Corona-Krise:"Was für eine Freude wird das sein"

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Angela Merkel mahnt zu Vorsicht und verbreitet Optimismus. Die Opposition kritisiert das Corona-Management der Kanzlerin hart.

Von Cerstin Gammelin, Berlin/München

In einer so unerwartet wie ungewöhnlich emotionalen Ansprache zur Corona-Krise hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch im Bundestag direkt an die Bevölkerung gewandt und gebeten, angesichts der bevorstehenden kalten Jahreszeit noch mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen. "Ich appelliere an Sie alle, halten Sie sich an die Regeln, die für die nächste Zeit weiter gelten müssen. Geben wir alle als Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft wieder mehr aufeinander acht."

Merkel, die in der Generaldebatte zum Haushalt für das Jahr 2021 sprach, bezeichnete die Pandemie als "beispiellose Bewährungsprobe". Nur wenn alle Bürger mitmachten, könne ein zweiter Lockdown, also drastische Einschränkungen des Alltags, verhindert werden. Zugleich stellte Merkel eine Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten in Aussicht: "Ich bin sicher", sagte sie, "das Leben, wie wir es kannten, wird zurückkehren. Die Familien werden wieder feiern, die Clubs und Theater und Fußballstadien wieder voll sein. Was für eine Freude wird das sein! Aber jetzt müssen wir zeigen, dass wir weiter geduldig und vernünftig handeln und so Leben retten können."

Merkel warnte, dass die Infektionszahlen zuletzt wieder exponentiell anstiegen. "Wir erleben zurzeit, wie die Vorsicht nachlässt." Es sei verständlich, dass sich alle nach Nähe sehnten, nach Berührungen und Gemeinsamkeit. "Das spüre ich selbst", sagte die Kanzlerin. "Aber wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben."

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hatte Merkel und der Regierung zuvor Panikmache vorgeworfen. "Ihre überzogenen Maßnahmen machen aus der Corona-Krise die schwerste Rezession in der Geschichte Deutschlands", sagte Weidel, die als Vertreterin der größten Oppositionsfraktion im Bundestag die Generaldebatte eröffnete. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte das Krisenmanagement der Regierung. Der Staat habe viele Familien im Stich gelassen, als Schulen und Kitas geschlossen blieben. Ältere seien vereinsamt, viele Menschen hätten Angst um ihre wirtschaftliche Existenz. Zwar trage jeder Einzelne Verantwortung, so Lindner. "Aber auch die staatliche Verantwortungsgemeinschaft ist gefordert, in diesem Herbst und Winter Maßnahmen zu ergreifen, dass sich ein zweiter Stillstand dieses Landes nicht wiederholen muss." Es fehle jedoch an konkreten Maßnahmen, etwa an schnellen Tests für Pfleger und Lehrkräfte. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter monierte, dass es sechs Monate nach Ausbruch der Pandemie in Deutschland noch keine vorausschauende Teststrategie gebe. Es werde auch immer noch darüber diskutiert, wann zum Beispiel in Schulräumen Luftfilter eingebaut würden.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, hielt Merkel vor, ihr sei die Autobranche wichtiger gewesen als die Schulen. Rolf Mützenich, Chef der SPD-Fraktion, hob den Anteil seiner Partei an den wirtschaftlichen und sozialen Hilfen in der Corona-Krise hervor.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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