Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Alles, was geht

"Das ist die Bazooka": Die Bundesregierung sagt Firmen Kredite in unbegrenzter Höhe zu.

Von Michael Bauchmüller

Entschlossenheit - diesen Eindruck soll jede Silbe transportieren: Die Bundesregierung sieht nicht zu, wie die deutsche Wirtschaft in die Krise rauscht, sie handelt. "Wir tasten uns nicht ran", sagt Olaf Scholz, der Finanzminister von der SPD, "sondern wir legen gleich alle Waffen auf den Tisch." Die zerstörerische Kraft des Coronavirus ist groß, doch die Kraft dieser Waffen sei größer: "Das ist die Bazooka", sagt Scholz.

Die Sprache ist martialisch. Es ist das Ende einer Woche, wie sie die deutsche Wirtschaft noch nicht erlebt hat. Das Virus bedroht nicht mehr nur globale Warenketten, weil Zulieferungen ausgehen. Es bedroht Tausende Firmen, vom Mittelständler bis zum Großkonzern. Es bringt Hoteliers in Not, denen Buchungen wegbrechen, es trifft Handwerksbetriebe, deren Leute krank werden, und bald Firmen überall im Land, deren Mitarbeiter ihre Kinder versorgen müssen, weil Schulen und Kitas nicht mehr öffnen. Es hat den Dax einbrechen lassen wie erst einmal in seiner Geschichte. "Die fatalen wirtschaftlichen Folgen verschärfen sich von Tag zu Tag", heißt es beim Hotelverband Dehoga.

Und als Antwort nun die Bazooka. In unbegrenzter Höhe will der Bund damit Kredite bereitstellen für Firmen, die durch das Coronavirus in Not geraten. Es soll verhindern, dass Unternehmen Pleite gehen, weil Banken ihnen nicht aus der Klemme helfen. "Das ist ein Schritt, den es so in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben hat", sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er und Scholz stellen den Plan gemeinsam vor, denn neben der Entschlossenheit will die Bundesregierung auch das zeigen: Geschlossenheit. Sie seien sich bewusst, dass der Erfolg der Operation an der Zusammenarbeit der beiden Ministerien hänge, sagt Altmaier. Und: "An fehlendem Geld und fehlendem Willen soll es nicht scheitern."

"Das ist ein Schritt, den es so in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben hat", sagt Altmaier

Als erster Großkonzern will sich darum die Lufthansa bemühen. Das Unternehmen ist hart getroffen von Beschränkungen im internationalen Flugverkehr, zuletzt vom Einreisestopp für die meisten Europäer, den US-Präsident Donald Trump verhängt hatte. Von diesem Samstag an entfallen deshalb bei Lufthansa 80 Prozent aller Flüge in die USA. "Wir wollen Staatshilfen beantragen", sagte ein Sprecher.

Zuvor hatte der Bundestag am Freitag eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes beschlossen, ebenfalls im Eilverfahren. Betriebe, die nicht genug Aufträge haben, können so ihre Leute schneller in Kurzarbeit schicken - selbst wenn nur ein kleiner Teil der Belegschaft betroffen ist. In der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hatte das vielen Firmen durch die Flaute geholfen. Auch sollen Finanzämter Firmen leichter Steuern stunden können, um "erhebliche Härten" zu verhindern. Sie können ihre Steuern nachzahlen, wenn es ihnen besser geht.

Die Entschlossenheit der Minister erinnert an das "Whatever it takes", mit dem einst Europas damaliger Zentralbankchef Mario Draghi die unbedingte Euro-Rettung ankündigte: Koste es, was es wolle. "Wir können alles stabilisieren, was stabilisiert werden muss", sagt Scholz nun. Man sitze auf gut gefüllten Kassen. "Wenn es lange ist, können wir auch lange." Später meldet sich noch Kanzlerin Angela Merkel zu Wort. Die Regierung sei gewillt, "alles zu tun, was notwendig ist", sagt sie. "Damit wir durch diese Krise möglichst gut hindurchkommen." Der Dax dankt mit einem Kursplus - das jedoch die Verluste der vergangenen Tage bei Weitem nicht ausgleicht.

Noch vor zwei Wochen war auch Altmaier von nur "begrenzten Auswirkungen auf die Weltwirtschaft" ausgegangen. Diese Hoffnung hat sich pulverisiert. Die Deutsche Bank senkte ihre Wachstumsprognose von 0,7 Prozent plus auf 0,2 Prozent minus. Die EU-Kommission ging bisher für ihre Mitgliedstaaten von 1,4 Prozent Wachstum aus. Stattdessen werde es nun wohl "unter null fallen, womöglich sogar erheblich", sagt am Freitag ein hoher Kommissionsbeamter in Brüssel. Auch die EU will nun ihre Fiskalregeln lockern. Das erleichtert es den Ländern, sich zu verschulden. Der Stabilitätspakt lässt eine Lockerung zu, wenn es zu einem "ungewöhnlichen Ereignis kommt, das sich der Kontrolle der Mitgliedstaaten entzieht". Das beschreibt ziemlich genau die Lage.

Zu dem Kontrollverlust passt, dass viele andere Mittel versagen. Ein milliardenschweres Konjunkturpaket etwa, wie es Deutschland 2009 aus der Krise half, würde derzeit völlig verpuffen: Wenn sich Menschen aus Angst vor einer Ansteckung nicht mehr in Geschäfte trauen, können sie dort auch kein zusätzliches Geld ausgeben. "Die Politik steht vor der Herausforderung, dass in dieser Krise herkömmliche Konjunkturprogramme zur Stützung der Wirtschaft nicht funktionieren", sagt Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts. Nun gehe es ja darum, den "sozialen Konsum" zu minimieren. Menschen sollen sich gerade nicht beim gemeinschaftlichen Shopping begegnen. Nötig sei ein "temporäres Einfrieren wirtschaftlicher Aktivität" - ohne dauerhafte Schäden für die Wirtschaft. Die unbegrenzten Firmenhilfen des Bundes seien da genau das richtige Signal.

Über ein Konjunkturprogramm will auch die Bundesregierung nachdenken - aber erst, wenn die akute Viruskrise abgeklungen ist. Dann könnte so ein Programm helfen, die temporär eingefrorene Wirtschaft wieder aufzutauen. "Wir haben noch etwas in der Hinterhand", sagt auch Scholz. "Was wir noch an Kleinwaffen haben, gucken wir später."

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SZ vom 14.03.2020
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