Süddeutsche Zeitung

Neue Corona-Regeln:Was Bund und Länder beschlossen haben

Fluthilfen, Corona-Tests, der Umgang mit Ungeimpften: Kanzlerin Merkel und die Länderchefs hatten einige Baustellen zu bearbeiten. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Fast neun Wochen haben sie es dieses Mal ohne einander ausgehalten: Am 10. Juni hatten sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten zuletzt zusammengeschaltet, und in der anschließenden Pressekonferenz sagte Angela Merkel (CDU): "Wir haben natürlich - darauf werde ich zum Schluss noch einmal kommen - auch über das Thema Corona gesprochen." In der ersten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) nach der Sommerpause ging es am Dienstag ebenfalls nicht nur, sondern "auch" um Corona. Der zweite wichtige Punkt auf der Tagesordnung war die Flutkatastrophe im Westen des Landes. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:

Fluthilfen

In dem MPK-Beschluss heißt es, der Bund werde sich nach Abschätzung des Gesamtschadens am erforderlichen Wiederaufbau in den Flutgebieten zur Hälfte finanziell beteiligen und zudem "die bundeseigene Infrastruktur" zügig wiederherstellen. Die Wiederaufbaumaßnahmen in den betroffenen Ländern werden auf 28 Milliarden Euro geschätzt, die Schäden an der Bundesinfrastruktur auf zwei Milliarden. Für die Aufbauhilfe wurde dementsprechend ein nationaler 30-Milliarden-Euro-Fonds "Aufbauhilfe 2021" als Sondervermögen des Bundes vereinbart. Der Beitrag der Länder soll über eine Anpassung der Umsatzsteuerverteilung realisiert werden; sie sollen 30 Jahre Zeit haben, ihren Teil zu bezahlen. Außerdem wollen Bund und die Länder auf die Erstattung der Kosten für ihre jeweiligen Einsatzkräfte verzichten.

Katastrophenschutz

Die "dezentrale Warnung" der Bevölkerung im Katastrophenfall soll verbessert werden. Erwähnt wird in dem Beschluss auch das "Sirenenförderprogramm des Bundes", über das die Länder bis 2023 bis zu 88 Millionen Euro bekommen sollen, um Sirenen zu errichten oder zu reparieren. Auch das "Cell-Broadcasting System" soll eingeführt werden - über ein solches System können Menschen, die sich in einer bestimmten Region befinden, per Textnachricht auf dem Handy gewarnt werden. Ein Auftrag an die Justizminister der Länder steht ebenfalls in dem Beschluss: Sie sollten angesichts der Flutschäden überprüfen, ob "die bisherige Bewertung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden" aktualisiert werden sollte.

Impfkampagne

Unter anderem der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte gefordert, von der MPK müsse noch einmal ein deutlicher Impfappell ausgehen. In dem Beschluss liest sich dieser Appell folgendermaßen: "Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder appellieren eindringlich an die Bevölkerung in Deutschland, soweit noch nicht geschehen, jetzt schnellstmöglich die bestehenden Impfangebote gegen das SARS-CoV2-Virus wahrzunehmen." Wegen der ansteckenderen Delta-Variante sei eine sehr hohe Impfquote erforderlich; wer im Herbst einen vollständigen Impfschutz haben möchte, müsse sich jetzt impfen lassen - genügend Impfstoff sei vorrätig. Versprochen wird in dem Papier, dass "niedrigschwellige, zielgruppenbezogene und aufsuchende Angebote" den Zugang zur Impfung erleichtern sollen. Auch die Arbeitgeber sollten mithelfen, etwa indem sie selbst Impfungen über ihre Betriebsärzte anbieten oder indem sie ihre Beschäftigten für die Impfung freistellten.

Geimpfte vs. Ungeimpfte

Vor der MPK zeichneten sich deutliche Differenzen ab, was den Umgang mit Geimpften und Ungeimpften angeht. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte ein Papier an Bundestag und Länder verschickt, in dem sogar die Variante auftauchte, Ungeimpften bei einer gewissen Infektionslage selbst mit Test den Zugang zu Restaurants oder Stadien zu verwehren. Davon finde sich zumindest in dem Beschluss nichts. Dennoch wird deutlich, dass der Alltag einfacher wird, wenn man geimpft oder genesen ist. So sollen laut Beschluss Geimpfte und Genesene von "Testauflagen" ausgenommen werden. Verwiesen wird zudem darauf, dass sie auch als Kontaktperson eines Infizierten nicht mehr in Quarantäne müssten, ebenso nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet.

Schutzmaßnahmen

Die sogenannten Basisschutzmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung - Abstand halten, Hygiene, Masken in Innenräumen, Lüften - sollen dem Beschluss nach weiterhin gelten. Zudem heißt es, medizinische Schutzmasken blieben im Einzelhandel und im öffentlichen Personenverkehr "für die gesamte Bevölkerung verbindlich vorgeschrieben" - also auch für Geimpfte und Genesene. Allerdings sollen diese Maßnahmen "mindestens alle vier Wochen überprüft" werden.

Testkonzept

Die Testpflichten werden mit Blick auf den Herbst deutlich verschärft. Entsprechende Forderungen hatte es zuvor unter anderem schon von Spahn gegeben, aber auch von Laschet. Konkret soll vom 23. August an für alle, die weder geimpft noch genesen sind, in vielen Alltagssituationen einen Schnell- oder PCR-Test notwendig sein. Ausgenommen sind Kinder bis zum sechsten Lebensjahr und Schülerinnen und Schüler, weil die in den Schulen ohnehin regelmäßig getestet werden. Aufgeführt in dem Beschluss sind Besuche im Krankenhaus, in Alten- und Pflegeheimen, Restaurantbesuche, Veranstaltungen und Feste in Innenräumen, Friseurbesuche und Sport in geschlossenen Räumen inklusive Schwimmbädern. Bei Reisen sollen ein Test bei der Ankunft und danach zwei Tests in der Woche notwendig sein. Auch diese Regelung soll alle vier Wochen überprüft werden. Bei einer Inzidenz von unter 35 kann die "3G-Regel" (geimpft, genesen, getestet) als Zugangsvoraussetzung ausgesetzt werden; ebenso wenn das "Indikatorensystem" des jeweiligen Landes, das weitere Faktoren mit einbezieht, ein vergleichbar niedriges Infektionsgeschehen widerspiegelt.

Ende der kostenlosen Bürgertests

Eine besonders einschneidende Änderung betrifft die bislang kostenlosen Bürgertests. Mit denen nämlich ist vom 11. Oktober an Schluss. Die Begründung: "Da mittlerweile allen Bürgerinnen und Bürgern ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden kann, ist allerdings eine dauerhafte Übernahme der Kosten für alle Tests durch den Bund und damit den Steuerzahler nicht angezeigt." Ausgenommen bleiben all jene, für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt.

Was kommt nach der Inzidenz?

Die Inzidenz war nie völlig unumstritten als maßgeblicher Indikator für die Corona-Lage. Weil angesichts der Impfungen höhere Inzidenzen nicht mehr zwingend mit einer Überlastung des Gesundheitswesens einhergehen müssen, wurde zuletzt aber von immer mehr Politikern und Wissenschaftlern gefordert, die Schutzmaßnahmen und Regelungen an neuen Kennziffern auszurichten. Diese Kennziffer bleiben Bund und Länder zunächst schuldig. Im Beschluss heißt es, Bund und Länder seien sich einig, dass die Hospitalisierung von Covid-Patienten "als Indikator für schwere Krankheitsverläufe eine wichtige Größe zur Beurteilung des Infektionsgeschehens" sei. Weiter heißt es, Bund und Länder würden "insbesondere die Inzidenz, die Impfquote und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sowie die resultierende Belastung des Gesundheitswesens berücksichtigen, um das weitere Infektionsgeschehen zu kontrollieren".

Epidemische Lage

Bund und Länder bitten den Bundestag, "zu erwägen, die epidemische Lage von nationaler Tragweite über den 11. September 2021 hinaus zu erklären". Denn die geplanten Regelungen beruhten überwiegend auf Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz - die wiederum diese Lage voraussetzten. Man teile die Einschätzung, "dass sich Deutschland insgesamt weiterhin einer pandemischen Situation befindet". Eine mögliche Verlängerung war zuletzt allerdings unter Parlamentariern der Unions- wie der SPD-Fraktion umstritten.

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