Süddeutsche Zeitung

Nordrhein-Westfalen:Argwohn gegen Astra Zeneca

In NRW wurden Mitte Februar nur etwa drei Prozent aller Impftermine mit Astra Zeneca abgesagt. Das ist wenig. Doch die Skepsis steigt - wie der Freitag im Impfzentrum Köln zeigt.

Von Jana Stegemann, Düsseldorf

Eigentlich wollte Karl Lauterbach am kommenden Freitag als Impfarzt im Leverkusener Impfzentrum arbeiten - und sich dort auch mit dem Vakzin von Astra Zeneca impfen lassen. Auch weil der Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers aktuell mit immer mehr Skepsis beäugt wird - obwohl Vorbehalte gegen das Präparat aus Sicht der Wissenschaft unbegründet sind. Doch daraus wurde nichts, der SPD-Gesundheitspolitiker und Mediziner musste seinen Dienst in der nordrhein-westfälischen Stadt wegen angekündigter Proteste absagen: "Polizei und Sicherheitsbehörden sahen Gefährdung", twitterte Lauterbach, der seit Wochen Morddrohungen erhält.

Ein paar hundert Kilometer weiter äußerte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin zu Astra Zeneca: "Alle drei in Europa zugelassenen Impfstoffe sind sicher und vor allem wirksam." Ein Impfangebot zu bekommen, so Spahn, sei ein Privileg. "Ich kann nur werben, das Angebot auch anzunehmen."

In Spahns Heimat, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, läuft die Impfung mit Astra Zeneca seit dem 10. Februar. Geimpft wurden damit bisher nur Pflege - und Rettungskräfte, Krankenhauspersonal und Zahnärzte - insofern sie unter 65 Jahre alt sind. Vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium (MAGS) heißt es: "Das MAGS hatte einzelne Hinweise erhalten, dass die Impfbereitschaft mit Blick auf Astra Zeneca tendenziell verhalten sei. Dies scheint sich nicht zu bestätigen. Das zeigen nun Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein." Als einziges Bundesland hat NRW zwei Kassenärztliche Vereinigungen, die sich das Land geographisch aufteilen: Westfalen-Lippe und Nordrhein. Letztere hat Daten zu nicht wahrgenommenen Impfterminen erhoben: Im Zeitraum zwischen dem 10. und 15. Februar sind im Bezirk Nordrhein etwa 600 Impftermine mit dem Impfstoff Astra Zeneca nicht wahrgenommen worden. Bei 18 100 geplanten Impfungen mit Astra Zeneca ergibt das eine Quote von etwa 3,4 Prozent.

Reihenweise Absagen in Köln

Im Zeitraum vom 8. bis zum 15. Februar waren in allen 26 Impfzentren in Nordrhein etwa drei Prozent aller Termine mit Biontech und Astra Zeneca versäumt worden. "Das zeigt: Es gibt offenbar nur sehr wenige, die nicht zu ihrem Impftermin mit Astra Zeneca erscheinen", teilte das Ministerium mit. Gleichwohl ließen die Zahlen keine belastbaren Rückschlüsse darauf zu, ob der Impfstoff von Personen- und Berufsgruppen mit einem hohen Prozentsatz auch angenommen werde. Die Gründe für Terminabsagen liegen der KV Nordrhein ebenfalls nicht vor. Fest stehe: "Das Ministerium werde auch weiter intensiv für die Akzeptanz der zugelassenen Impfstoffe werben", so ein Sprecher.

Das scheint nötiger zu werden, aus NRWs einziger Millionenstadt Köln hieß es am Freitag auf SZ-Anfrage: Das dortige Impfzentrum biete täglich 500 Impftermine für Astra Zeneca an - "nicht einmal die Hälfte der Termine wird nachgefragt", sagte eine Sprecherin der Stadt. Am Freitag fanden 181 Impfungen mit Astra Zeneca statt, "im Vorfeld wurden 105 für den heutigen Tag geplante Termine verschoben oder abgesagt. Am Montag fanden noch etwa 300 Impfungen statt, die Nachfrage nimmt seitdem deutlich ab."

Der leitende Kölner Impfarzt, Jürgen Zastrow, sagte am Freitag: "Die Impfstoffdiskussionen kann ich nicht nachvollziehen! Wir haben drei gute zugelassene Impfstoffe mit unterschiedlichen Charakteristika und unterschiedlichen Studiendesigns. Alle drei schützen, wenn auch in unterschiedlicher Weise, gut gegen Infektion und vor allem vor schweren Verläufen." Bei Tausenden Impfungen habe es keine allergischen Sofortreaktionen gegeben. "Grippesymptome für ein bis zwei Tage sind ein Indiz für eine gute Impfreaktion und die Ausbildung der gewünschten Antikörper." Diese seien "tausendfach harmloser als eine Corona Infektion. Wer im Übrigen mit Alkohol feiert, nimmt ähnliche Symptome in Kauf, was aber nur die wenigsten zur Abstinenz bringt", so Zastrow.

Auch aus der Stadt Essen im Ruhrgebiet heißt es, dass man "von Vorbehalten gehört" habe und deshalb ein spezielles Schreiben aufgesetzt haben. "Dennoch gab es aus diesem Bereich auch Terminabsagen im Vorfeld. Und es haben Einzelpersonen das Impfzentrum auch wieder verlassen, weil sie sich nicht mit Astra Zeneca impfen lassen wollten", sagt eine Sprecherin der Stadt.

Warum nicht die impfen, "die dafür jetzt auch bereit sind"?

In der Landeshauptstadt Düsseldorf verzeichne das Impfzentrum "eine positive Haltung der Impfberechtigten gegenüber dem Impfstoff. In der Regel werden die vereinbarten Impftermine eingehalten", sagt ein Sprecher. Es gebe nur wenige Terminabsagen, die in Einzelfällen auf Astra Zeneca zurückzuführen seien.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte zuvor dem Tagesspiegel gesagt, dass er verhindern wolle, dass Astra Zeneca-Impfdosen in Berlin ungenutzt bleiben: "Ich werde nicht zulassen, dass Zehntausende Impfdosen in unseren Schränken lagern, wenn sich gleichzeitig Millionen Menschen bundesweit sofort damit immunisieren lassen würden." Müller plädiert dafür, den Impfstoff Lehrkräften, Erzieherinnen, Polizei und Feuerwehr sowie Mitarbeitern im Einzelhandel und Nahverkehr anzubieten. Dafür wolle er sich mit anderen Bundesländern auf ein Vorgehen verständigen, kündigte Müller an.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wandte sich mit einem Schreiben an Spahn und bat ihn darin unter anderem "sehr schnell zuzulassen, dass jetzt auch Beschäftigte in Schulen und Kitas ein Angebot erhalten können", damit Astra Zeneca nicht in Kühlschränken liegenbleibe. Dazu braucht es laut Woidke "flexible Regeln, um die zu impfen, die dafür jetzt auch bereit sind".

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