Corona:Deutsche Wirtschaft bricht ein

Noch nicht einmal in der Finanzkrise ist die Konjunktur hierzulande so stark zurückgegangen wie im letzten Vierteljahr. Auch die Vereinigten Staaten melden historisch schlechte Zahlen.

Von Alexander Hagelüken

Die Corona-Pandemie beschert den Industriestaaten einen historischen Konjunktureinbruch. Die deutsche Wirtschaft schrumpfte von April bis Juni gegenüber den ersten drei Monaten um 10,1 Prozent. Die US-Volkswirtschaft brach im zweiten Quartal sogar um 32,9 Prozent ein, wobei das wegen anderer Rechnungsweise etwa dem deutschen Wert entspricht. Aber zumindest in Deutschland verbessert sich die Lage inzwischen: Die Zahl der Arbeitslosen ging im Juli saisonbereinigt sogar zurück.

Den ökonomischen Absturz im zweiten Quartal lösten ein Kollaps der Exporte und gesundheitliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aus. Eine derartige Drei-Monats-Periode gab es in Deutschland in den 50 Jahren, seit das Statistische Bundesamt Quartalsdaten rechnet, noch nie. Zum Vergleich: Selbst in den schlimmsten drei Monaten der Finanzkrise 2009 schrumpfte die Wirtschaft nur halb so stark.

Allerdings sind die Quartalszahlen rückwärtsgewandt. Seit etwa Mai erholt sich die deutsche Wirtschaft wieder. So stieg der Ifo-Index im Juli den dritten Monat in Folge und zeigte erstmals seit 2019 wieder einen Aufschwung an. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet im dritten Quartal von Juli bis September ein Wachstum von drei Prozent.

Als größtes Risiko wird nun eine zweite Infektionswelle in Deutschland mit neuen Einschränkungen der Wirtschaft gesehen, die eine Pleitewelle auslösen könnte. Dass die Pandemie besonders stark in Ländern wie den USA wütet, in die deutsche Firmen sonst viele Waren verkaufen, bedroht zudem die Exporte.

Der Einbruch der amerikanischen Wirtschaft um ein Drittel klingt besonders dramatisch. Allerdings wird die Quartalszahl in der größten Wirtschaftsnation der Welt aufs ganze Jahr hochgerechnet. Sie zeigt also an, wie sich 2020 entwickeln würde, wenn es das ganze Jahr so weiterginge wie von April bis Juni.

Auch in den Vereinigten Staaten erholen sich die Unternehmen langsam. Weil die Zahl der Infizierten mit mehr als vier Millionen 20 Mal so hoch liegt wie in Deutschland, dürfte die Konjunktur jedoch weit stärker gebremst werden als in der Bundesrepublik. Es zeichnet sich ab, dass sich die Konsumenten wieder stärker zurückhalten, was in einer sehr von Dienstleistungen abhängigen Volkswirtschaft wie den USA besonders stark wirkt. Im Kongress wird um ein weiteres Corona-Hilfsprogramm gerungen. Dabei eilt es. Diese Woche läuft die Aufstockung des Arbeitslosengeldes aus. Die Neuanträge von Arbeitslosen steigen inzwischen wieder. Die Arbeitslosenrate ist mit elf Prozent fast doppelt so hoch wie in Deutschland.

In der Bundesrepublik ist die Lage am Arbeitsmarkt ganz anders: Hier ist der Absturz durch die Pandemie vorerst gestoppt. Zwar lag die Zahl der Arbeitslosen im Juli um mehr als 600 000 höher als ein Jahr zuvor. Inzwischen verursacht die Pandemie unterm Strich aber keine neuen Beschäftigungsverluste mehr. Die Arbeitslosigkeit nahm im Juli um 57 000 auf 2,91 Millionen zu, aber das hatte nichts mit Corona zu tun. Im Sommer gibt es meistens mehr Stellensucher, weil Ausbildungsverhältnisse enden und Firmen in den Ferien weniger Mitarbeiter einstellen. Saisonbereinigt verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen um 18 000.

"Der Arbeitsmarkt steht wegen der Corona-Pandemie nach wie vor unter Druck, der massive Einsatz von Kurzarbeit hat aber stärkere Anstiege der Arbeitslosigkeit verhindert", sagte Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Im Mai bezogen nach Schätzungen 6,7 Millionen Beschäftigte Kurzarbeitergeld. Die Anträge der Firmen gehen drastisch zurück: Im Juli wurde nur noch für 200 000 neue Beschäftigte Kurzarbeit gemeldet. Dabei zeigen sich große Unterschiede. Während im Juli laut Ifo-Institut 90 Prozent der Hotels und 68 Prozent der Autobranche kurzarbeiteten, waren es am Bau und in der Finanzbranche nur etwa zehn Prozent.

"In Deutschland stehen die Zeichen eindeutig auf Erholung", sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Die Industrie ist weniger pessimistisch. Bei Dienstleistern bezeichnet eine Mehrheit die Lage eher als gut denn als schlecht. Baufirmen rechnen nicht mehr mit einem Einbruch des Geschäfts, was auch am Konjunkturpaket der Bundesregierung liegt. Dazu zählt auch die Senkung der Mehrwertsteuer, die die Inflation im Juli erstmals seit mehr als vier Jahren fallen ließ. "Offenbar haben die Händler und Dienstleister die Steuersenkung zu einem beträchtlichen Teil an ihre Kunden weitergegeben", erklärte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.

Bei der Besetzung von Lehrstellen gibt es durch die Pandemie eine Verzögerung um etwa zwei Monate bis in den Herbst. Im Juli waren noch 180 000 Bewerber auf der Suche. Gleichzeitig gab es sogar eine etwas höhere Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze in Unternehmen. Auffällig ist, dass die Metallbranche, Friseure und Gastronomen deutlich weniger Stellen anbieten. Auch bei Informatik- und kaufmännischen Berufen ist das der Fall.

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