Baden-Württemberg:Kretschmann ist in der Corona-Krise gut gefahren

Winfried Kretschmann, Baden-Württemberg, Corona

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sein Land unaufgeregt durch die Corona-Krise gebracht.

(Foto: dpa)

Die Regierung in Stuttgart hat das Land anständig durch die Corona-Krise gebracht. Auch wenn der grüne Ministerpräsident im Vergleich mit seinem zackigen Kollegen Söder manchmal etwas langsam wirkte.

Kommentar von Claudia Henzler, Stuttgart

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich nach neun Jahren im Amt eine erstaunliche Eigenschaft bewahrt: Wird ihm eine Frage gestellt, dann bemüht er sich, eine ernsthafte und sinnvolle Antwort zu geben. Im Zweifel sagt er offen, dass er etwas nicht weiß und sich erst einmal informieren müsse.

Worthülsen sind seine Sache nicht, auch mit lustigen PR-Aktionen tut sich Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident schwer. Es ist kaum vorstellbar, dass er wie sein bayerischer Kollege Markus Söder zum Flughafen fahren würde, um dort symbolisch ein paar Paletten mit chinesischen Schutzmasken in Empfang zu nehmen.

In der Corona-Krise hat Kretschmann wieder einmal bewiesen, dass er außerdem ein radikaler Pragmatiker ist, der sich von ideologischen Schlagworten nicht davon abhalten lässt, nach den Lösungen zu suchen, die Baden-Württemberg in seinen Augen am besten voranbringen. Viele Grüne waren entsetzt, als er sich für eine Autokaufprämie stark machte - und nicht wenige haben Kretschmanns Staatsministerium deshalb in den vergangenen Wochen mit Anrufen und Protestpost geflutet.

Kretschmann aber bleibt dabei, dass die Kaufprämie auch aus grüner Sicht vertretbar gewesen wäre. Die Automobilbranche mit ihren Zulieferern und Dienstleistern sei nun mal der letzte bedeutende Industriezweig, der in Deutschland produziert. Nur hier könne der Staat mit einem Instrument eine weitreichende und einigermaßen zielgerichtete Wirkung erzielen. Mit Subventionen für Waschmaschinen ließen sich dagegen kaum noch heimische Arbeitsplätze sichern.

Sachorientierter Regierungsstil

Außerdem, so argumentiert Kretschmann, müsse man die Autoindustrie erst einmal erhalten, um sie dann klimafreundlich transformieren zu können. Tatsächlich hätten die Grünen mit Kretschmanns Kaufprämie wohl mehr gewonnen als mit der Mehrwertsteuersenkung, die stattdessen beschlossen wurde. Denn sie hätte nur die modernsten Verbrenner bezuschusst, nun aber gibt es auf alle Neuwagen einen Preisnachlass.

Mit seinem sachorientierten Regierungsstil ist Kretschmann gut gefahren. Auch das Coronavirus, das sich in Baden-Württemberg mit der zweithöchsten Infektionsrate in der Republik ausgebreitet hatte, konnte seine Regierung erfolgreich eindämmen.

Söder ist manchmal schneller

Im Vergleich zum zackigen Kollegen Söder wirkte Kretschmann zwar manchmal etwas langsam, meist ging es dabei aber nur um Stunden. Als Bayerns Ministerpräsident beispielsweise Mitte März Schulschließungen verkündete, da hatte auch Kretschmann schon eine Kabinettssitzung einberufen - doch die begann erst, als Bayern längst die Nachrichten dominierte.

Für die Bürger war das Tempo ihrer Landesregierung kein Nachteil, wie sich eine Woche später zeigte: Während Bayern Ausgangsbeschränkungen beschloss, führte Kretschmanns Kabinett als erstes Bundesland Kontaktbeschränkungen ein, die später von der Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin als Leitlinie übernommen wurden.

Beziehungen erklären? - In Baden-Württemberg nicht notwendig

Wer in Baden-Württemberg lebte, musste niemandem erklären, in welcher Beziehung er zu dem Menschen stand, mit dem er auf der Straße unterwegs war. Privat waren sogar Treffen mit vier beliebigen Personen erlaubt, was gerade für allein lebende Menschen wichtig war.

Der Unterschied im Regierungsstil hat Gründe: Söder wurde in einem Land politisch sozialisiert, in dem er sich als CSU-Chef und Ministerpräsident darauf verlassen kann, dass die Dinge so beschlossen werden, wie er das ankündigt. Auch ein kleiner Koalitionspartner ändert daran nichts. Schon vor Corona hat Söder gerne Geld zugesagt und Entscheidungen bekannt gegeben, bevor sie überhaupt getroffen wurden.

Kretschmann könnte sich das erstens nicht erlauben, weil er eine Koalition aus zwei fast gleich großen Partnern führt, in der die CDU durchaus eigene Ziele verfolgt. Zweitens und vor allem aber verlangt sein demokratisches Grundverständnis auch im Krisenmodus, dass all die Verordnungen, mit denen die Freiheiten sukzessive eingeschränkt wurden, zumindest von den Ministern abgezeichnet und erst dann veröffentlicht werden.

Dass die Landesregierung oft bis zur letzten Minute an Verordnungen feilte, hat ihr auch Kritik eingebracht. Doch insgesamt hat die Koalition gerade in den ersten Wochen in hohem Tempo die richtigen Entscheidungen getroffen, um das Virus in den Griff zu bekommen und Kommunen und Wirtschaft zu stützen.

Angesichts der Bedrohung hat zunächst keine Rolle gespielt, dass sich die Regierungspartner auf die Landtagswahl im nächsten Frühjahr vorbereiten. Erst als die Zahl der Neuinfektionen zurückging, haben Grüne und CDU damit begonnen, sich als die jeweils besseren Krisenmanager zu inszenieren. In Meinungsumfragen haben beide profitiert. Einzig die CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann konnte ihre Beliebtheit nicht steigern. Sie hat als Kultusministerin den derzeit undankbarsten Job im Kabinett.

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