Der Bundestag debattiert über eine Impfpflicht, vor der Tür wird dagegen protestiert. Alle Entwicklungen im Liveblog:
Newsdesk
Damit beenden wir für heute die Berichterstattung aus dem Bundestag. Einen schönen Abend noch!
Jens Schneider
Gut, wenn mit Respekt ernsthaft debattiert wird
Nun ist diese Orientierungsdebatte nach bald vier Stunden vorbei. Lang war sie, auch anstrengend, und schon von daher passt diese Debatte zu dieser so zermürbenden Pandemie, die für alle eine Herausforderung ist - und in der jede einfache, schlichte Lösung zu Recht Misstrauen weckt. Einfach gemacht haben es sich nur wenige in diesem Rede-Marathon. So einfach, dass man sich arg wundert, wie wenig sich etwa Alice Weidel um das Leid der vielen Erkrankten scherte. Sie spielten bei der AfD-Fraktionschefin keine Rolle. Das war einer dieser Momente, bei denen man sich fragt, wie verschieden die Welten sein können, in denen Menschen und Politiker in diesem Land leben.
Sonst aber herrschte bei vielen Nachdenklichkeit vor, ganz gleich, ob nun bei Gegnern der Impfpflicht oder den vehementen Befürwortern. Ob das nun eine "Sternstunde" war, wie bei solchen Debatten immer gern gesagt wird?
Christos Pantazis von der SPD hat das in seiner Rede sogar so ausgedrückt. Aber vielleicht täte es all den Debatten und dem Umgang mit der Pandemie im ganzen Land mal gut, nicht alles so hoch zu hängen, nicht alles so groß auszudrücken. Die Pandemie und ihre Folgen sind schon gravierend genug. Da hilft es der Politik sehr, wenn in einer solchen Debatte von vielen gründlich argumentiert wird, mit Zweifeln behaftet und mit dem Bekenntnis zum eigenen Unwissen und vielen offenen Fragen. Das mag dann eine Sternstunde sein, vielleicht, zumindest aber ist es wohltuend, wenn die konträren Positionen mit gegenseitigem Respekt vorgebracht und anerkannt werden.
So spiegelte diese Debatte das Für und Wider wieder, das wohl jeder gerade in Gesprächen und Streitrunden im Freundes- oder Bekanntenkreis erlebt - wenn man denn noch miteinander redet. Wenn man sich nicht längst in ein Lager zurückgezogen hat. Dazu gehörte am Ende auch das, was die AfD so deftig ausdrückte, die Feindseligkeit und ihre so gänzlich anderen Positionen inbegriffen. Ja, auch sie spiegelt etwas wieder, das es in diesem Land gibt. Es war damit so gut wie alles drin in diesen mehr als drei Stunden, was einem in diesem von Corona erschütterten Land begegnen kann. Gut, wenn so gründlich gesprochen wird, von manchen mit großer Kenntnis, von anderen mit einem mehr oder weniger offenen Bekenntnis zur eigenen Ratlosigkeit und Suche - und von einigen mit einer verblüffenden Gewissheit ohne viel Wissen. Aber so ist das eben, und solche Gespräche sind nötig, ohne feste Vorgaben aus dem eigenen Lager, ohne vorgeschriebene Positionen, und mit dem Willen, die Position der anderen zu hören. Davon werden die Politik und diese Gesellschaft noch viel brauchen auf dem Weg zu einer Entscheidung über die Impfpflicht.
Sonst aber herrschte bei vielen Nachdenklichkeit vor, ganz gleich, ob nun bei Gegnern der Impfpflicht oder den vehementen Befürwortern. Ob das nun eine "Sternstunde" war, wie bei solchen Debatten immer gern gesagt wird?
Christos Pantazis von der SPD hat das in seiner Rede sogar so ausgedrückt. Aber vielleicht täte es all den Debatten und dem Umgang mit der Pandemie im ganzen Land mal gut, nicht alles so hoch zu hängen, nicht alles so groß auszudrücken. Die Pandemie und ihre Folgen sind schon gravierend genug. Da hilft es der Politik sehr, wenn in einer solchen Debatte von vielen gründlich argumentiert wird, mit Zweifeln behaftet und mit dem Bekenntnis zum eigenen Unwissen und vielen offenen Fragen. Das mag dann eine Sternstunde sein, vielleicht, zumindest aber ist es wohltuend, wenn die konträren Positionen mit gegenseitigem Respekt vorgebracht und anerkannt werden.
So spiegelte diese Debatte das Für und Wider wieder, das wohl jeder gerade in Gesprächen und Streitrunden im Freundes- oder Bekanntenkreis erlebt - wenn man denn noch miteinander redet. Wenn man sich nicht längst in ein Lager zurückgezogen hat. Dazu gehörte am Ende auch das, was die AfD so deftig ausdrückte, die Feindseligkeit und ihre so gänzlich anderen Positionen inbegriffen. Ja, auch sie spiegelt etwas wieder, das es in diesem Land gibt. Es war damit so gut wie alles drin in diesen mehr als drei Stunden, was einem in diesem von Corona erschütterten Land begegnen kann. Gut, wenn so gründlich gesprochen wird, von manchen mit großer Kenntnis, von anderen mit einem mehr oder weniger offenen Bekenntnis zur eigenen Ratlosigkeit und Suche - und von einigen mit einer verblüffenden Gewissheit ohne viel Wissen. Aber so ist das eben, und solche Gespräche sind nötig, ohne feste Vorgaben aus dem eigenen Lager, ohne vorgeschriebene Positionen, und mit dem Willen, die Position der anderen zu hören. Davon werden die Politik und diese Gesellschaft noch viel brauchen auf dem Weg zu einer Entscheidung über die Impfpflicht.
Werner Bartens
Wenig neue Einsichten, aber viele Einblicke ins Seelenleben
Der Bundestag ist tatsächlich eine Volksvertretung. In der "Orientierungsdebatte" über die Impfpflicht repräsentierte er ungefähr das Spektrum an Meinungen, die auch in der Bevölkerung zu Corona, Impfen und Co. zu hören sind. Es gab erstaunlich schlichte Beiträge von Politikern, die sich bisher offenbar wenig mit dem Virus und seinen Eigenschaften beschäftigt haben. Warum es sie (m, w, d) dennoch ans Rednerpult drängte, bleibt ihr Geheimnis. Es gab abstruse Theorien vom rechten Rand, abenteuerliche Risikoberechnungen und falsche Behauptungen. Und es gab medizinisch fundierte Appelle, wie der Kampf gegen die Pandemie aussehen sollte und warum eine Impfpflicht dafür der richtige Weg ist. Inhaltlich neu war das alles nicht unbedingt, aber die Debatte legte die persönliche Prägung etlicher Parlamentarier offen, ihre Bedenken und das, was sie während der Seuche besonders bewegt.
Die individuelle Motivlage, die viele Abgeordneten offenbart haben, zeigte zudem, warum die Diskussion über die Pandemie auch im Privaten oft stockt und an ihre Grenzen kommt. Die Wunden sind tief, die Empörung ist groß - über Einschränkungen im Alltag, über das lähmende Gefühl seit nunmehr zwei Jahren, die Angst vor Krankheit, Leid und Tod und die Schwierigkeiten mit der Ungewissheit. Einblicke gab es daher in das Innenleben mancher Politiker; Orientierung oder gar neue Einsichten hielten sich hingegen in Grenzen. So wie im richtigen Leben mit dieser vermaledeiten Seuche.
Mein Kommentar (SZ Plus):
Die individuelle Motivlage, die viele Abgeordneten offenbart haben, zeigte zudem, warum die Diskussion über die Pandemie auch im Privaten oft stockt und an ihre Grenzen kommt. Die Wunden sind tief, die Empörung ist groß - über Einschränkungen im Alltag, über das lähmende Gefühl seit nunmehr zwei Jahren, die Angst vor Krankheit, Leid und Tod und die Schwierigkeiten mit der Ungewissheit. Einblicke gab es daher in das Innenleben mancher Politiker; Orientierung oder gar neue Einsichten hielten sich hingegen in Grenzen. So wie im richtigen Leben mit dieser vermaledeiten Seuche.
Mein Kommentar (SZ Plus):
Kassian Stroh
AfD-Klage gegen 2 G plus im Bundestag abgewiesen
Kaum ist die Debatte vorüber, kommt aus Karlsruhe eine Nachricht, die für das Parlament und die Frage des Impfens ebenfalls wichtig ist: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag der AfD abgelehnt, zwei Abgeordneten der Fraktion trotz der dort geltenden 2-G-plus-Regelung auch ohne einen Impfnachweis Zugang zum Bundestag zu gewähren. Der Antrag unter anderem der AfD-Fraktion, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, sei unzulässig, teilt das Gericht mit. Denn die Antragsteller hätten nicht ausreichend begründet, dass ihnen ein schwerer Nachteil drohe für den Fall, dass diese einstweilige Anordnung nicht erlassen werde.
Mit ihrem Antrag wollte die AfD-Fraktion im Bundestag erreichen, dass zwei ihrer Mitglieder an diesem Donnerstag im Bundestag an der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf der Besuchertribüne auch ohne den geforderten 2-G-plus-Nachweis teilnehmen können. Auch in der Debatte über die Impfpflicht beklagten mehrere Redner der AfD diese Einschränkung und nannten sie unzulässig.
Im Deutschen Bundestag ist etwa der Zugang zum Plenarsaal nur noch für Geimpfte und Genese mit einem tagesaktuellen Antigen-Schnelltest erlaubt. Nicht geimpfte Abgeordnete können bei normalen Sitzungen aber auf der Besuchertribüne Platz nehmen; für die Gedenkstunde hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auch für die Besuchertribüne die 2-G-plus-Regel erlassen.
Mit ihrem Antrag wollte die AfD-Fraktion im Bundestag erreichen, dass zwei ihrer Mitglieder an diesem Donnerstag im Bundestag an der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf der Besuchertribüne auch ohne den geforderten 2-G-plus-Nachweis teilnehmen können. Auch in der Debatte über die Impfpflicht beklagten mehrere Redner der AfD diese Einschränkung und nannten sie unzulässig.
Im Deutschen Bundestag ist etwa der Zugang zum Plenarsaal nur noch für Geimpfte und Genese mit einem tagesaktuellen Antigen-Schnelltest erlaubt. Nicht geimpfte Abgeordnete können bei normalen Sitzungen aber auf der Besuchertribüne Platz nehmen; für die Gedenkstunde hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auch für die Besuchertribüne die 2-G-plus-Regel erlassen.
Kassian Stroh
Vom Ringen um eine große Frage
Die Debatte ist seit 19 Uhr vorbei, fast vier Stunden lang hat sie gedauert. Nico Fried und Jan Heidtmann aus dem Berliner Büro der Süddeutschen Zeitung haben die wichtigsten Eindrücke dieses Tages in einer großen Reportage zusammengefasst - von dem, was im Reichstagsgebäude geschah, und dem, was sich draußen getan hat. Sie schreiben vom "Ringen" um eine große Frage, in dem sich "die ganze Breite der gesellschaftlichen Konflikte wegen des Coronavirus und seiner Auswirkungen" widerspiegele. (SZ Plus)
Jens Schneider
Lauterbach: "Wir müssen handeln"
Karl Lauterbach als einer der letzten Redner dieser Debatte bedankt sich ausdrücklich für "diese hervorragende Debatte". Er habe davon profitiert, sagt der Bundesgesundheitsminister. Dann hält er ein leidenschaftliches Plädoyer für die Impflicht. Er widerspricht all jenen, die meinen, wegen der Omikron-Variante werde die Impfpflicht vielleicht nicht mehr gebraucht. Und dass diese Mutante vielleicht der Weg aus der Pandemie sei, mit leichten Verläufen und einer schnellen Ausbreitung, die viele Menschen immunisieren werde werde. "Das ist leider nicht so", sagt Lauterbach.
Er weist auf die Folgen dieser Variante für das Gesundheitssystem hin. Schon jetzt zeigten Modelle des Robert-Koch-Instituts, dass diese schwere gesundheitliche Folgen für viele Ungeimpfte haben werde. Zudem gebe es so gut wie keinen Wissenschaftler, der sage, dass dies die letzte Variante sein werde. Man müsse mit weiteren Varianten rechnen, auch mit solchen, die sich schnell verbreiten wie Omikron und schweren Verläufen auslösen wie Delta - eine Kombination, vor der man Angst haben müsste. Darauf müsste das Land sich einstellen. Deshalb sei die Impfpflicht so wichtig als "der einzige Weg, mit der wir uns alle gegenseitig schützen", sagt der Bundesgesundheitsminister. "Wir müssen handeln."
Er weist auf die Folgen dieser Variante für das Gesundheitssystem hin. Schon jetzt zeigten Modelle des Robert-Koch-Instituts, dass diese schwere gesundheitliche Folgen für viele Ungeimpfte haben werde. Zudem gebe es so gut wie keinen Wissenschaftler, der sage, dass dies die letzte Variante sein werde. Man müsse mit weiteren Varianten rechnen, auch mit solchen, die sich schnell verbreiten wie Omikron und schweren Verläufen auslösen wie Delta - eine Kombination, vor der man Angst haben müsste. Darauf müsste das Land sich einstellen. Deshalb sei die Impfpflicht so wichtig als "der einzige Weg, mit der wir uns alle gegenseitig schützen", sagt der Bundesgesundheitsminister. "Wir müssen handeln."
Werner Bartens
Ein kämpferischer Appell des Bundesgesundheitsministers
Karl Lauterbach enttäuscht diejenigen, die darauf hoffen, dass Omikron für die Ungeimpften milder verläuft. Milde Verläufe hätten hauptsächlich die dreimal Geimpften zu erwarten, deswegen brauche es eine Impfpflicht. Und er widerspricht jenen, die in der Impfpflicht einen Angriff auf die Freiheit sehen - im Gegenteil: Freiheit ist, daran erinnert der Sozialdemokrat, laut Hegel die Einsicht in die Notwendigkeit, und die bestehe jetzt nun mal darin, sich impfen zu lassen.
Der Bundesgesundheitsminister warnt also vor neuen Virusvarianten, Omikron sei bestimmt nicht die letzte Variante und deswegen sei die Impfpflicht wichtig und notwendig, um nicht im nächsten Herbst wieder vor der nächsten Welle zu stehen, die dann womöglich in einer neuen Virusvariante die schlechten Eigenschaften von Delta und Omikron vereint - also zu schweren Verläufen führt UND zudem noch sehr ansteckend ist. Ein kämpferischer Appell, medizinisch begründet, zudem vorgetragen mit dem typischen Tremolo des Mahners und Warners.
Der Bundesgesundheitsminister warnt also vor neuen Virusvarianten, Omikron sei bestimmt nicht die letzte Variante und deswegen sei die Impfpflicht wichtig und notwendig, um nicht im nächsten Herbst wieder vor der nächsten Welle zu stehen, die dann womöglich in einer neuen Virusvariante die schlechten Eigenschaften von Delta und Omikron vereint - also zu schweren Verläufen führt UND zudem noch sehr ansteckend ist. Ein kämpferischer Appell, medizinisch begründet, zudem vorgetragen mit dem typischen Tremolo des Mahners und Warners.
Ramona Dinauer
Wagenknecht positiv auf Corona getestet
Die ungeimpfte Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht nimmt nicht an der Debatte teil, sie hat sich mit dem Coronavirus infiziert, wie sie der Deutschen Presse-Agentur bestätigt hat. Bislang hat sie nach eigenen Angaben keine Symptome. „Ich merke bis jetzt nichts. Entweder kommt es noch, oder ich habe es schon hinter mir“, sagte Wagenknecht der dpa.
Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht lehnt die 52-Jährige ab. Sie halte die Begründung mit Blick auf den Herbst für ziemlich fragwürdig. "Wir wissen weder, welche Mutationen im Herbst drohen. Sie können harmloser oder auch gefährlicher sein", sagt Wagenknecht. "Wir wissen nicht, ob die jetzigen Impfstoffe da überhaupt wirken oder ob man, wenn man sich jetzt impft, im Herbst noch einen Schutz hat."
Unterdessen wünscht Gesundheitsminister Karl Lauterbach der Abgeordneten via Twitter gute Besserung: Er hoffe, dass ihre Infektion weiterhin symptomlos verlaufe. Ebenfalls auf Twitter kritisiert Wagenknecht am Mittwochabend abermals eine mögliche Impfpflicht sowie die anhaltenden Corona-Maßnahmen:
Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht lehnt die 52-Jährige ab. Sie halte die Begründung mit Blick auf den Herbst für ziemlich fragwürdig. "Wir wissen weder, welche Mutationen im Herbst drohen. Sie können harmloser oder auch gefährlicher sein", sagt Wagenknecht. "Wir wissen nicht, ob die jetzigen Impfstoffe da überhaupt wirken oder ob man, wenn man sich jetzt impft, im Herbst noch einen Schutz hat."
Unterdessen wünscht Gesundheitsminister Karl Lauterbach der Abgeordneten via Twitter gute Besserung: Er hoffe, dass ihre Infektion weiterhin symptomlos verlaufe. Ebenfalls auf Twitter kritisiert Wagenknecht am Mittwochabend abermals eine mögliche Impfpflicht sowie die anhaltenden Corona-Maßnahmen:
Jens Schneider
Christos Pantazis, SPD: Premiere in der "Sternstunde"
Auffällig viele Redner erleben in dieser Debatte ihre Premiere im Bundestag, halten also ihre erste Rede im Hohen Haus. Gerade spricht der Sozialdemokrat Christos Pantazis, der im September erstmals in den Bundestag gewählt wurde. Er ist selbst Arzt. Und er sagt, er hätte sich nicht erträumen lassen, dass er in so einer Debatte seine erste Rede halten würde. Pantazis spricht von einer Sternstunde des Parlamentarismus: "Ich bin stolz, an dieser teilnehmen zu dürfen."
Und dann berichtet er von seiner eigenen Lernkurve. Früher sei er gegen eine Impfpflicht gewesen, nun wirbt er doch dafür - aus "Einsicht in die Notwendigkeit". Pantazis spricht von den schweren Folgen der Pandemie und der signifikanten Impflücke. Er nennt die Überlastung des Gesundheitssystems. Die Intensivstationen seien mit ungeimpften Patienten überlastet, das medizinische Personal sei ausgelaugt und pandemie-müde, Krankenhäuser müssten planbare Eingriffe auf ungewisse Zeit verschieben, "häufig mit gravierenden Folgen für unzählige Krebspatientinnen und Patienten". Die Bugwelle aufgeschobener Operationen werde von Tag zu Tag größer, sagt Pantazis. Im letzten Dreivierteljahr sei er zu dem Schluss gekommen, dass die allgemeine Impfpflicht nötig sei.
Und dann berichtet er von seiner eigenen Lernkurve. Früher sei er gegen eine Impfpflicht gewesen, nun wirbt er doch dafür - aus "Einsicht in die Notwendigkeit". Pantazis spricht von den schweren Folgen der Pandemie und der signifikanten Impflücke. Er nennt die Überlastung des Gesundheitssystems. Die Intensivstationen seien mit ungeimpften Patienten überlastet, das medizinische Personal sei ausgelaugt und pandemie-müde, Krankenhäuser müssten planbare Eingriffe auf ungewisse Zeit verschieben, "häufig mit gravierenden Folgen für unzählige Krebspatientinnen und Patienten". Die Bugwelle aufgeschobener Operationen werde von Tag zu Tag größer, sagt Pantazis. Im letzten Dreivierteljahr sei er zu dem Schluss gekommen, dass die allgemeine Impfpflicht nötig sei.
Werner Bartens
Erschöpfte Debatte
Die Debatte zieht sich, ist stellenweise ziemlich zäh - nach dem Muster: Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen. Inhaltlich wenig Neues, interessant sind die individuellen Unterschiede in den Wiederholungen des bereits Bekannten. Freiheitsrechte, Virus-Varianten, Warten auf angepasste Impfstoffe, Omikron womöglich tatsächlich milder - es geht munter durcheinander. Die Erschöpfung von der Pandemie zeigt sich in dieser erschöpfenden Debatte, die später bestimmt als Sternstunde gefeiert wird ...
Interessant auch, wer welche persönliche Betroffenheit anführt - und mitfühlt mit den Kindern, den Studierenden, den Alten, den Pflegenden, den Ärzten, den Nicht-Corona-Patienten in überlasteten Krankenhäusern. Die Perspektiven wechseln, die Argumente bleiben die gleichen.
Interessant auch, wer welche persönliche Betroffenheit anführt - und mitfühlt mit den Kindern, den Studierenden, den Alten, den Pflegenden, den Ärzten, den Nicht-Corona-Patienten in überlasteten Krankenhäusern. Die Perspektiven wechseln, die Argumente bleiben die gleichen.
Ramona Dinauer
Bundestagsabgeordneter diskutiert mit Demonstranten
Vor der Impfdebatte im Bundestag ist der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer mit einem Transparent durch die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen gezogen und hat mit Teilnehmern über die Impfpflicht gesprochen. "Das Spannende war, dass es Menschen gab, die Interesse an einer Diskussion hatten", erzählt er später. "Eine viel größere Zahl an Demonstranten hat unglaublich aggressiv auf meine Aktion reagiert. Mir sind auch Abgeordnete der AfD begegnet, die ebenfalls keine Maske trugen." Schon bei vergangenen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen hätte die Polizei die Versammlungen früher auflösen müssen. "Es kann nicht sein, dass Tausende stundenlang eng beieinanderstehen", sagt Schäfer.
Jedoch sei es grundsätzlich zu begrüßen, dass es diese Demonstrationen gäbe - sie seien ein Beleg für die Meinungsfreiheit. "Die Demonstranten, die hier 'Diktatur, Diktatur!', rufen, die sehen, dass wir in einer Demokratie leben", sagt Schäfer. "Denn in einer Demokratie kommen sie mit der Demonstration in die Zeitung, in einer Diktatur kämen sie bei einer Demonstration in den Knast."
Als der Bundestag im November 2020 ein neues Infektionsschutzgesetz verabschiedete, mischte sich Schäfer ebenfalls unter die Demonstranten - lesen Sie hier die Reportage.
Jedoch sei es grundsätzlich zu begrüßen, dass es diese Demonstrationen gäbe - sie seien ein Beleg für die Meinungsfreiheit. "Die Demonstranten, die hier 'Diktatur, Diktatur!', rufen, die sehen, dass wir in einer Demokratie leben", sagt Schäfer. "Denn in einer Demokratie kommen sie mit der Demonstration in die Zeitung, in einer Diktatur kämen sie bei einer Demonstration in den Knast."
Als der Bundestag im November 2020 ein neues Infektionsschutzgesetz verabschiedete, mischte sich Schäfer ebenfalls unter die Demonstranten - lesen Sie hier die Reportage.
SPD-Politiker Axel Schäfer mit seiner Diskussions-Einladung. Foto: Emanuela Danielewicz
Jens Schneider
Die Zweifel der Liberalen Linda Teuteberg
Die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg beharrt in einer leisen, nachdenklichen Rede auf mehr Differenzierung in der Debatte. Sie warnt davor, mit Angst und Wut operieren und angesichts der Pandemie in "einfache, binäre Logiken von Schwarz und Weiß, Gut und Böse zu verfallen". Diese Pandemie sei eine Prüfung "auf unsere Fähigkeit und Bereitschaft zur Differenzierung". Eine Prüfung darin, mit der Ungewissheit und Komplexität der Situation umzugehen.
Teuteberg ist gegen einen allgemeine Impfpflicht. Ihre Zweifel seien zuletzt sogar noch gewachsen, sagt die Politikerin aus Brandenburg. Der Nutzen einer Impfpflicht sei immer fraglicher. Sie habe Zweifel an der Verhältnismäßigkeit, auch an der Umsetzbarkeit eines Gesetzes. Und Teuteberg sorgt sich, dass politischer Schaden entstehe. "Gerade in dieser Zeit dürfen wir die Grundrechte nicht mit den Vertretern des Abstrusen allein lassen", sagt Teuteberg mit Blick auf die Töne aus der AfD, als sie ihre Ablehnung der Impfpflicht begründet und auf das hohe Gut der Freiheitsrechte beharrt.
Teuteberg ist gegen einen allgemeine Impfpflicht. Ihre Zweifel seien zuletzt sogar noch gewachsen, sagt die Politikerin aus Brandenburg. Der Nutzen einer Impfpflicht sei immer fraglicher. Sie habe Zweifel an der Verhältnismäßigkeit, auch an der Umsetzbarkeit eines Gesetzes. Und Teuteberg sorgt sich, dass politischer Schaden entstehe. "Gerade in dieser Zeit dürfen wir die Grundrechte nicht mit den Vertretern des Abstrusen allein lassen", sagt Teuteberg mit Blick auf die Töne aus der AfD, als sie ihre Ablehnung der Impfpflicht begründet und auf das hohe Gut der Freiheitsrechte beharrt.
Kassian Stroh
Renate Künast qualmt der Kopf
Seit bald drei Stunden läuft die Debatte, die Argumente sind vielfältig, einfach wird die Entscheidung nicht. Das schwant wohl auch Renate Künast von den Grünen: "Noch schwieriger als gedacht", twitterte sie am Dienstagabend - da veranstaltete ihre Fraktion einen offenen Diskussionsabend mit Experten. Ihr qualme der Kopf, schrieb die frühere Verbraucherschutzministerin.
Werner Bartens
Warum die Omikron-Mutante kein zentrales Argument sein kann
Erwin Rüddel (CDU) hat endlich den Joker gezogen: "Omikron hat die Spielregeln geändert", sagt er. Das ist einer dieser Null-Sätze in der Pandemie. Jede Virusvariante hat die Situation verändert, beständig an der Seuche ist allein die Veränderung. Zudem spricht Rüddel von "hervorragenden Medikamenten, die schwere Verläufe verhindern". Woher hat er das? Wie heißen die? Will haben! Diese Mittel gibt es (noch) nicht, allenfalls ein paar Substanzen, die lindernd und unterstützend eingreifen. Der Mann ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags.
Zudem ist es ein Kurzschluss, die Impfpflicht doch nicht für sinnvoll zu halten, nur weil die Omikron-Mutante ansteckender ist. Ob sie tatsächlich weniger gefährlich ist, wie oft behauptet wird, muss sich erst noch zeigen. Die Impfung hilft gegen schwere Verläufe, egal ob sie von Alpha, Delta oder Omikron ausgehen; die Impfung verkürzt bei einer Durchbruchsinfektion sowohl die Infektiösität als auch die Dauer der möglichen Symptome. Das alles zeigen etliche Studien, die medizinischen Unterschiede im Bereich von einigen Prozentpunkten können nicht das Hauptargument für oder wider eine Impfpflicht sein.
Zudem ist es ein Kurzschluss, die Impfpflicht doch nicht für sinnvoll zu halten, nur weil die Omikron-Mutante ansteckender ist. Ob sie tatsächlich weniger gefährlich ist, wie oft behauptet wird, muss sich erst noch zeigen. Die Impfung hilft gegen schwere Verläufe, egal ob sie von Alpha, Delta oder Omikron ausgehen; die Impfung verkürzt bei einer Durchbruchsinfektion sowohl die Infektiösität als auch die Dauer der möglichen Symptome. Das alles zeigen etliche Studien, die medizinischen Unterschiede im Bereich von einigen Prozentpunkten können nicht das Hauptargument für oder wider eine Impfpflicht sein.
Ramona Dinauer
Polizei nimmt einige Demonstranten fest
Von den anfänglich mehr als 1000 Demonstranten in der Berliner Innenstadt sind bei Einbruch der Dunkelheit noch einige hundert übrig. Jedoch weit verteilt über die Allee Unter den Linden und umliegende Straßen. Die Polizei beschreibt die Demonstration gegen die Corona-Impfpflicht als "weitgehend störungsfrei". Es habe allerdings Versuche gegeben, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, bei denen man aggressive Menschen zurückgeschoben habe. Im Laufe des Tages wurden nach Angaben der Polizei eine ganze Reihe von Demonstrierenden vorläufig festgenommen. In der Mitte der Allee wurden am Nachmittag Dutzende Demonstranten eingekesselt, um ihre Personalien festzustellen.
Eine Polizeisprecherin sagte, man habe drei Menschen aufgefordert, sich zu entfernen, da die Demonstration nicht angemeldet gewesen sei und da viele Teilnehmer keine Gesichtsmasken trugen. „Wer dann nicht gegangen ist, erhält jetzt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.“ Dazu stelle die Polizei alle Identitäten fest.
Eine Polizeisprecherin sagte, man habe drei Menschen aufgefordert, sich zu entfernen, da die Demonstration nicht angemeldet gewesen sei und da viele Teilnehmer keine Gesichtsmasken trugen. „Wer dann nicht gegangen ist, erhält jetzt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.“ Dazu stelle die Polizei alle Identitäten fest.
Protest Unter den Linden: Polizisten nehmen einen Demonstranten vorübergehend fest. Omer Messinger/Getty Images