Bundestag:FDP-Abgeordneter mit Coronavirus infiziert

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Bleibt vorerst gesperrt: Die Kuppel des Reichstags. (Foto: Sonja Wurtscheid/dpa)
  • Ein Abgeordneter der FDP hat sich mit dem Coronavirus infiziert.
  • Unter der Führung von Parlamentspräsident Schäuble wird nach Lösungen gesucht, doch das gestaltet sich schwierig.
  • Die Abgeordneten, Besucher und das Servicepersonal im Bundestag zählen insgesamt mehr als 1000 Menschen.
  • Die Übergröße dieses Parlamentes wird nun auch aus gesundheitspolitischen Gründen zum Problem.

Von Boris Hermann, Cerstin Gammelin und Mike Szymanski, Berlin

Corona ist im Bundestag angekommen. Das Virus wurde nach Angaben der FDP-Fraktion bei dem FDP-Abgeordneten Hagen Reinhold aus Rostock festgestellt. "Erste Symptome seien nach einem Skiurlaub in Österreich aufgetreten, sagte dieser dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich habe nach meiner Rückkehr leicht gehustet und mich am Montag von der Bundestagsärztin untersuchen lassen." Er habe die Krankheit inzwischen überwunden. Die Mitarbeiter des Abgeordneten befinden sich laut FDP bereits zu Hause in vorsorglicher Quarantäne. Es werde eine Liste mit Kontaktpersonen erstellt. Auch in der SPD-Bundestagsfraktion bleiben mehrere Abgeordnete und Mitarbeiter wegen des Kontakts zu einer infizierten Person vorsorglich zu Hause.

Dazu zählen der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, die SPD-Fraktionsvizechefin Eva Högl und der rechtspolitische Sprecher Johannes Fechner, wie ein Fraktionssprecher mitteilte. Der Grund sei eine Sitzung der Fraktionsarbeitsgruppe Recht am 2. März, an der eine inzwischen auf das Coronavirus positiv getestete Person aus dem Bundesjustizministerium teilgenommen habe.

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Im Bundestag müssen sie nun festlegen, wie es parlamentarisch weitergehen soll angesichts des Virus - zumal seit Mittwoch auch in der Hauptstadt der Schutz der Bürger "höchste Priorität" hat. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erfuhr davon am Nachmittag, als er mit der Kanzlerin auf dem Podium der Bundespressekonferenz saß, um über den Kampf gegen das Virus zu unterrichten. Gerade sei die Nachricht reingekommen, dass Berlin alle Veranstaltung mit mehr als 1000 Menschen untersagt habe, sagte er. Und machte sich später auf den Weg in den Bundestag, in dem 709 Abgeordnete sitzen. Die Übergröße des Parlaments wird auch aus gesundheitspolitischen Gründen zum Problem.

Wenn im Plenum namentlich abgestimmt wird, sind nahezu alle 709 Abgeordnete gleichzeitig anwesend. Zählt man die Besuchertribüne dazu sowie das Servicepersonal hinter den Kulissen, kommt man locker auf mehr als 1000 Menschen. Der Parlamentsbetrieb ist eine permanente Großveranstaltung. Muss das Berliner Veranstaltungsverbot also auch für den Bundestag gelten?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) treibt diese Frage schon länger um. Er hat eine Art Krisenstab gegründet, der sich montags trifft, um die Lage zu beraten. Beim letzten Treffen hatte er mit den parlamentarischen Geschäftsführern der Bundestagsfraktionen beschlossen, die Kuppel des Reichstags zu sperren, um so die langen Schlangen vor dem Gebäude aufzulösen.

Schäuble hat sich auch bei Gesundheitsminister Spahn erkundigt, wie das denn genau sei mit ihm als jemandem, der erkennbar mehr als 65 Jahre alt und damit Risikopatient sei? Kann so jemand dem Plenum vorsitzen? Schäuble und Spahn kennen sich gut, man hat ein bisschen gefrotzelt, und Schäuble sitzt erkennbar weiter auf seinem Platz. Am Freitag wird Schäuble den Abgeordneten aber mitteilen müssen, wann und wie lange man sich nächstes Mal trifft. Eine normale Sitzungswoche oder nur verkürzt, für zwei Tage?

Dass der Bundestag bis Ostern gar nicht mehr tagt, geht nicht, weil eilige Corona-Gesetze zügig beschlossen werden müssen. Man hat auch überlegt, ob man ein Miniparlament einberufen sollte. Dafür aber müsste das Grundgesetz geändert werden. Also unmöglich. Auch Geisterdebatten nach dem Vorbild der Fußball-Geisterspiele wird es nicht geben können. Denn im Grundgesetz steht auch: "Der Bundestag tagt öffentlich." Nun will man aus der Großveranstaltung zumindest eine kleinere Veranstaltung machen, nur noch Besuchergruppen bis sechs Personen und Journalisten einlassen. Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, werden Fraktionsveranstaltungen abgesagt und Dienstreisen untersagt. Der Bundestag verzichtet in der kommenden Woche zudem auf namentliche Abstimmungen. Das hätten die Fraktion beschlossen, teilte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer am Abend in einem Brief mit. Den Fraktionsmitarbeitern werde empfohlen, in der folgenden sitzungsfreien Woche möglichst von zuhause aus zu arbeiten.

Es geht darum, Zeit zu gewinnen. Ende März ist ohnehin erst einmal Pause bis nach Ostern; regulär tagt der Bundestag dann wieder vom 20. bis zum 24. April; am 25. April soll der CDU-Parteitag stattfinden - mit 1001 Delegierten. Da müsse man eben hoffen, dass zwei absagen, wird in der CDU gewitzelt. Noch.

© SZ vom 12.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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