Pandemie:EU macht Tempo bei der Impfstoff-Zulassung

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Dank Notfallzulassung könnten die ersten Menschen in der kommenden Woche in Europa schon geimpft werden. (Foto: Yegor Aleyev/imago images)

Bis zu acht Tage vor dem eigentlich geplanten Termin könnte das erste Vakzin zugelassen werden. Das ist zwar immer noch später als etwa in Großbritannien oder den USA, hat für die Bürger aber einen großen Vorteil.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel, Henrike Roßbach, Berlin, und Kathrin Zinkant, Brüssel/Berlin

Bislang war immer vom 29. Dezember die Rede gewesen, nun könnte es doch schneller gehen mit der Zulassung des ersten Covid-19-Impfstoffs in der EU: Man plane eine Sondersitzung für den 21. Dezember, teilte die Europäische Arzneimittelagentur EMA am Dienstagnachmittag mit. "Falls möglich", wolle man die Prüfung dann abschließen. Wenn nötig, solle der ursprünglich avisierte Termin am 29. Dezember aber beibehalten werden, hieß es in der Mitteilung.

Der politische Druck auf die EMA, den Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer nicht erst am 29. Dezember zuzulassen, war zuletzt deutlich gestiegen. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht keinen triftigen Grund, den Beginn der Impfungen in der EU noch länger hinauszuzögern. Ihr Präsident Gerald Gaß sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag, Europa solle versuchen, schon vor Weihnachten eine Notfallzulassung "zu schaffen", damit noch vor den Feiertagen zum Beispiel in den Pflegeheimen geimpft werden könne.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte eine Zulassung noch vor Weihnachten am Dienstag eine gute Nachricht für die ganze Europäische Union. Jeder Tag früher helfe, "Leid zu verhindern". Zum weiteren zeitlichen Ablauf sagte er, dass nach der Zulassung noch die "Chargenfreigabe" durch das Paul-Ehrlich-Institut komme, danach werde man sich mit dem Hersteller um eine schnelle Auslieferung bemühen. Er rechne mit einem "maximal zwei bis vier Tagen späteren Impfstart".

Spahn verteidigte abermals, dass die Zulassung in der EU länger dauert als etwa in Großbritannien, Kanada oder den USA, wo bereits die ersten Menschen geimpft wurden. "Wir haben von Anfang an gesagt, wir machen keine Notzulassung, sondern eine ordentliche Zulassung." Die EMA gehe "tiefer in die Daten rein", als das bei einer Notzulassung der Fall sei. Beim Impfen sei nichts wichtiger als das Vertrauen der Menschen in den Impfstoff; gerade bei einem neuen Impfstoff seien einige zurückhaltend. Angesichts des Mehrwerts, den die "erste weltweite ordentliche Zulassung" mit sich bringe, könne ein Unterschied von zwei Wochen beim Impfbeginn verantwortet werden.

Mitarbeiter der EMA hatten vergangenen Freitag während einer öffentlichen Anhörung das Verfahren für eine beschleunigte Zulassung, um die es derzeit geht, erläutert. Es schließt demnach mehr Experten mit ein als sonst üblich, entsprechend wird etwas mehr Zeit für die Abstimmung benötigt. Beobachter beurteilen die Begutachtung durch die EMA jedoch als besonders detailliert, insbesondere mit Blick auf die Nebenwirkungen, die auch mit Vorerkrankungen der Impflinge in Zusammenhang stehen können. So ist es in Großbritannien in zwei Fällen zu schweren Nebenwirkungen gekommen, weil die Empfänger des Vakzins starke Allergiker waren. Solche allergischen Reaktionen sind nicht unüblich bei Impfungen, oft werden sie durch Hilfsstoffe ausgelöst. Die britischen Behörden rufen Menschen mit schweren Allergien inzwischen dazu auf, sich vorerst nicht impfen zu lassen.

Dass das Verfahren in der EU länger dauert als etwa in Großbritannien oder den USA, liegt neben der vertieften Prüfung auch daran, dass die Behörden aus den Mitgliedstaaten in das Zulassungsverfahren der EMA einbezogen werden. "Hier haben wir uns vorgenommen, dass wir uns alle sehr sputen", hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch am Freitag gesagt, nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU.

Nationale Zulassungen wären theoretisch auch in EU-Staaten möglich. Die Mitgliedstaaten haben sich jedoch für die zentrale Zulassung entschieden, auch um die Impfstoffe dann gleichzeitig in allen Ländern verfügbar zu machen. Spahn sagte, es gehe auch um Solidarität innerhalb der EU. Man habe gemeinsam investiert in Produktion und Forschung, sich gemeinsam Impfdosen gesichert und mache nun auch die Zulassung gemeinsam.

Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Christdemokraten im EU-Parlament, sprach noch von einem weiteren Vorteil, den das EMA-Verfahren mit sich bringe: "Die europäische Zulassung sieht eine Haftung der Unternehmen vor. Das ist bei einer Notfallzulassung nicht der Fall." Die schnelle Zulassung in den USA und Großbritannien sei politisch gewollt und habe nichts mit der Qualität der jeweiligen Behörde zu tun.

Trotz der Aussicht auf einen baldigen Impfbeginn auch in Deutschland dämpfte Spahn am Dienstag die Hoffnungen, dass sich die Infektionslage hierzulande sehr schnell bessern werde. "Auch eine Vollbremsung wird eine lange Bremsspur haben", sagte er mit Blick auf den strengen Lockdown, der von diesem Mittwoch an in Deutschland in Kraft tritt.

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