Covid-19:Experten kritisieren Stopp der Astra-Zeneca-Impfungen in Südafrika

Südafrika stoppt vorübergehend Impfungen mit Astrazeneca-Vakzin

Eine Behandlung mit dem Impfstoff von Astra Zeneca in einem Testzentrum im Chris Sani Baragwanath Hospital außerhalb von Johannesburg.

(Foto: Jerome Delay/dpa)

Eine Studie sieht nur "minimalen Schutz" vor milden und moderaten Verläufen, die durch die südafrikanische Variante B.1.351 ausgelöst werden. Fachleute glauben jedoch, dass der Impfstoff trotzdem vor tödlichen Infektionen schützt.

Von Werner Bartens und Bernd Dörries, Kapstadt

Erst am vergangenen Montag waren eine Million Dosen des Impfstoffes von Astra Zeneca in Südafrika eingetroffen, in den kommenden Tagen sollte mit der Impfung von Ärzten und Pflegern im Gesundheitswesen begonnen werden. Am Sonntagabend verkündete der südafrikanische Gesundheitsminister Zweli Mkhize jedoch den Stopp der Impfkampagne, bevor sie begonnen hatte. "Es ist ein vorläufiger Stopp, bis wir wissen, was die nächsten Schritte sein sollten", sagte Mkhize.

Zuvor hatte die Universität Witwatersrand in Johannesburg eine Studie herausgegeben. Demnach liefert der von Astra Zeneca und der Universität Oxford entwickelte Impfstoff nur "minimalen Schutz" gegen milde Verläufe der südafrikanische Mutante von Sars-CoV-2, die als B.1.351 bekannt ist. Sie ist in Südafrika bereits für 90 Prozent der Infektionen verantwortlich und breitet sich weltweit aus. "Das sind größtenteils schlechte Nachrichten", sagte Shabir Madhi, der Leiter der Studie, die allerdings noch nicht begutachtet wurde. Darin findet sich auch keine Aussage darüber, inwieweit schwere oder tödliche Verläufe bei geimpften Personen möglich sind, da nur eine relativ kleine Gruppe von jüngeren Probanden untersucht wurde.

Sabri Mahdi von der Universität Witwatersrand wies hingegen darauf hin, dass Studien von Johnson & Johnson in Südafrika ebenfalls ergeben hätten, dass deren Impfstoff bei moderaten Verläufen ebenfalls weniger wirksam sei, aber dennoch zuverlässig vor Klinikeinweisungen oder tödlichen Verläufen schütze. Da der Impfstoff von Johnson & Johnson eine ähnliche Struktur aufweise, vermuten Forscher der Universität Oxford weiterhin, dass ihr Wirkstoff auch vor schweren Verläufen schütze. Allerdings kündigte die Universität an, bereits an einer zweiten Generation von Impfstoffen zu arbeiten, die eine effektivere Antwort auf die neuen Mutationen geben soll, falls dies notwendig werden sollte.

Drosten warnt, Wirksamkeitsdaten zu überschätzen

Angaben zur Wirksamkeit der Impfstoffe täuschen große Unterschiede in der Qualität der Vakzine vor. Bisherige Studiendaten zu den derzeit verfügbaren oder vor der Zulassung stehenden Impfstoffen weisen darauf hin, dass sie gut vor schweren Verläufen schützen, auch wenn die Wirksamkeit gegen milde Verläufe mäßig ausfällt. Die Unterschiede sind in den verschiedenen Reaktionen des Immunsystems auf die Impfung begründet - bei größerer Gefahr mobilisiert es womöglich mehr Abwehrkräfte.

Charité-Virologe Christian Drosten hatte vor Tagen gewarnt, Wirksamkeitsdaten zu überschätzen. Gegen schwere Verläufe seien die Impfstoffe "total gut wirksam". Behauptungen, dass Vakzine wie jenes von Astra Zeneca nicht oder schlecht vor der südafrikanischen Mutante schützen, sind wissenschaftlich nicht abgesichert. "Es ist weiterhin wahrscheinlich, dass der Impfstoff von Astra Zeneca auch gegen schwere Verläufe dieser Variante wirksam ist", sagt der britische Impfstoffexperte Anthony Harnden. Lawrence Corey, Infektiologe an der University of Washington in Seattle, fragte kürzlich im Fachblatt Science: "Will man einen Impfstoff, der vor Husten schützt oder Leben rettet?"

Warum die Regierung Südafrikas dennoch darauf verzichtet, gefährdete Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu impfen, ist unklar. "Ich würde diese Dosen nutzen", sagte Aaron Richtermann, Epidemiologe der Universität von Pennsylvania der BBC. "Dies ist ein Notfall, bis wir bessere Informationen haben, sollten wir davon ausgehen, dass der Wirkstoff wirksam ist." Es wäre "unverantwortlich", die bereits vorhandenen Dosen wegzuwerfen, sagte der bekannteste südafrikanische Epidemiologe Salim S. Abdool Karim. Vor allem, da nicht bekannt ist, wann andere Hersteller liefern können.

Die Regierung Südafrikas war zuletzt unter Druck geraten, zu spät und zu wenig Impfstoff bestellt zu haben. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihr dann, zumindest 1,5 Millionen Dosen des Wirkstoffes von Astra Zeneca zu ordern, die zweite Lieferung soll in Kürze kommen. Wann und ob sie genutzt wird, ist unklar. Das Haltbarkeitsdatum des Herstellers läuft im April ab.

Die Mutante B.1.351 ist nach Ansicht von Forschern zwar deutlich ansteckender, in Südafrika ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen in den vergangenen Wochen dennoch stark zurückgegangen, von fast 22 000 Anfang Januar auf mittlerweile etwa 4000 tägliche Neuinfektionen.

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