Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland nimmt wieder deutlich zu. Erstmals seit Mai lag der bundesweite Inzidenzwert am Wochenende wieder über 100: Das Robert-Koch-Institut meldete am Sonntagmorgen einen Wert von 106,3. Noch vor einer Woche lag dieser Wert, der die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen angibt, bei 72,7. Binnen eines Tages wurden von den Gesundheitsämtern 13 732 neue Corona-Fälle registriert, eine Woche zuvor waren es 8682 Neuansteckungen.
Angesichts dieser Entwicklung wird über den weiteren Umgang mit der Pandemie diskutiert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Anfang der Woche bei noch deutlich niedrigeren Zahlen dafür plädiert, die Feststellung der "epidemischen Lage nationaler Tragweite" Ende November auslaufen zu lassen. Dieser Status, über den der Bundestag entscheidet, ist die rechtliche Grundlage für viele Corona-Maßnahmen.
Spahn sagte dem Deutschlandfunk, ein Ende der epidemischen Lage sei keinesfalls mit einem Ende aller Schutzmaßnahmen gleichbedeutend. Es gehe darum, die Befugnisse der Bundesregierung in einen Normalzustand zurückzuführen. Man brauche weiterhin einen Zustand besonderer Vorsicht.
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte, sollte die epidemische Lage tatsächlich auslaufen, brauche es eine Ersatzregelung. Man sei in einer Phase mit zahlreichen Problemen, neben den steigenden Infektionszahlen nannte Lauterbach etwa die stagnierende Impfquote und Impfdurchbrüche. Bereits am Freitag hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder erklärt, es müsse weiter eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Schutzmaßnahmen geben.
Personalmangel in der Intensivpflege
Tobias Hans (CDU), Regierungschef im Saarland, verteidigte dennoch Spahns Vorstoß: Die Pandemie sei zwar "nicht vorbei, aber sie hat durch die Impfungen ihren Schrecken verloren", so Hans zur Bild am Sonntag. Man dürfe nicht alle Länder über einen Kamm scheren. "Bundesländer mit einer hohen Impfquote müssen sich ihre Freiheiten zurückerobern können." Im Saarland gibt es vom kommenden Freitag an im Freien keine Beschränkungen mehr. Der Besuch im Fußballstadion wäre dann auch ungeimpft und ungetestet möglich. Die Vereinigung der Intensivmediziner (Divi) zeigte sich besorgt: Die Kapazitäten auf den Intensivstationen seien bei ähnlichen Infektionszahlen geringer als vor einem Jahr, Grund dafür sei der Personalmangel in der Intensivpflege.
Indes entbrannte eine Diskussion um Fußballspieler Joshua Kimmich vom FC Bayern: Er sei bislang nicht geimpft, räumte Kimmich am Wochenende nach entsprechenden Medienberichten ein. Er wolle erst Studien über die Langzeitwirkung der Impfung abwarten. Die Aufregung war besonders groß, weil Kimmich für die Gründung der "We Kick Corona"-Initiative mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Organisation kämpft gegen die Pandemie und betonte öffentlich die Wichtigkeit der Impfung. Kimmichs Kollegen Thomas Müller und Manuel Neuer ließen wissen, sie seien "Impffreunde".