der Mariahilfer Straße, einer Einkaufsmeile im 7. Wiener Gemeindebezirk, vor den Läden mit der farbenfrohen Frühlingsmode, vor den Sportgeschäften und Elektronikmärkten. Auch für die Pizza beim Italiener, der auf Straßenverkauf umgestellt hat, muss man anstehen. Alles ist wieder zu haben, fast alles ist offen, es gibt keine Knappheit, höchstens an Platz. Plötzlich fühlt sich Wien irgendwie schwedisch an, locker - oder fast schon wieder so wie früher.

Nach 46 bleiernen Tagen bei meist blauem Himmel sind in Österreich am langen Wochenende um den 1. Mai herum die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben worden. Grundlage dafür ist die stetig sinkende Zahl der Neuinfektionen. Am Sonntag wurden im ganzen Land nun noch 1688 aktuell Erkrankte gemeldet. Das "Betreten öffentlicher Orte" ist wieder grundsätzlich erlaubt, ebenso wie öffentliche Veranstaltungen mit bis zu zehn Teilnehmern.

Im Wienerwald und in den Parks, wo Spaziergänger in den vergangenen Wochen nur vereinzelt oder höchstens paarweise anzutreffen waren, sieht man wieder kleinere Gruppen gemeinsam. Und wer nicht spazieren geht, geht endlich wieder shoppen: Nachdem kleinere Geschäfte und Baumärkte bereits vor zwei Wochen aufgesperrt hatten, durften nun auch alle Läden und Einkaufszentren mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern öffnen. In allen Geschäften herrscht Maskenpflicht, pro zehn Quadratmeter darf nur ein Kunde im Laden sein. Das soll drinnen den Mindestabstand sichern, lässt draußen aber die Schlangen wachsen.

Die Freiheit hat noch enge Grenzen und neue Regeln, doch für den Handel ist das ein lange erwarteter und eingeforderter Schritt in Richtung Normalbetrieb. Die Kunden werden mit aufgeklebten Herzchen oder Smileys auf den Schaufenstern begrüßt und mit Rabatten gelockt. "Gemeinsam Österreich aufmöbeln" lautet der am Eingang plakatierte Slogan eines Möbelhauses, das 25 Prozent Abschlag auf alles verspricht. Auch Dienstleister wie Friseure haben ihre Arbeit wieder aufgenommen. Der Andrang ist beträchtlich, die Liste der Voranmeldungen meist lang. Und nicht nur dort gibt es Nachholbedarf: In einem Tattoostudio in der Wiener Burggasse bereitet die Besitzerin Osa Wahn die Wiedereröffnung vor und sagt: "Am Montag geht es los, freie Termine habe ich erst wieder ab September."

Auf die Öffnung der Geschäfte soll in zwei Wochen auch die Gastronomie folgen. Tischbestellungen für den 15. Mai und die Tage danach werden längst angenommen. Hotels sollen ab dem 29. Mai wieder Gäste aufnehmen. Das Aufatmen ist nun überall im Alltag zu spüren - doch manche halten auch schon die Luft an. Der Präsident der österreichischen Ärztekammer zum Beispiel hat angesichts der Schlangen vor den Geschäften eine eindringliche Mahnung veröffentlicht: "Wir alle haben in den vergangenen Wochen viel erreicht und stehen international hervorragend da", erklärte Thomas Szekeres. "Wir dürfen uns durch Unachtsamkeit und mangelnde Disziplin diesen Etappenerfolg jedoch nicht zunichte machen."

Dieser Text ist zuerst am 4. Mai 2020 in der SZ erschienen.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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