Natürlich ist es keine Überraschung, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) an diesem Mittwoch in Berlin zu erzählen haben. Die Pandemie war hart für alle. Und dennoch sind die Folgen, die diese Zeit gerade für die Jüngsten der Gesellschaft hat, erschreckend: Fast drei Viertel der Kinder und Jugendlichen, konkret 73 Prozent, fühlen sich auch heute noch psychisch belastet. Das ist die zentrale Erkenntnis einer interministeriellen Arbeitsgruppe, deren Ergebnisse die Ministerin und der Minister an diesem Tag auch dem Kabinett vorstellten. Und die der Grund dafür ist, warum die Bundesregierung nun die Unterstützungsangebote für die betroffenen Kinder nun ausweiten möchte.
"Viele junge Menschen sind durch die Einschränkungen während der Pandemie bis heute enorm gestresst", sagte Paus nach der Kabinettssitzung. Dabei seien Kinder aus ärmeren Familien besonders betroffen: "Kinder von Alleinerziehenden, aus Familien mit Migrationshintergrund, diejenigen, die in beengten Wohnverhältnissen leben oder psychisch belastete Eltern haben."
Es kommt "erste psychische Hilfe"
Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Belastungen für junge Menschen abzumildern, sagte Paus. Zumal neben den Pandemie-Folgen nun auch Krieg, Inflation und Klimakrise das Leben von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen würden.
Konkrete Hilfe soll ab dem kommenden Schuljahr 2023/2024 von sogenannten Mental Health Coaches kommen, die an Schulen eingesetzt werden sollen. Sie sollen in akuten Krisen "erste psychische Hilfe" bieten und den Minderjährigen auch sonst zur Seite stehen. Das Modellprojekt soll zunächst an 100 Schulen gestartet werden. Ihr Ministerium stelle dafür zehn Millionen Euro zur Verfügung, sagte Paus.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach sagte, weil die Kinder unter der Pandemie und den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung besonders gelitten hätten, schulde man ihnen, dass ihre Versorgung nun Priorität habe. Lauterbach appellierte auch an die Eltern: Wenn Kinder auffälliges Verhalten zeigten, depressiv wirkten oder sich zurückziehen würden, solle man mit ihnen auf jeden Fall Ärzte oder Psychologen aufsuchen.
Die Pläne der beiden Ministerien sehen zudem Investitionsprogramme des Bundes zum Ausbau der Kitas vor, zudem sind für Familien mit Kindern unter drei Jahren Hilfen im Umfang von 56 Millionen Euro vorgesehen.
Kinder können sich ohne Eltern beraten lassen
Im Gesundheitswesen will sich der Bund für eine bessere medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie für die Beseitigung von Engpässen bei Kinderarzneimitteln einsetzen. Lauterbach sagte, sein Ministerium bemühe sich um einen schnelleren Zugang zur therapeutischen Versorgung. Für die Jahre 2023 und 2024 sei bereits eine Erlösgarantie für die pädiatrische Versorgung in Krankenhäusern und zusätzliche finanzielle Mittel für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Höhe von jeweils 300 Millionen Euro beschlossen.
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Darüber hinaus sollen Kinder, Jugendliche und Familien mit dem Jugendstärkungsgesetz weitergehende Rechte auf Beratung und Unterstützung erhalten. Kinder können damit in Zukunft beim Jugendamt psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen, ohne dass ihre Eltern darüber informiert werden. Psychisch kranke Eltern sollen niedrigschwellig Hilfe von den Erziehungsberatungsstellen erhalten.
Der Bundesgesundheitsminister räumte erneut ein, dass in der Pandemiepolitik Fehler passiert seien - vor allem Schließungen von Schulen und Kitas wären zur Eindämmung des Pandemiegeschehens nicht notwendig gewesen. Sie trugen aber einen großen Teil zu den Belastungen bei, die viele Kinder und Jugendliche in der Corona-Zeit erlebt haben. Das Gros der Schulschließungen fiel in die Amtszeit von Lauterbachs Vorgänger als Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn (CDU).