Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Europa:Österreich impft zögerlich, Dänemark rasant

In Deutschland steht die Impfpolitik in der Kritik. Wie sieht es in anderen Ländern aus? Erfolgsgeschichten sind rar - vor allem aus Sicht der jeweiligen Oppositionsparteien.

Von Florian Hassel, Karin Janker, Cathrin Kahlweit, Oliver Meiler und Kai Strittmatter

Wie in vielen anderen EU-Ländern auch sind die Corona-Impfungen, die kurz nach Weihnachten starten sollten, in Österreich zögerlich angelaufen - dort jedoch offenbar noch langsamer und intransparenter als anderswo. Ein Auftritt vom "Sonderbeauftragten des Gesundheitsministeriums" der türkis-grünen Regierung, Clemens-Martin Auer, im ORF am vergangenen Montag löste massive Verwunderung aus - Auer konnte aus "Aktualitätsgründen" keine Details nennen. Zwar seien bereits 60 000 Impfdosen im Land, hatte Auer bestätigt, weitere 60 000 würden dieser Tage geliefert. Es seien aber bis Silvester nur etwa 6000 Menschen geimpft worden. Zu langsam sei das Vorgehen, hieß es von Experten und Betroffenen.

Die Regierung kündigte nun am Mittwoch einen "vorgezogenen, flächendeckenden Impfstart" an; bis Ende der Woche sollen 21 000 Dosen verbraucht werden. Die oppositionelle SPÖ verlangt gleichwohl eine Sondersitzung des Parlaments, das Vorgehen der Regierung sei "fahrlässig", sie verspiele das Vertrauen der Bürger.

Ein Problem neben der langsamen Organisation der Massenimpfungen könnte werden, dass die Impfbereitschaft im Land sehr niedrig ist. Umfragen zufolge wollen sich nur knapp 20 Prozent der Österreicher mit Sicherheit gegen Corona impfen lassen, knapp 30 Prozent "sicher nicht".

Viele spanische Pflegeheimbewohner sind noch im Urlaub

In Spanien, wo die zweite Welle der Pandemie bereits mehr Tote gefordert hat als die erste, obliegt den Regionen die Verteilung der Impfdosen. Und weil jede ihren eigenen Impfplan verfolgt, herrschen regional gewaltige Unterschiede. So hat etwa das nördlich gelegene Asturien beschlossen, gleich in der ersten Woche sämtliche Dosen zu verimpfen - ohne die entsprechende Menge für eine zweite Impfung zurückzuhalten. Asturien hat landesweit die älteste Bevölkerung. Die Regionalregierung will daher rasch so viele Menschen wie möglich impfen.

Ganz anders Madrid: In der Hauptstadtregion wurden bislang nur sechs Prozent der zur Verfügung stehenden Dosen verimpft. Madrids Regionalregierung verweist auf Lieferschwierigkeiten und darauf, dass viele der Pflegeheimbewohner, die zuerst geimpft werden sollen, noch im Weihnachtsurlaub seien. Womöglich liegt der zögerliche Start aber auch am Personalmangel im Gesundheitssektor. Insgesamt hat Spanien mit seinen 47 Millionen Einwohnern knapp 744 000 Impfdosen erhalten, von diesen wurden bisher 19 Prozent verabreicht.

Italien bekam zunächst lediglich 10 000 Dosen

In Italien begann die Impfkampagne reflexartig mit dem üblichen Lamento über die eigene organisatorische Unfähigkeit. Das lag auch daran, dass die erste Lieferung nur knapp 10 000 Dosen umfasste, einen Bruchteil dessen, was etwa Deutschland erhielt. Für die oppositionelle Rechte war das ein Anlass für die Befeuerung alter Verschwörungstheorien und für Kritik an der Regierung.

Bei genauerem Hinsehen stellt sich jetzt aber heraus, dass die Kampagne nach neuen Belieferungen an die 294 Impfzentren im Land relativ schnell in Gang gekommen ist. Am Dreikönigstag waren bereits 260 000 Italiener geimpft, vor allem Ärzte und Pflegepersonal sowie Menschen in Altenheimen - damit ist man Nummer zwei in der EU. Ziel der Italiener ist es, täglich mindestens 65 000 Menschen zu impfen, bis Juni sollen es etwa 15 Millionen sein.

Fast die Hälfte der Polen will sich nicht impfen lassen

In Polen lehnen 49 Prozent der Bevölkerung eine Impfung ab, wie eine Umfrage Anfang Januar ergab. Tatsächlich wurde in der ersten Woche der am 27. Dezember begonnenen Impfungen mit knapp 50 000 nicht einmal ein Drittel der zuvor angestrebten 180 000 Impfungen erreicht, berichtete die polnische Newsweek-Ausgabe. Jetzt steigt das Tempo immerhin: Bis zum 4. Januar wurden Impfkoordinator Michał Dworczyk zufolge rund 136 000 Polen geimpft.

Die Ärzte der Medizinischen Universität Warschau (WUM) versuchten angesichts der verbreiteten Skepsis, prominente Polen als Impfbotschafter zu gewinnen. Polens berühmteste Schauspielerin Krystyna Janda, der ehemalige Ministerpräsident Leszek Miller und sechzehn weitere Prominente waren bereit, Impfbotschafter zu werden. Sie alle wurden bereits geimpft. Doch befeuert von manipulativen Berichten regierungsnaher Medien, brach eine Welle des Hasses über die Prominenten herein - weil sie sich angeblich vorgedrängelt hätten.

In Dänemark soll die Impfung in allen Altenheimen schnell abgeschlossen sein

In den skandinavischen Ländern wird die Impfdebatte gelassener geführt. Nur vereinzelt wird gestritten, in Schweden zum Beispiel protestierten Krankenhaus-Mitarbeiter ob ihrer exponierten Stellung gegen den Plan, zunächst nur die Insassen und Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen zu impfen. Nun will die Regierung die Impfung etwa für das Personal der Intensivstationen vorziehen. In Dänemark gab es eine Panne: Dienstag und Mittwoch blieben viele Impfzentren leer, da aufgrund technischer Fehler die Einladung viele Bürger nicht erreichte.

Aber die dominierende Nachricht ist eine andere, nämlich die, dass die Impfung in den mehr als 900 dänischen Altenheimen schneller vorangeht als geplant, und schon bis zum Wochenende abgeschlossen sein soll. Zuspruch erhält auch der Plan der Gesundheitsbehörden in Kopenhagen, die vorhandene Menge an Impfstoffen zu strecken, indem man man die Frist zwischen erster und zweiter Impfung von drei auf sechs Wochen ausdehnt.

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