Der Bundestag debattiert über eine Impfpflicht, vor der Tür wird dagegen protestiert. Alle Entwicklungen im Liveblog:
Newsdesk
Damit beenden wir für heute die Berichterstattung aus dem Bundestag. Einen schönen Abend noch!
Jens Schneider

Gut, wenn mit Respekt ernsthaft debattiert wird
Nun ist diese Orientierungsdebatte nach bald vier Stunden vorbei. Lang war sie, auch anstrengend, und schon von daher passt diese Debatte zu dieser so zermürbenden Pandemie, die für alle eine Herausforderung ist - und in der jede einfache, schlichte Lösung zu Recht Misstrauen weckt. Einfach gemacht haben es sich nur wenige in diesem Rede-Marathon. So einfach, dass man sich arg wundert, wie wenig sich etwa Alice Weidel um das Leid der vielen Erkrankten scherte. Sie spielten bei der AfD-Fraktionschefin keine Rolle. Das war einer dieser Momente, bei denen man sich fragt, wie verschieden die Welten sein können, in denen Menschen und Politiker in diesem Land leben.
Sonst aber herrschte bei vielen Nachdenklichkeit vor, ganz gleich, ob nun bei Gegnern der Impfpflicht oder den vehementen Befürwortern. Ob das nun eine "Sternstunde" war, wie bei solchen Debatten immer gern gesagt wird?
Christos Pantazis von der SPD hat das in seiner Rede sogar so ausgedrückt. Aber vielleicht täte es all den Debatten und dem Umgang mit der Pandemie im ganzen Land mal gut, nicht alles so hoch zu hängen, nicht alles so groß auszudrücken. Die Pandemie und ihre Folgen sind schon gravierend genug. Da hilft es der Politik sehr, wenn in einer solchen Debatte von vielen gründlich argumentiert wird, mit Zweifeln behaftet und mit dem Bekenntnis zum eigenen Unwissen und vielen offenen Fragen. Das mag dann eine Sternstunde sein, vielleicht, zumindest aber ist es wohltuend, wenn die konträren Positionen mit gegenseitigem Respekt vorgebracht und anerkannt werden.
So spiegelte diese Debatte das Für und Wider wieder, das wohl jeder gerade in Gesprächen und Streitrunden im Freundes- oder Bekanntenkreis erlebt - wenn man denn noch miteinander redet. Wenn man sich nicht längst in ein Lager zurückgezogen hat. Dazu gehörte am Ende auch das, was die AfD so deftig ausdrückte, die Feindseligkeit und ihre so gänzlich anderen Positionen inbegriffen. Ja, auch sie spiegelt etwas wieder, das es in diesem Land gibt. Es war damit so gut wie alles drin in diesen mehr als drei Stunden, was einem in diesem von Corona erschütterten Land begegnen kann. Gut, wenn so gründlich gesprochen wird, von manchen mit großer Kenntnis, von anderen mit einem mehr oder weniger offenen Bekenntnis zur eigenen Ratlosigkeit und Suche - und von einigen mit einer verblüffenden Gewissheit ohne viel Wissen. Aber so ist das eben, und solche Gespräche sind nötig, ohne feste Vorgaben aus dem eigenen Lager, ohne vorgeschriebene Positionen, und mit dem Willen, die Position der anderen zu hören. Davon werden die Politik und diese Gesellschaft noch viel brauchen auf dem Weg zu einer Entscheidung über die Impfpflicht.
Sonst aber herrschte bei vielen Nachdenklichkeit vor, ganz gleich, ob nun bei Gegnern der Impfpflicht oder den vehementen Befürwortern. Ob das nun eine "Sternstunde" war, wie bei solchen Debatten immer gern gesagt wird?
Christos Pantazis von der SPD hat das in seiner Rede sogar so ausgedrückt. Aber vielleicht täte es all den Debatten und dem Umgang mit der Pandemie im ganzen Land mal gut, nicht alles so hoch zu hängen, nicht alles so groß auszudrücken. Die Pandemie und ihre Folgen sind schon gravierend genug. Da hilft es der Politik sehr, wenn in einer solchen Debatte von vielen gründlich argumentiert wird, mit Zweifeln behaftet und mit dem Bekenntnis zum eigenen Unwissen und vielen offenen Fragen. Das mag dann eine Sternstunde sein, vielleicht, zumindest aber ist es wohltuend, wenn die konträren Positionen mit gegenseitigem Respekt vorgebracht und anerkannt werden.
So spiegelte diese Debatte das Für und Wider wieder, das wohl jeder gerade in Gesprächen und Streitrunden im Freundes- oder Bekanntenkreis erlebt - wenn man denn noch miteinander redet. Wenn man sich nicht längst in ein Lager zurückgezogen hat. Dazu gehörte am Ende auch das, was die AfD so deftig ausdrückte, die Feindseligkeit und ihre so gänzlich anderen Positionen inbegriffen. Ja, auch sie spiegelt etwas wieder, das es in diesem Land gibt. Es war damit so gut wie alles drin in diesen mehr als drei Stunden, was einem in diesem von Corona erschütterten Land begegnen kann. Gut, wenn so gründlich gesprochen wird, von manchen mit großer Kenntnis, von anderen mit einem mehr oder weniger offenen Bekenntnis zur eigenen Ratlosigkeit und Suche - und von einigen mit einer verblüffenden Gewissheit ohne viel Wissen. Aber so ist das eben, und solche Gespräche sind nötig, ohne feste Vorgaben aus dem eigenen Lager, ohne vorgeschriebene Positionen, und mit dem Willen, die Position der anderen zu hören. Davon werden die Politik und diese Gesellschaft noch viel brauchen auf dem Weg zu einer Entscheidung über die Impfpflicht.
Werner Bartens
Wenig neue Einsichten, aber viele Einblicke ins Seelenleben
Der Bundestag ist tatsächlich eine Volksvertretung. In der "Orientierungsdebatte" über die Impfpflicht repräsentierte er ungefähr das Spektrum an Meinungen, die auch in der Bevölkerung zu Corona, Impfen und Co. zu hören sind. Es gab erstaunlich schlichte Beiträge von Politikern, die sich bisher offenbar wenig mit dem Virus und seinen Eigenschaften beschäftigt haben. Warum es sie (m, w, d) dennoch ans Rednerpult drängte, bleibt ihr Geheimnis. Es gab abstruse Theorien vom rechten Rand, abenteuerliche Risikoberechnungen und falsche Behauptungen. Und es gab medizinisch fundierte Appelle, wie der Kampf gegen die Pandemie aussehen sollte und warum eine Impfpflicht dafür der richtige Weg ist. Inhaltlich neu war das alles nicht unbedingt, aber die Debatte legte die persönliche Prägung etlicher Parlamentarier offen, ihre Bedenken und das, was sie während der Seuche besonders bewegt.
Die individuelle Motivlage, die viele Abgeordneten offenbart haben, zeigte zudem, warum die Diskussion über die Pandemie auch im Privaten oft stockt und an ihre Grenzen kommt. Die Wunden sind tief, die Empörung ist groß - über Einschränkungen im Alltag, über das lähmende Gefühl seit nunmehr zwei Jahren, die Angst vor Krankheit, Leid und Tod und die Schwierigkeiten mit der Ungewissheit. Einblicke gab es daher in das Innenleben mancher Politiker; Orientierung oder gar neue Einsichten hielten sich hingegen in Grenzen. So wie im richtigen Leben mit dieser vermaledeiten Seuche.
Mein Kommentar (SZ Plus):
Die individuelle Motivlage, die viele Abgeordneten offenbart haben, zeigte zudem, warum die Diskussion über die Pandemie auch im Privaten oft stockt und an ihre Grenzen kommt. Die Wunden sind tief, die Empörung ist groß - über Einschränkungen im Alltag, über das lähmende Gefühl seit nunmehr zwei Jahren, die Angst vor Krankheit, Leid und Tod und die Schwierigkeiten mit der Ungewissheit. Einblicke gab es daher in das Innenleben mancher Politiker; Orientierung oder gar neue Einsichten hielten sich hingegen in Grenzen. So wie im richtigen Leben mit dieser vermaledeiten Seuche.
Mein Kommentar (SZ Plus):
Kassian Stroh
AfD-Klage gegen 2 G plus im Bundestag abgewiesen
Kaum ist die Debatte vorüber, kommt aus Karlsruhe eine Nachricht, die für das Parlament und die Frage des Impfens ebenfalls wichtig ist: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag der AfD abgelehnt, zwei Abgeordneten der Fraktion trotz der dort geltenden 2-G-plus-Regelung auch ohne einen Impfnachweis Zugang zum Bundestag zu gewähren. Der Antrag unter anderem der AfD-Fraktion, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, sei unzulässig, teilt das Gericht mit. Denn die Antragsteller hätten nicht ausreichend begründet, dass ihnen ein schwerer Nachteil drohe für den Fall, dass diese einstweilige Anordnung nicht erlassen werde.
Mit ihrem Antrag wollte die AfD-Fraktion im Bundestag erreichen, dass zwei ihrer Mitglieder an diesem Donnerstag im Bundestag an der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf der Besuchertribüne auch ohne den geforderten 2-G-plus-Nachweis teilnehmen können. Auch in der Debatte über die Impfpflicht beklagten mehrere Redner der AfD diese Einschränkung und nannten sie unzulässig.
Im Deutschen Bundestag ist etwa der Zugang zum Plenarsaal nur noch für Geimpfte und Genese mit einem tagesaktuellen Antigen-Schnelltest erlaubt. Nicht geimpfte Abgeordnete können bei normalen Sitzungen aber auf der Besuchertribüne Platz nehmen; für die Gedenkstunde hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auch für die Besuchertribüne die 2-G-plus-Regel erlassen.
Mit ihrem Antrag wollte die AfD-Fraktion im Bundestag erreichen, dass zwei ihrer Mitglieder an diesem Donnerstag im Bundestag an der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf der Besuchertribüne auch ohne den geforderten 2-G-plus-Nachweis teilnehmen können. Auch in der Debatte über die Impfpflicht beklagten mehrere Redner der AfD diese Einschränkung und nannten sie unzulässig.
Im Deutschen Bundestag ist etwa der Zugang zum Plenarsaal nur noch für Geimpfte und Genese mit einem tagesaktuellen Antigen-Schnelltest erlaubt. Nicht geimpfte Abgeordnete können bei normalen Sitzungen aber auf der Besuchertribüne Platz nehmen; für die Gedenkstunde hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auch für die Besuchertribüne die 2-G-plus-Regel erlassen.
Kassian Stroh
Vom Ringen um eine große Frage
Die Debatte ist seit 19 Uhr vorbei, fast vier Stunden lang hat sie gedauert. Nico Fried und Jan Heidtmann aus dem Berliner Büro der Süddeutschen Zeitung haben die wichtigsten Eindrücke dieses Tages in einer großen Reportage zusammengefasst - von dem, was im Reichstagsgebäude geschah, und dem, was sich draußen getan hat. Sie schreiben vom "Ringen" um eine große Frage, in dem sich "die ganze Breite der gesellschaftlichen Konflikte wegen des Coronavirus und seiner Auswirkungen" widerspiegele. (SZ Plus)