Süddeutsche Zeitung

Covid-19-Vakzin:Wo bleibt der Impfausweis?

Wer vollständigen Schutz hat, steckt wohl niemanden mehr an. Justizministerin Christine Lambrecht will diesen Menschen darum "so schnell wie möglich" ihre Freiheiten wiedergeben. Doch nicht alle drücken derart aufs Tempo.

Von Angelika Slavik, Berlin

Für Christine Lambrecht ist die Sache ziemlich einfach. Wenn klar sei, dass von Geimpften kein Risiko mehr ausgehe, sie das Coronavirus also nicht übertragen könnten, dann dürfe der Staat die Grundrechte dieser Menschen auch nicht weiter einschränken. So sagt es die Bundesjustizministerin (SPD) schon seit Monaten, und so sagte sie es auch am Mittwoch wieder, im Morgenmagazin der ARD. Sie wolle deshalb "so schnell wie möglich" eine Verordnung auf den Weg bringen, die Menschen mit vollständigem Impfschutz ihre Freiheiten wiedergebe.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist es nahezu ausgeschlossen, dass jemand mit vollständigen Impfschutz noch Covid-19 überträgt. Dementsprechend bewegt die Frage, wie Deutschland mit der wachsenden Zahl von Geimpften umgehen soll, viele Menschen - nicht alle aber finden die Sache so dringlich wie Lambrecht. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) etwa gab am Mittwoch Auskunft über den Fortschritt beim digitalen Impfausweis. Der wird ja als Nachweis für den Impfschutz dienen und somit essenziell sein für alle, die auf mehr Freiheiten hoffen.

Der Impfausweis werde "in wenigen Tagen bis Wochen" fertig sein, sagte Braun im Deutschlandfunk. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern lege man aber in Deutschland besonders großen Wert auf Datensicherheit. "Und wenn es dann mal eine Woche länger dauert, dann ist das eben so."

Kanzleramtsminister verspricht Ausweis in "Tagen oder Wochen"

Nicht überall ist man so geduldig. Beim sogenannten "Impfgipfel" von Bund und Ländern am vergangenen Montag kam es zu keinem bundeinheitlichen Beschluss, nun planen mehrere Bundesländer Vorteile für Geimpfte und Genesene oder haben sogar bereits entsprechende Landesverordnungen. Dazu gehören Bayern, Berlin, Hessen, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesjustizministerin findet das ausdrücklich gut: Es wäre schließlich ein "falsches Signal", müsste man sich in Sachen Lockerungen von den Gerichten treiben lassen, sagte Lambrecht, und meint damit vor allem das Bundesverfassungsgericht, bei dem mehr als hundert Klagen gegen die aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes und die damit verbundenen Einschränkungen liegen.

Wenig begeistert vom Vorpreschen einzelner Länder zeigte sich dagegen der CDU-Chef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. In seinem Bundesland werde es vorerst keine zusätzlichen Freiheiten für Geimpfte und Genesene geben, sagte der frisch gekürte Kanzlerkandidat der Union in einer Rede vor dem Düsseldorfer Landtag. Die Ausarbeitung einer entsprechenden Verordnung sei Aufgabe der Bundesregierung. Es sei richtig, abgestimmt vorzugehen.

Beim Impfgipfel am Montag hatte es zwar weitgehend Einigkeit darüber gegeben, dass Menschen mit vollständigem Impfschutz ihre Grundrechte zurückbekommen müssten. Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einigten sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber nicht auf einen genauen Zeitplan. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) hatte im Anschluss an die Beratungen von einer "sehr kontroversen" Debatte gesprochen. Während sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die Kanzlerin um ein harmonisches Bild mühten, betonte Söder, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Dringlichkeit gebe, nachweislich nicht infektiösen Menschen wieder mehr Freiheiten einzuräumen.

"Für Menschen schwer nachvollziehbare Kakofonie"

Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Städtetages, kritisierte am Mittwoch die Bund-Länder-Runde: Er sei "mehr als irritiert", dass es beim Impfgipfel keine Beschlüsse gegeben habe und die Regierungschefs stattdessen wohl eine Art "Brainstorming" veranstaltet hätten, sagte Jung in einer Videokonferenz vor Journalisten. Noch schlimmer werde dies durch den Umstand, dass nach dem Gipfel nun einzelne Ministerpräsidenten "wieder sehr vielstimmig" ihre Konsequenzen aus dem Impfgipfel zögen und länderbezogene Beschlüsse organisierten. Das sei diese "für Menschen schwer nachvollziehbare Kakofonie der Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Pandemie", man benötige aber doch eigentlich Geschlossenheit. Impfen und Testen sollte bundeseinheitlich geregelt werden - ebenso wie Lockerungen für Geimpfte und Genesene. Diese Lockerungen könnten auch ein "Anreiz" sein, damit sich mehr Menschen impfen ließen, sobald sie die Möglichkeit dazu haben, sagte Jung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5279388
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nvh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.