Die Corona-Impfpflicht für Pflege- und Klinikpersonal kann wie geplant Mitte März kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge mehrerer Kläger abgewiesen, die - überwiegend ungeimpft - in solchen Einrichtungen arbeiten. Seine Entscheidung veröffentlichte es am Freitag. Die sogenannte berufsbezogene Impfpflicht gilt vom 15. März an; manche Bundesländer - allen voran Bayern - drohen aber damit, sie erst einmal auszusetzen.
Zwar gab das Gericht formale Bedenken an der konkreten Fassung der Impfpflicht zu erkennen. Ganz grundsätzlich bestünden aber gegen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht "als solche" zum jetzigen Zeitpunkt keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der mögliche formale Fehler im Gesetz rechtfertigt aus Sicht des Gerichts nicht, es vorläufig auszusetzen.
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Den zweiten Tag in Folge nimmt der Wert ab, die Aussagekraft der Daten ist allerdings eingeschränkt. Der Corona-Expertenrat hält Lockerungen unter bestimmten Bedingungen für möglich.
Denn die Nachteile eines einstweiligen Verzichts auf die Impfpflicht wären erheblich: Alte und kranke Menschen mit geschwächtem Immunsystem wären dadurch einer deutlich größeren Gefahr ausgesetzt, schwer oder gar tödlich zu erkranken. Nach Einschätzung der Fachleute sei davon auszugehen, dass Impfungen einen relevanten, wenngleich mit der Zeit deutlich nachlassenden Schutz vor einer Infektion bewirkten - auch mit Blick auf die Omikron-Variante des Coronavirus.
"Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber", schreiben die Richter. Das Interesse der Kläger, vorerst weiter ungeimpft arbeiten zu können, müsse dahinter zurücktreten.
Die Teilimpfpflicht gilt für Beschäftigte in Kliniken und Arztpraxen, in Pflegeheimen, Rettungs- oder Pflegediensten, aber auch für Hebammen oder Physiotherapeuten. Sie alle müssen dem Gesetz zufolge bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder kürzlich genesen sind. Ausnahmen sind möglich für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Fehlt der Nachweis, untersucht das Gesundheitsamt die Angelegenheit und kann dem oder der Betroffenen verbieten, die Tätigkeit weiter auszuüben.
Gegen die berufsbezogene Impfpflicht sind in Karlsruhe Dutzende Verfassungsbeschwerden eingereicht worden. Über viele Eilanträge haben die Richter nun entschieden. Die Hauptverfahren, in denen das Gesetz umfassend geprüft wird, stehen noch aus. Im Eilverfahren wird nur abgewogen, welche Folgen schlimmer wären: Die Teilimpfpflicht in Kraft zu lassen, obwohl sich am Ende die Verfassungsbeschwerde als berechtigt erweist? Oder die Teilimpfpflicht außer Kraft zu setzen, wenn sie sich später als verfassungsgemäß herausstellt?
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens gibt es heftigen politischen Streit über die Umsetzung der Teilimpfpflicht: Viele Länder verlangen vom Bund - bisher vergeblich - einheitliche Regelungen für den Gesetzesvollzug, für den aber eigentlich sie zuständig sind. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat daher angekündigt, in Bayern das Gesetz erst einmal auszusetzen. Unterstützung bekommt er dabei von der CDU; die von SPD, Grünen und FDP getragene Bundesregierung kritisiert seine Ankündigung heftig.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte die Entscheidung aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht setze die "richtige Priorität", schrieb er auf Twitter. "Der Geimpfte trägt ein minimales Risiko der Nebenwirkung." Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte, nun gelte es, die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal bundesweit von Mitte März an umzusetzen. Das "parteipolitische Hickhack" der Union habe der Akzeptanz der Impfpflicht in den letzten Tagen schwer geschadet.