Süddeutsche Zeitung

Belgien:Restaurants auf, Kindergärten zu

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Belgien verschärft die Corona-Maßnahmen - prompt kommt es zu neuen Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Mag man auch die deutsche Corona-Politik in diesem Herbst für zögerlich und halbherzig halten: kein Vergleich zu Belgien. Zum dritten Mal binnen drei Wochen haben die Regierenden am Freitag ihre Maßnahmen verschärft, und die öffentliche Kritik wächst, weil Hotels, Restaurants und Gastronomie ungeschoren davonkommen - im Zentrum der Beschränkungen dagegen die Kinder stehen. Kindergärten und Grundschulen sollen am 20. Dezember und damit eine Woche früher als geplant schließen. Für Kinder ab sechs Jahren gilt eine Maskenpflicht in der Schule, den höheren Jahrgangsstufen wird Hybridunterricht verordnet. Übers Wochenende kursierten bereits Unterschriftenlisten empörter Eltern, Schulleiter zeigten sich besorgt, Lehrer könnten zum Ziel des Zorns werden.

Die wissenschaftlichen Berater der Regierung hatten eigentlich eine komplette Schließung der Schulen für zehn Tage angeregt, dazu eine Schließung der Gastronomie ab 20 Uhr statt 23 Uhr. Denn die Pandemielage nimmt dramatische Züge an. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt trotz höherer Impfquote als in Deutschland bei über Tausend, die Intensivbetten füllen sich in rasantem Tempo. Später als in Deutschland hat man nun begonnen, die Bevölkerung zu Boosterimpfungen aufzurufen.

Wegen des extrem fragmentierten politischen Systems ist eine einheitliche Politik in Belgien schwer durchzusetzen. Umso erstaunlicher war es, wie geschlossen die politische Klasse die Corona-Maßnahmen lange Zeit trug. Doch nun knirscht es an allen Ecken und Enden. Der liberale Premierminister Alexander De Croo führt eine Koalition aus sieben Parteien an, sie wäre vor zwei Wochen fast zerbrochen im Streit um die Ausgestaltung einer Impfpflicht für Pflegeberufe. Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wird nun zumindest geprüft, obwohl Regierungschef De Croo nichts davon hält.

Eine Demo wurde von einem Großaufgebot der Polizei begleitet

Beschlussorgan für die Corona-Maßnahmen ist das Comité de Concertation (Codeco), das alle Regionen (Wallonien, Flandern, Brüssel) und Sprachgruppen (Flämisch, Französisch, Deutsch) repräsentiert. Vor allem die wallonischen Vertreter hatten sich gegen Einschränkungen an Schulen gewehrt. Die Flamen wiederum prophezeiten am Wochenende, man werde schon bald wieder treffen, zu weiteren Verschärfungen.

In Brüssel versammelten sich am Sonntag neuerlich viele Tausend Menschen, um gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu protestieren, begleitet von einem Großaufgebot der Polizei. Vor zwei Wochen hatten Rechtsextreme und Identitäre die Demo zu Attacken auf die Polizei genutzt. Auch diesmal mussten wieder Wasserwerfer eingesetzt werden.

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