Süddeutsche Zeitung

Corona-Hilfen:Bund und Länder streiten über Milliarden-Lasten

"Besonders krass" findet die Unionsfraktion den Finanzanspruch der Länder, dagegen sieht etwa Baden-Württemberg "keinerlei Spielräume" mehr. Die Finanzierung der Pandemie-Folgen spaltet zunehmend Bund und Länder. Zudem fühlt sich der Bundestag übergangen.

Von Cerstin Gammelin und Claudia Henzler, Berlin/Stuttgart

Die Unionsfraktion im Bundestag hat die Kritik an der ungleichen Kostenverteilung in den Pandemie deutlich verschärft. Der Bund trage "eindeutig die größere Last", sagte Eckhardt Rehberg, Haushaltsexperte der CDU/CSU-Fraktion am Dienstag in einer Videoschalte. Das müsse sich ändern. Rehberg legte dazu eine Übersicht vor. "Zahlen lügen nicht", sagte er. "Wir haben ein Defizit beim Bund von rund 89 Milliarden Euro und bei den Ländern von 32 Milliarden Euro". Rehberg bezeichnete es als "besonders krass", dass die Bundesländer in diesem Jahr elf Milliarden Euro mehr zur Verfügung hätten als 2019 - und dennoch immer mehr vom Bund forderten.

Rehberg stellte sich damit hinter seinen Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU). Dieser hatte am vergangenen Donnerstag im Bundestag heftige Kritik an den Beschlüssen geübt, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs zuvor getroffen hatten, um die Infektionszahlen zu drücken. Die Abgeordneten würden vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl ihnen das Recht zustehe, Ausgaben zu beschließen. Er hatte die Länder aufgefordert, nicht alles auf den Bund abzuwälzen - und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Die Länder hatten die Forderung, selbst mehr zu zahlen, scharf zurückgewiesen. Zudem hatte es auch in der CDU scharfe Kritik gegeben.

Eckhardt Rehberg nimmt Länder in die Pflicht

Rehberg legte am Dienstag dennoch nach: Er halte es für gerechtfertigt, "eine Debatte zu führen", ob die Länder nur am Spielfeldrand stehen sollten mit guten Tipps, was der Bund auf dem Spielfeld zu tun habe - "oder ob und wieweit sie auch selber Lasten übernehmen".

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wies auch diesen Vorstoß zurück. "Ich weiß nicht, was diese Debatte soll", sagte er am Dienstag in Stuttgart. Sie erwecke den falschen Eindruck, dass der Bund bisher alles bezahlt habe und sich die Länder nur bedienen mussten. "Schön wär's." Das Land habe diverse Programme für Unternehmen und Selbständige bezahlt, dazu Finanzpakete für Kommunen und Gesundheitseinrichtungen sowie Programme für Vereine, Kunst und Kultur. Auch die Impf-Zentren würden vom Land bezahlt. Insgesamt seien Mittel in Höhe von 7,6 Milliarden Euro verplant, man habe die Verschuldung um 30 Prozent erhöhen müssen - laut Kretschmann genau wie der Bund. "Baden-Württemberg ist also genauso hart belastet wie der Bund. Für Entlastungen des Bundes durch die Länder gibt es keinerlei Spielräume."

"Sturzgeburt bei den November- und Dezemberhilfen"

Aus der Unionsfraktion hieß es dagegen, die Länder sollten "die Dinge, für die sie originär zuständig sind, wie Lüfter in Kindergärten und in Schulen oder den ÖPNV auch selber finanzieren". Der Bundestag müsse in die Konzeption von Finanzhilfen eingebunden werden. Wären die November- und Dezemberhilfen mit den Fraktionen diskutiert und im Bundestag verabschiedet worden, hätte man nicht so viele Firmen überkompensiert und andere benachteiligt - wie jetzt deutlich werde. Die Kosten für den Bund seien explodiert "durch die Sturzgeburt bei den November- und Dezemberhilfen".

Ökonomen zufolge werden die Hilfen für beide Monate, in denen 75 Prozent des Umsatzes für jene Unternehmen erstattet werden, die wegen staatlicher Restriktionen schließen müssen, aufgrund von Überkompensationen zehn Milliarden Euro teurer als nötig. Das Geld könne nicht zurückgeholt werden, weil die Firmen dazu schwiegen, hieß es. Die Fraktion forderte: "wir müssen weg von der Kompensation des Umsatzes hin zum Ersatz der Fixkosten. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass der Staat alles leisten kann".

Auch die SPD forderte, die Länder sollten sich stärker an den Pandemie-Kosten beteiligen. Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans sagte, die Länder dürften sich "keinen schlanken Fuß machen". Einige Aufgaben wie die Ganztagsförderung oder der öffentliche Personennahverkehr lägen klar in ihrer Verantwortung. "Da können sie nicht einfach immer nur nach Berlin gucken."

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