Nach den ersten vorsichtigen Lockerungen in der Pandemie ist die Zahl der Corona-Patienten auf Deutschlands Intensivstationen wieder angestiegen. Mit mehr als 3000 belegten Betten liegt die Belastung im Moment erneut so hoch wie zu den Spitzenzeiten in der ersten Welle im Frühjahr 2020. Das geht aus dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervor.
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"Wir starten jetzt auf den Intensivstationen in die dritte Welle und das auf einem sehr hohem Niveau. Davor hatten wir bereits Ende Februar gewarnt und das bereitet uns große Sorgen", sagte Divi-Präsident Gernot Marx. Nach DIVI-Daten wurden am Sonntag 3056 Covid-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen behandelt. "Wir erwarten in den nächsten Wochen einen rasanten Anstieg der Patienten, da die Welle der Intensivpatienten immer zwei bis drei Wochen der Infektionswelle nachrollt", ergänzte er. Es lasse sich daher erst für die Zeit ab Mitte April etwas an den Zahlen ändern. Bei Inzidenzen um die 200 Infektionen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner prognostizieren Notfallmediziner für Anfang Mai rund 5000 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen. Das wären fast so viele wie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Anfang Januar und könnte viele Kliniken erneut schwer belasten. Die gute Nachricht: Kommt keine neue gefährlichere Mutante hinzu und geht das Impfen weiter gut voran, könnte die Pandemie nach der aktuellen Prognose im August für die Notfallstationen der Kliniken so gut wie ausgestanden sein.
Auf die leichte Schulter nehmen wollen Experten die Lage nicht. "Wir sehen das jetzt schon auf den Intensivstationen, dass sich die Patienten dort ändern: Die werden jünger", sagte Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts. Auch Virologen haben wiederholt davor gewarnt, dass das Impfen der ältesten Jahrgänge allein noch keine Entspannung bringe. Denn schon in der ersten Welle war lediglich etwa ein Viertel der Intensivpatienten über 80 Jahre alt. Viele Altenheimbewohner starben in ihren Einrichtungen und kamen gar nicht auf Intensivstationen. Das RKI zählt 21,6 Millionen Menschen in Deutschland zur Hochrisikogruppe für schwere Covid-19-Verläufe. Als stark erhöht wertet das Institut das Risiko bei Menschen, die über 65 Jahre alt sind oder bestimmte Vorerkrankungen haben, etwa Diabetes, chronische Nierenleiden oder die schwerste Form von Adipositas.
"Covid ist mit den fast 6000 Patienten zeitgleich bisher mit Abstand die schwerste und stärkste Welle in der Intensivmedizin", sagte der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis. Die aktuelle Zahl von mehr als 3000 gilt für die DIVI nicht als magische Grenze, ab der automatisch eine Überlastung des Systems beginnt. Diese Größenordnung sei versorgbar, betonte Karagiannidis. "Je weiter die Zahl steigt, desto mehr müssen dann aber andere Bereiche eingeschränkt werden, um die Notfallversorgung noch zu gewährleisten."
Auch für die Klinikteams haben steigende Zahlen Folgen. "Das ist keine fachliche Überforderung, sie ist physisch und psychisch", sagte DIVI-Mitglied Felix Walcher. Die Erschöpfung des Personals sei bundesweit zu beobachten. Das Verantwortungsgefühl motiviere. "Aber auch das ist irgendwann erschöpft." Insbesondere, wenn die Wertschätzung und Unterstützung in Kliniken und Gesellschaft zu wenig gezeigt und gelebt werde. "Es besteht die große Sorge, dass mit der chronischen Überlastung des Personals eine Abwanderung der Mitarbeiter aus der Pflege folgt."
Dass das Gesundheitssystem in den vergangenen Monaten nicht kollabiert ist, hat auch mit Lehren aus der ersten Welle und Fortschritten beim Vermeiden schwerer Krankheitsverläufe zu tun. In Deutschland hat sich Ende 2020 der Anteil der Krankenhaus-Patienten mit Covid-19 auf Intensivstationen im Vergleich zu den ersten Pandemie-Monaten halbiert: nach einer Studie auf 14 Prozent im Dezember. Bei den Patienten, die invasiv beatmet werden, stehen die Überlebenschancen allerdings nicht besser als vor einem Jahr: Ungefähr die Hälfte von ihnen stirbt.
RKI meldet 7709 Neuinfektionen
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet am Montag 7709 Neuinfektionen. Das sind 1105 Fälle mehr als am Montag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 107,3 nach 103,9 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100 000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 50 Menschen sind in den vergangenen 24 Stunden in Verbindung mit Covid-19 gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle auf 74 714. Insgesamt wurden bislang mehr als 2,667 Millionen Menschen in Deutschland positiv auf das Coronavirus getestet.
Demo von Impfgegnern in Dortmund verboten
Die Polizei Dortmund hat eine für Sonntag angekündigte Versammlung von Impfgegnern verboten. Die Ereignisse in Kassel sowie Verstöße bei vorherigen Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen in Dresden und Berlin haben zu der Entscheidung geführt, wie die Polizei mitteilte. Die jüngsten Geschehnisse ließen darauf schließen, dass eine friedliche Meinungsäußerung nicht das Ziel der Bewegung sei. Auch geht die Polizei davon aus, dass aktuelle Hygienemaßnahmen nicht eingehalten würden.
Mehr als 20 000 Menschen hatten nach Polizeischätzung am Samstag in Kassel gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen demonstriert. Dabei seien die gerichtlich bestätigten Auflagen der Stadt missachtet worden. Während eines illegalen Demonstrationszuges durch die Innenstadt kam es unter anderem zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und der Polizei.
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hat danach eine gründliche Nachbereitung des Polizeieinsatzes angekündigt. Die genehmigte Demonstration habe von der Polizei begleitet werden müssen, sagte der Minister am Sonntag. "Wer diese tödliche Krankheit noch immer leugnet und sich in Menschenansammlungen ohne Maske zusammentut, ist nicht nur ignorant, sondern verlängert diese Pandemie und riskiert das Leben vieler Älterer, Schwacher und Kranker", sagte Beuth. Jegliche Straftaten würden konsequent angezeigt. Nach der Demonstration gab es massive Kritik am Polizeieinsatz. So kritisierte der CDU-Innenpolitiker Thorsten Frei das Verhalten der Demonstranten, aber auch das zurückhaltende Auftreten der Polizei.
Lehrerverband befürchtet wieder Schulschließungen
Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger befürchtet, dass wegen fehlender Corona-Tests und Impfungen von Lehrern Schulen bald wieder in den Distanzunterricht zurückkehren müssen. "Es gibt nur eine Möglichkeit, die Schulen auch in einer dritten Welle zu einigermaßen sicheren Orten zu machen: indem man die Lehrer impft und gleichzeitig mindestens zweimal in der Woche einen Schnelltest für alle Lehrer und Schüler durchführt", sagte Meidinger der Bild am Sonntag. Bei beidem würde es massiv haken. "Ich glaube deshalb nicht, dass wir die Schulen in der dritten Welle offen lassen können."
Seit Beginn der Pandemie seien 500 bis 600 Stunden Unterricht weggefallen, beklagte der Lehrerverbandschef aus Bayern. Selbst der beste Distanzunterricht habe nicht dieselbe Qualität wie Präsenzunterricht. "Langsam stellt sich die Frage, was dieses Schuljahr noch wert ist", so Meidinger. Alle Schüler hätten Lücken aufgebaut. Bei 20 Prozent seien sie so groß, dass sie gar nicht mehr begleitend aufgeholt werden können.
Erste Tui-Flieger starten wieder nach Mallorca
Der Reisekonzern Tui fliegt ab Sonntag nach langer Zwangspause die ersten Urlauber aus Deutschland nach Mallorca. Das vorläufige Ende der Beschränkungen für mehrere Ferienregionen in Spanien und das Auslaufen der Reisewarnung für die Balearen machen dies möglich - unter anderem können Touristen nun auf eine Quarantänephase nach ihrer Rückkehr verzichten. Andere Fluggesellschaften wie Eurowings fliegen bereits schon seit einigen Tagen von Deutschland aus wieder nach Mallorca.
Bei Tuifly soll nun die erste Maschine am Sonntag um 10.20 Uhr am Firmensitz in Hannover-Langenhagen starten. Direkt danach folgt eine weitere um 11.00 Uhr. Von Düsseldorf und Frankfurt bietet Tuifly ebenfalls je zwei Verbindungen an. Ein zusätzliches Flugzeug hebt in Stuttgart ab. Tui zieht mit den Flügen den Beginn seiner Ostersaison auf Mallorca um etwa eine Woche vor. Zum 26. März soll auch München als Abflughafen hinzukommen. Die Hotels wurden seit Tagen vorbereitet und das zuvor geplante Angebot ausgeweitet. Zuletzt hatte das Unternehmen starke Buchungen gemeldet: "Es gibt eine deutliche Nachfrage für die neuaufgelegten Reisen."
Das Wiederanlaufen des Geschäfts auf der Baleareninsel trifft trotz der Sehnsucht vieler Feriengäste nicht überall auf Zustimmung. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) etwa sprach sich für einen Verzicht auf Flüge in die Türkei oder Mallorca aus. "Mit einem solchen Urlaub geht man ein Risiko ein, und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen." Und weiter: "Aus meiner Sicht sollte es zu Ostern besser keine große Reisewelle geben. Das können wir uns in der aktuellen Infektionslage einfach nicht leisten", sagte der SPD-Kanzlerkandidat der Bild am Sonntag laut Vorabbericht. "Vielleicht kann man innerhalb eines Landes ermöglichen, dass Ferienwohnungen genutzt werden können. Wenn aber ganz viele im großen Stil Osterurlaub machen, gefährdet das den Sommerurlaub von uns allen."
Gewalt bei Demo gegen Corona-Maßnahmen in Kassel
Bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen ist es am Samstag in Kassel zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Polizei und Gegendemonstranten gekommen. Entgegen den gerichtlich bestätigten Auflagen der Stadt versammelten sich Tausende im Stadtzentrum und formierten sich zu einem ebenfalls verbotenen Demonstrationszug. Die meisten hielten sich nicht an die Auflage, Mund-Nasen-Schutz zu tragen. An einer Polizeisperre kam es zu massiven Prügeleien und Schubsereien. Journalisten wurden angegangen und beschimpft. Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Schlagstock und Pfefferspray ein. Einzelne Menschen wurden festgenommen.
Die Polizei schätzte am Abend die Zahl der Teilnehmer auf rund 20 000 im gesamten Innenstadtbereich. Auf dem zentralen Friedrichsplatz entwickelte sich am Nachmittag bei Sonnenschein fast schon Picknick-Atmosphäre ohne viel Abstand, wie Augenzeugen berichteten. Die Menschen ignorierten die Aufforderungen, sich zum genehmigten Versammlungsort am Rand der Stadt zu begeben.
Es sei "ein absolut unverständliches Zurückweichen des Staates", dass Tausende von Corona-Leugnern ohne Masken und ohne Abstand durch die Innenstadt von Kassel ziehen konnten, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der hessischen SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, laut Mitteilung. Das Einsatzkonzept der Polizei sei offenkundig gescheitert. Auch die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, hat die Ausschreitungen bei den Protesten gegen die Corona-Politik verurteilt.
Die Stadt Kassel hatte die Versammlungen wegen der zuletzt steigenden Zahl von Corona-Infektionen zunächst verboten. Es sei außerdem davon auszugehen, dass vor allem Mitglieder der sogenannten Querdenker-Szene kämen, weshalb nach Erfahrungen in Kassel und anderswo nicht auszuschließen sei, dass coronabedingte Auflagen missachtet würden, hatte die Stadt argumentiert.
Söder fordert bundesweite Notbremse für Corona-Hotspots
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert vor der Schalte mit den Regierungschefs der Länder bundesweit einheitliche Maßnahmen für Corona-Hotspots. "Wir haben ein Instrument, das wirkt: die Notbremse. Die muss überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden", betonte der CSU-Chef im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Sonst wird sie ein zahnloser Tiger, und die Sicherungswirkung verpufft."
Angesichts der steigenden Infektionszahlen seien weitere Öffnungen sinnlos. "Wer jetzt die falschen Schritte geht, riskiert, dass aus der dritten Welle eine Dauerwelle wird", warnte Söder. "Damit könnte sich alles bis in den Sommer hinein verlängern. Daher jetzt lieber konsequent und schneller - auch wenn es noch mal Kraft kostet." Die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schalten sich am Montag zusammen, um über weitere Schritte in der Pandemie-Bekämpfung und die Regelungen für Ostern zu beraten.
Ärzte: Lockerungen in die dritte Welle hinein waren "unverantwortlich"
Vor den Bund-Länder-Beratungen am Montag über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie fordern Mediziner wieder schärfere Beschränkungen. Die Chefin des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, forderte: "Es muss definitiv die vereinbarte Notbremse gezogen werden, da darf es keine Ausnahmen geben." Weiter sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Ich rechne ab Ostern mit einer noch kritischeren Lage als zum Jahreswechsel." Der Kapazitätspuffer auf den Intensivstationen "wird rasant wegschmelzen", warnte sie. "Es war unverantwortlich, in die dritte Welle und die Ausbreitung der Mutanten hinein auf diese Art zu lockern. Dadurch droht den Kliniken nun die dritte Extremsituation binnen eines Jahres", sagte Johna.
Auch von Intensivmedizinern kommen nachdrückliche Mahnungen. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz könne ohne Eingreifen sehr schnell auf 200 steigen und zu deutlich höheren Intensivpatientenzahlen führen. "Aus unserer Sicht kann es daher nur eine Rückkehr zum Lockdown vom Februar geben", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, der Augsburger Allgemeinen. "Alles, was man sich jetzt erlaubt, muss man später mit Zins und Zinseszins bezahlen", warnte Marx.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitagabend auf die von Bund und Ländern vereinbarte "Notbremse" ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 hingewiesen. "Und wir werden leider auch von dieser Notbremse Gebrauch machen müssen", sagte sie nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten zum weiteren Vorgehen beim Impfen. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir ohne diese Notbremse auskommen, aber das wird nicht möglich sein, wenn ich mir die Entwicklung der letzten Tage anschaue."