Süddeutsche Zeitung

Unterstützung wegen Corona-Auswirkungen:Zu langsam, zu wenig

Die Grünen werfen der Bundesregierung zu viel Bürokratie rund um die Corona-Hilfspakete vor - und legen selbst einen Plan vor.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auch an diesem Wochenende widmet die Kanzlerin ihren Podcast der einen Frage: Was ist die richtige Antwort auf die steigenden Corona-Zahlen? "Der Winter wird schwer", sagt Angela Merkel in die Kamera, gerade der Wirtschaft werde viel abverlangt.

"Doch nach wie vor gilt: Wir lassen Unternehmen und Betriebe, die durch die aktuelle Krise unverschuldet in Schwierigkeiten gekommen sind, nicht allein." Schnell und unbürokratisch wolle der Bund helfen. Ob das gelingt, daran gibt es Zweifel.

Diesen Montag tritt der November-Plan in Kraft, mit geschlossenen Kneipen und Restaurants, Konzerthäusern und Theatern, vier Wochen lang. Abermals trifft es vor allem kleine Unternehmen, Selbständige und Freiberufler. Gehe die neue Notbremse nicht mit einem "wirklich kraftvollen und schnellen Paket" an Hilfen einher, so warnt nun die Grünen-Bundestagsfraktion, werde das vielen Betroffenen "wirtschaftlich das Genick brechen".

Wie so ein Paket aussehen kann, hat die Fraktion in ein vierseitiges Papier gegossen, es liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Danach komme es nun darauf an, schnell und ohne viel Federlesens zu helfen. "Viel zu oft waren die Hilfen des Bundes in dieser Krise zu bürokratisch, kompliziert und mit so hohen Hürden für Unternehmen verbunden, dass nur einige sie nutzen konnten."

Letzteres drohe etwa bei der Erstattung von Umsatzausfällen, wie sie der Bund leisten will - 75 Prozent des Umsatzes aus dem vorigen November. Es brauche Lösungen für Firmen, die es im vorigen Jahr noch nicht gab, oder die im November 2019 einen schlechten Monat hatten.

Zudem hätten viele Kulturschaffende noch nicht die Einkommensnachweise für das vorige Jahr. Hier müsse eine Selbstauskunft reichen, um Hilfe zu beantragen. "In dieser Notsituation gefährdet eine schlechte Ausgestaltung Existenzen", warnt das Papier.

Von den 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen ist bisher nur ein kleiner Teil ausgezahlt worden

Das gelte auch für die bisherigen Überbrückungshilfen, mit denen der Bund kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen wollte. Von den 25 Milliarden Euro ist bisher nur ein kleiner Teil ausgezahlt worden.

Die Regierung müsse rasch die Zugangshürden senken, verlangen die Grünen. "Ansonsten wird die Existenz zahlreicher Unternehmen aufs Spiel gesetzt." Die Bundesregierung will diese Hilfen fortführen und arbeitet nach eigenem Bekunden derzeit "mit Hochdruck" an einer dritten Version des Hilfspakets.

Allerdings kann sie sich bisher auch nicht auf den "Unternehmerlohn" verständigen, mit dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) liebäugelt - ein fiktives Gehalt, ohne Auflagen, wofür die Unternehmer das Geld verwenden dürfen. Das fordern auch die Grünen, um Selbständige und Kleinstunternehmer zu unterstützen - und das rückwirkend. Mehr Hilfe bräuchten zudem Gewerbetreibende, deren Geschäfte brachliegen, während Mieten weiterlaufen.

Mietverträge müssten sich anpassen lassen, wenn der Kampf gegen Covid-19 die Nutzung von Räumen einschränke. Die Veranstaltungswirtschaft wiederum verdiene einen Schutzschirm, der "nicht mehr stornierbare Kosten für bereits geplante Veranstaltungen ersetzt".

Die Grünen fordern einen Stufenplan, wann und wie Branchen wieder hochfahren können

Merkel will am Mittwoch mit Arbeitgebern und Industrie darüber beraten, wie sich die Folgen der Krise weiter abfedern lassen. Nach Auffassung der Grünen allerdings braucht es nun noch mehr Klarheit, nach welchen Kriterien Lockerungen erfolgen können.

"Bereiche, in denen eine geringe Ansteckungsgefahr besteht, sollten frühzeitig wieder geöffnet werden oder direkt geöffnet bleiben", verlangt die Fraktion in dem Papier. Es brauche einen Stufenplan, wann und wie welche Branchen wieder hochfahren können.

Unterdessen warnte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) vor einer verschärften Lage in den Krankenhäusern. In vielen könne es durch die wachsende Zahl von Intensivpatienten schon bald zu einem "Kollaps" kommen, sagte er der Bild am Sonntag. "Die Situation ist erschreckend und alarmierend." Weil Pflegepersonal fehle oder erkrankt sei, würden mancherorts Stationen geschlossen oder Notaufnahmen abgemeldet.

Nach Zahlen des Divi-Intensivregisters befanden sich am Sonntag 2061 Covid-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung - 117 mehr als am Tag zuvor. Etwas mehr als die Hälfte musste invasiv beatmet werden.

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