Israel:Agenten im Einsatz gegen Corona

Israel: Bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu am Dienstag halten Demonstrierende Plakate hoch.

Bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu am Dienstag halten Demonstrierende Plakate hoch.

(Foto: AP)

Die israelische Regierung will, dass der Inlandsgeheimdienst weiter sensible Daten zur Suche nach möglichen Infizierten nutzt. Datenschützer laufen dagegen Sturm.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In Israel soll der Geheimdienst weiter in vorderster Front gegen das Coronavirus kämpfen. In der Nacht zum Dienstag verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das den Inlandsgeheimdienst Schin Bet bis ins nächste Jahr hinein ermächtigt, Handydaten und andere sensible Informationen zu nutzen, um Menschen ausfindig zu machen, die mit Corona-Infizierten in engerem Kontakt waren. Wer auf diese Weise aufgespürt wird, muss umgehend für zwei Wochen in Quarantäne.

In der Praxis werden diese Überwachungsmethoden, die zuvor nur zum Aufspüren und Verhindern möglicher Terrorakte eingesetzt wurden, mit einer kurzen Unterbrechung bereits seit Ausbruch der Pandemie im März genutzt. Datenschützer und Bürgerrechtler sind von Beginn an dagegen Sturm gelaufen. Sie fürchten bei dieser Massenüberwachung nicht nur das Erstellen kompletter Bewegungsprofile, sondern auch den direkten Zugriff auf Inhalte in sozialen Netzwerken und E-Mails. Sogar der Schin-Bet-Chef Nadav Argaman zeigte sich höchst unzufrieden damit, von der Regierung für solch eine "zivile Angelegenheit" eingespannt zu werden.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen wurde offenbar fälschlich in Quarantäne geschickt

Zudem gibt es offenkundig erhebliche Probleme mit der Treffgenauigkeit der Überwachung, wie das Gesundheitsministerium gerade einräumen musste. Demnach sind, wie die Zeitung Haaretz berichtet, allein in der ersten Juli-Hälfte mehr als 150 000 Israelis in Isolation geschickt worden wegen eines vermeintlichen Kontakts mit einem Corona-Infizierten. Rund 30 000 erhoben Einspruch dagegen - und 58 Prozent von ihnen wurden daraufhin aus der Quarantäne entlassen.

Der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu, die zunehmend wegen ihrer sprunghaften Anti-Corona-Politik unter Druck gerät, setzt dennoch mit aller Macht auf den Geheimdienst. Im März war dessen Überwachungsauftrag per Notverordnung und mit dem Plazet des Generalstaatsanwalts eingeführt worden. Im April hatte jedoch das Oberste Gericht bestimmt, dass ein solch fundamentaler Eingriff in die Privatsphäre der Bürger einer entsprechenden Gesetzgebung bedürfe.

Dies schien dann zwischenzeitlich wegen der gesunkenen Infektionszahlen nicht mehr nötig zu sein. Doch mit dem Ausbruch der zweiten Welle wurde zuerst die Schin-Bet-Überwachung reaktiviert und nun das geforderte Gesetz verabschiedet. Vorgesehen sind in diesem auch ein paar Einschränkungen. So ist der Einsatz des Geheimdienstes nur erlaubt, solange es pro Tag mehr als 200 neue Infizierte gibt. In den vergangenen Tagen waren bis zu knapp 2000 neue Fälle verzeichnet worden. Zudem wird das Gesundheitsministerium aufgefordert, eine verbesserte Version der Open-Source-Kontaktapp namens Magen 2 - auf Deutsch: Schutzschild 2 - schnellstens auf den Markt zu bringen.

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Sie soll die Privatsphäre besser schützen, ihr Einsatz ist freiwillig. Geheimdienstminister Eli Cohen merkte an, dass diese App den Schin-Bet-Einsatz frühestens dann ersetzen könnte, wenn sie von einem Drittel aller israelischen Smartphone-Besitzer genutzt werde.

Indes drohen die Bürger des Landes allmählich den Überblick zu verlieren, was im Kampf gegen Corona eigentlich noch erlaubt und was bereits verboten ist. Der zuständige Parlamentsausschuss revidierte nun mehrere von der Regierung erlassenen Maßnahmen. So sollen Strände und Schwimmbäder nun doch am Wochenende geöffnet bleiben. Restaurants, deren Schließung für den Dienstagmorgen angeordnet worden war, bekamen schon wenige Stunden später die Erlaubnis, nun doch weiterhin Gäste bewirten zu dürfen.

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