Süddeutsche Zeitung

Corona:Ende des Familienglücks

Schul- und Kitaschließungen verhageln Eltern die Stimmung, zeigt eine Umfrage aus den Monaten Mai und Juni. Mütter und Väter geben den Betreuungsangeboten wegen der krisenbedingten Maßnahmen schlechte Noten.

Von Susanne Klein

In normalen Zeiten sind Eltern ziemlich zufrieden mit der Betreuung, die ihren Kindern geboten wird: 2018 etwa vergaben sie dafür auf einer Skala von eins bis zehn im Schnitt eine respektable 7,2. Da ist noch Luft nach oben, hätte man im vergangenen Jahr zwar gesagt - aber kaum damit gerechnet, wie stark dieser Wert auch abstürzen kann. Ganze drei Punkte hat er in der Corona-Krise verloren, berichtet nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) in einer Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt.

"Das ist ein historischer Einbruch, den wir so noch nie gesehen haben", sagt Studienautor Mathias Huebener. Seit mehr als 20 Jahren werden bei Umfragen zum Wohlbefinden von Familien auch Daten zur Kinderbetreuung erhoben - jetzt zeigen repräsentative Befragungen von Mai und Juni, wie das Befinden speziell unter den Corona-Maßnahmen gelitten hat.

Demnach hat die Zufriedenheit mit dem Leben allgemein leicht abgenommen, die Zufriedenheit mit dem Familienleben noch etwas deutlicher. Als besonders negativ wurden aber offenbar die Kita-und Schulschließungen wahrgenommen. Waren 2018 nur 1,6 Prozent der Eltern mit der Kinderbetreuung "überhaupt nicht zufrieden" (null auf der Skala), so waren es in den vergangenen Wochen 14 Prozent. Und einen Wert unter fünf vergab 2018 nur jeder zehnte Befragte. Jetzt jedoch jeder zweite.

Am stärksten sank die Wertschätzung für die Betreuung bei Eltern kleiner Kinder. Da jedes dritte Kind unter drei Jahren und so gut wie jedes drei- bis sechsjährige Kind außer Haus betreut wird, zu Hause hingegen viel Zuwendung braucht, hatten die DIW-Forscher mit diesem Ergebnis gerechnet. Deutlich höher ist die Zufriedenheit etwa bei Eltern von 11- bis 16-Jährigen, die sich zumeist besser selbständig beschäftigen können. Auch das allgemeine Wohlbefinden und die Zufriedenheit mit dem Familienleben haben sich durch die geschlossenen Kitas und Schulen verändert. Waren Befragte mit sehr jungen Kindern 2018 von allen Eltern die zufriedensten, so hat sich ihre Stimmung nun auf das Niveau anderer Eltern abgesenkt. "Eltern mit Kleinkindern haben ihren Vorsprung beim Familienglück durch Corona eingebüßt", sagt Mathias Huebener.

Bemerkenswert findet der Autor zudem, wie sich die Maßnahmen auf Frauen auswirken. "Mütter sind mit ihrem eigenen Leben derzeit deutlich unzufriedener als Väter. 2018 waren sie etwa gleich auf", erklärt der Wissenschaftler. Das passt zu der aktuellen Debatte über eine krisenbedingte "Re-Traditionalisierung" von Rollenmustern. Erste Resultate einer anderen Studie deuteten zwar kürzlich an, dass zusätzliche Haus- und Sorgearbeit zumeist relativ gleich unter Frauen und Männern aufgeteilt werde. Doch was das konkret für die Betreuung von Kindern heißt, die keine Schule oder Kita besuchen können, ist noch nicht ausgemacht. Mit dem Familienleben seien Mütter schon 2018 unzufriedener gewesen als Väter, betont das DIW. Das lässt vermuten, dass sie ihre Arbeitslast zu Hause generell als hoch empfinden - auch ohne Zusatzlast.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2020
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