Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Deutsche Studierende können nach China zurück - theoretisch

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Nach mehr als zwei Jahren stellt Peking wieder Studentenvisa aus, doch auch damit ist der Weg ins Land schwierig. Dabei ist es dringend notwendig, dass junge Menschen die Volksrepublik gut kennenlernen.

Von Lilith Volkert

Dieser Sommer war der dritte in Folge, in dem Min Ye nicht nach China reisen durfte. "Kann ich überhaupt noch sagen, dass ich China-Expertin bin?", fragte sich die Wissenschaftlerin, die an der Boston University lehrt, kürzlich auf Twitter. Das Problem haben zur Zeit viele, deren Arbeit auf ihrer China-Kompetenz beruht. Wie kann man über die Entwicklung in einem Land auf dem Laufenden bleiben, das man - wegen der Pandemie oder aus politischen Gründen - längere Zeit nicht besuchen darf?

Beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin, dem einzigen deutschen China-Thinktank, setzt man derzeit auf Recherche vom heimischen Schreibtisch aus, auf "innovative datengetriebene Forschungsansätze" und auf den virtuellen Austausch mit chinesischen Kollegen. Das Außenministerium in Peking hat das Institut im März 2021 mit Sanktionen belegt und mitgeteilt, dass Merics-Mitarbeiter nicht einreisen dürfen.

"Es ist möglich, aus der Ferne als China-Experte zu arbeiten", sagt Merics-Kommunikationschefin Claudia Wessling. "Es ist aber nicht möglich, China-Experte zu werden, ohne eine Weile im chinesischen Kulturraum zu leben." Für die künftigen Beziehungen zur Volksrepublik ist es also kein gutes Zeichen, dass wegen der Pandemie die meisten ausländischen Studenten China im Frühjahr 2020 verlassen haben - darunter 8000 aus Deutschland - und ihre Rückkehr holprig verläuft.

Der Online-Unterricht beginnt um zwei Uhr morgens

Das Studium ging auch an chinesischen Hochschulen digital weiter, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vergibt weiterhin Stipendien, selbst wenn deren Empfänger in Deutschland vor dem Computer sitzen. Die Online-Veranstaltungen bereiten vielen Studierenden schlaflose Nächte: Im schlimmsten Fall beginnt der Unterricht wegen der Zeitverschiebung um zwei Uhr morgens.

Regelmäßige Nachtschichten sind belastend, ebenso die Unsicherheit, wie es weitergeht. Deshalb taten sich vor einigen Wochen mehr als hundert Betroffene aus EU-Ländern zusammen, um über soziale Medien auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Studierende aus Sri Lanka, Thailand und Pakistan durften schon Ende Juni wieder nach China zurückkehren, warum also nicht die aus Deutschland, Frankreich und Griechenland?

Die "EU Students in China" forderten die Unterstützung ihrer jeweiligen Regierungen. Der Verdacht, dass Peking bei den Visumsbestimmungen strategisch vorgeht, schwang mit. So durften als erste große Gruppe im März gut 80 Studierende der Salomonen zurückkehren. Der Inselstaat im Pazifik hatte sich China in jüngster Zeit diplomatisch und militärisch stark angenähert.

Seit Kurzem können nun auch Deutsche, die an einer chinesischen Hochschule eingeschrieben sind, wieder einreisen. Zumindest theoretisch, denn noch immer sind Flüge nach China sehr teuer und äußerst unzuverlässig. Einmal angekommen, erwarten Gäste Hotelquarantäne und danach möglicherweise wieder strikte Ausgangssperren, die Pandemie ist schließlich noch nicht vorbei. Ruth Schimanowski, die Leiterin der DAAD-Außenstelle in Peking, empfiehlt Studierenden, "viel Geduld, Nerven und finanzielle Ressourcen" mitzubringen - oder, wenn möglich, mit dem Aufenthalt in China bis zum Sommersemester zu warten.

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