Süddeutsche Zeitung

Pandemie:"Das Drama, auf welches jetzt alle warten, wird ausbleiben"

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Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und NRW fordern die Bundesregierung auf, schon jetzt Maßnahmen für eine Corona-Welle im Herbst vorzubereiten. Nicht nötig, halten Kanzler und Gesundheitsminister dagegen.

Von Angelika Slavik, Berlin

Vor dem Hintergrund der wieder steigenden Corona-Zahlen gewinnt die Debatte um die künftige Pandemiepolitik an Schärfe. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen drängen die Bundesregierung, noch vor der Sommerpause eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorzulegen. So steht es in einem Beschlusspapier der vier Länder für die Konferenz der Gesundheitsminister, die an diesem Mittwoch in Magdeburg beginnt.

Es sei notwendig, auf eine Verschärfung der Pandemiesituation im Herbst mit geeigneten Gegenmaßnahmen reagieren zu können, heißt es in den Papier. Dazu zählten neben Testpflichten, Zugangsbeschränkungen und Personenobergrenzen für Veranstaltungen auch die Maskenpflicht in Innenräumen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies die Forderung nach einer schnellen Änderung des Infektionsschutzgesetzes zurück.

Die Landesregierungen in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen werden von der Union geführt - aber aus Baden-Württemberg, wo die Grünen den Ministerpräsidenten stellen, ist die Kritik am bisherigen Corona-Kurs der Ampel-Koalition besonders laut. So forderte Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) ein "bundespolitisches Machtwort" von Kanzler Scholz: "Es muss ganz klar sein, dass wir uns von der FDP nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen." Sein Parteikollege und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, es sei "ein Gebot der praktischen Vernunft", alle denkbaren Maßnahmen für den Herbst vorzubereiten. "Die Feuerwehr funktioniert ja auch nicht so, dass sie erst die Schläuche bestellt, wenn sie die Größe des Brandes sieht."

Die Inzidenz steigt am Dienstag auf 458,5

Das aktuelle Infektionsschutzgesetz läuft am 23. September aus. Bislang will die Bundesregierung einen Bericht des Corona-Sachverständigenrats abwarten, der die Wirksamkeit früherer Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Abstandsgebote bewerten soll. Der Bericht wird für den 30. Juni erwartet und ist in der Ampel-Koalition besonders wichtig, weil die FDP strengeren Schutzmaßnahmen grundsätzlich kritisch gegenübersteht. Der liberale Bundesjustizminister Marco Buschmann etwa stellte kürzlich die Wirksamkeit von Atemschutzmasken infrage. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 123 097 Neuinfektionen binnen 24 Stunden, die Inzidenz stieg auf 458,5, nach 416 am Tag zuvor.

Kanzler Scholz sagte am Dienstagnachmittag, es gebe mit den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten die klare Verabredung, den Bericht der Sachverständigen abzuwarten. Danach werde die Bundesregierung einen Vorschlag vorlegen. Die Reform werde "rechtzeitig" vor dem Auslaufen des aktuellen Infektionsschutzgesetzes beschlossen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, er rechne dann innerhalb der Koalition mit einer schnellen Einigung. "Das Drama, auf welches jetzt alle warten, wird ausbleiben", so Lauterbach im "ARD-Morgenmagazin". "Wir werden also für den Winter viel besser gerüstet sein, als der ein oder andere jetzt vermutet." Die letzte Bundestagssitzung vor der Sommerpause wäre am 8. Juli, danach treffen die Abgeordneten laut offiziellem Kalender wieder am 5. September zusammen.

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