Die Ständige Impfkommission (Stiko) will kurzfristig entscheiden, ob Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus in Deutschland für alle empfohlen werden. Man prüfe derzeit sehr intensiv, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es gebe Daten aus internationalen Studien, die dafür sprächen, wobei geprüft werden müsse, inwieweit diese Ergebnisse auf Deutschland übertragbar seien. "Eine Entscheidung darüber wird in wenigen Wochen fallen", sagte Mertens. Bei einer solchen allgemeinen Empfehlung für Booster-Impfungen sei die Frage entscheidend, ob damit die Weiterverbreitung des Virus gebremst werden könne, so Mertens.
Bislang empfiehlt die Stiko die Auffrischungsimpfung etwa für Menschen ab 70 Jahren. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte aber darauf hingewiesen, dass laut Impfverordnung grundsätzlich alle Menschen Anspruch auf Booster-Impfungen hätten. Ärztevertreter hatten daraufhin Kritik an Spahn geübt. Durch Spahns Äußerung werde der Aufklärungs- und Diskussionsbedarf in den Praxen größer, die die Impfungen setzten, meinte etwa der Hausärzteverband.
Coronavirus:"Wir stehen am Anfang der Herbst-/Wintersaison"
Die Corona-Zahlen steigen rapide, Booster-Impfungen kommen nicht richtig voran und Mediziner sorgen sich. Ein Überblick zur aktuellen Lage.
"Die aktuelle 'Freibier-Stimmung' überrascht mich doch sehr", sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt der Zeitung Welt. "Alle Impfzentren aufmachen, Booster-Impfungen ohne Altersbeschränkung - wissenschaftliche und medizinische Kenntnisse und die Erfahrungen der vergangenen Monate werden dabei vom Tisch gewischt."
Er sehe keinen Grund, warum die Arztpraxen, die "schließlich den Impfturbo gezündet haben, die Booster-Impfungen nicht leisten können sollten - wenn ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden", sagte Weigeldt. Das Problem seien derzeit nicht fehlende Impfzentren, sondern eine geringe Impfbereitschaft: "Zögerliche, Verunsicherte und insbesondere Impfgegner spazieren allerdings sicherlich nicht ins Impfzentrum." In den Praxen könne man diese Menschen erreichen, wenn sie wegen anderer gesundheitlicher Probleme einen Termin vereinbaren, erklärte der Hausärzte-Verbandschef.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. Zwei Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab am Dienstagmorgen überraschend eine leicht gesunkene Sieben-Tage-Inzidenz von 153,7 bekannt. Am Tag zuvor lag sie bei 154,8. Die Gesundheitsämter meldeten 10 813 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. In den Tagen zuvor war die Inzidenz wegen vieler Ansteckungen stark gestiegen. Ob der nun gesunkene Wert womöglich mit Meldungsverzögerungen zu tun hat, ist unklar. Einige Bundesländer hatten mit Allerheiligen ein langes Wochenende. An Feiertagen lassen sich erfahrungsgemäßg weniger Menschen testen und es werden oft weniger Infektionen von den Gesundheitsämtern an das RKI weitergegeben. (02.11.2021)
Charité warnt vor Überlastung der Kliniken
Die bundesweit steigenden Corona-Zahlen führen zu einer immer stärkeren Auslastung der Krankenhäuser. Laut Zahlen des DIVI-Intensivregisters waren am Montag 2058 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, ein Plus von 74 gegenüber dem Vortag. Mehr als Tausend Corona-Erkrankte werden derzeit invasiv beatmet.
In Berlin warnte die Charité vor einer Überlastung: Die Zahl der Patienten sei in den vergangenen Tagen merklich gestiegen, sagte Martin Kreis, Vorstand für die Krankenversorgung in Deutschlands größter Uniklinik. "Aktuell sind etwa 90 Prozent der Covid-19-Patientinnen und -Patienten in der Charité nicht geimpft", sagte Kreis. Wenn es nicht gelinge, die Impfquote deutlich zu steigern und immer mehr Infizierte stationär behandelt werden müssten, werde das zu massiven Einschränkungen in den Kliniken führen. "Wenn sich diese Entwicklung entlang der Prognosen fortsetzt und keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, droht in den nächsten Wochen auch eine deutliche Einschränkung der Versorgung der Nicht-Covid-19-Patientinnen und -Patienten", erklärte Kreis.
Dabei ist in Berlin der Anteil von Covid-Patienten zu den verfügbaren Intensivbetten mit 11,4 Prozent noch vergleichsweise gering. In einzelnen Landkreisen wie Heidenheim in Baden-Württemberg oder dem bayerischen Cham sind bereits mehr als 40 Prozent der verfügbaren Intensivbetten von Corona-Erkrankten belegt. Die meisten neuen Krankenhauseinweisungen bezogen auf 100 000 Einwohner gibt es derzeit in Thüringen, das Bundesland weist innerhalb Deutschlands mit 307,1 auch die höchste 7-Tage-Inzidenz auf.
Verschärft wird die Situation in den Krankenhäusern laut Martin Kreis von der Charité dadurch, dass bundesweit deutlich weniger Intensivbetten zur Verfügung stehen als noch vor einem Jahr. Hintergrund sei vor allem ein deutschlandweiter Rückgang beim Intensivpflegepersonal. Die vorhandenen Intensivbetten seien derzeit vor allem mit Menschen belegt, die nicht an Corona erkrankt seien. Dadurch stünden kaum freie Betten für die Covid-19-Versorgung zur Verfügung.
"Wir benötigen dringend wieder die Einführung von Freihaltequoten bei den Intensivbetten", forderte der Vorstandsvorsitzende der Charité, Heyo K. Kroemer. Dies ermögliche den Krankenhäusern, ausgewählte Behandlungen zu reduzieren und Verlegungen zwischen den Häusern planbar zu organisieren. "Ohne die Wiedereinführung dieser Quoten wird die Versorgung der Covid-19-Erkrankten in den kommenden Wochen und Monaten nicht zu gewährleisten sein", sagte Kroemer. (1.11.2021)
Mehr als fünf Millionen Covid-19-Tote
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind weltweit mehr als fünf Millionen Menschen nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Das geht aus Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore vom Montag hervor. Die Schwelle von vier Millionen Corona-Toten weltweit war Anfang Juli überschritten worden.
Nach den Daten der US-Forscher liegt die Zahl der bestätigten Infektionen inzwischen bei mehr als 246 Millionen Fällen. Experten gehen bei Infektionen und Todesfällen rund um den Globus zugleich von einer hohen Dunkelziffer aus.
Die Webseite der Universität wird regelmäßig mit eingehenden Daten aktualisiert und zeigt einen etwas höheren Stand als die offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In manchen Fällen wurden die Zahlen auch wieder zeitweise nach unten korrigiert. Nach Angaben der WHO von Freitag gab es bisher 4,98 Millionen bestätigte Todesfälle und rund 245 Millionen bekannte Infektionen. (01.11.2021)
Spahn will Impfzentren der Länder wieder öffnen
Angesichts stark steigender Neuinfektionen fordert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Länder auf, ihre Impfzentren wieder zu öffnen. "Um möglichst vielen möglichst schnell eine Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, sollten die Länder die Impfzentren, die sie seit Ende September in Stand-By bereit halten, nun wieder startbereit machen", sagt der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Damit schloss er sich der Forderung von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach an (siehe Bericht unten). Spahn riet zudem, in einem ersten Schritt alle Über-60-Jährigen schriftlich zur Impfung einzuladen.Das habe schon bei den Erstimpfungen gut geklappt. (01.11.2021)
Konzerne wollen Kantinen trennen
Die Konzerne Bayer, Eon und Alltours werden künftig geimpften und von Corona genesenen Kollegen und Kolleginnen eigene Kantinenbereiche oder eigene Cafeterias anbieten. Das berichtet die Düsseldorfer Rheinische Post. In diesen Sonderbereichen dürften Beschäftigte ungezwungen zusammensitzen, während diejenigen, die sich nicht impfen ließen oder keine Auskunft über ihren Impfstatus geben wollten, weiterhin mit Abstandsregeln, Masken und Trennwänden beim Essen leben müssten. Der Versicherungskonzern Ergo prüfe nach eigenen Angaben eine vergleichbare Regelung. Bei Bayer gebe es mehrere Pilotprojekte für Kantinenbereiche nur für Geimpfte und Genesene. Alle Firmen betonten, dass Nicht-Geimpfte weiterhin einen Zugang zu ihren Kantinen hätten. (01.11.2021)
Sprecherin von US-Präsident Biden mit Corona infiziert
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hat sich trotz Impfung mit dem Coronavirus infiziert. Sie sei am Sonntag positiv getestet worden, teilte Psaki am Abend (Ortszeit) in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Psaki begleitet US-Präsident Joe Biden derzeit nicht auf dessen Europa-Reise und hat ihren Chef nach eigenen Angaben zuletzt am vergangenen Dienstag getroffen, unter besonderen Schutzvorkehrungen.
Psaki hatte ihre Mitreise mit Biden zum G20-Gipfel in Rom und zur Weltklimakonferenz in Glasgow in der vergangenen Woche kurzfristig abgesagt und als Grund zunächst vage einen "Notfall in der Familie" genannt. In ihrer Mitteilung von Sonntag erklärte sie nun, Hintergrund sei gewesen, dass "ein Mitglied ihres Haushaltes" positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Daraufhin habe sie sich in Quarantäne begeben und sich sowohl am Mittwoch und Donnerstag als auch am Freitag und Samstag testen lassen. All diese Tests seien negativ ausgefallen. Der Test am Sonntag sei dann aber positiv ausgefallen.
Psaki betonte, sie habe seit Mittwoch keine hochrangigen Mitarbeiter des Weißen Hauses mehr getroffen. Das jüngste Treffen mit dem Präsidenten am Dienstag habe draußen stattgefunden, mit Abstand und Masken. Sie lege ihr Testergebnis offen, um größtmögliche Transparenz zu liefern. Angesichts ihrer Impfung gegen das Coronavirus verspüre sie nur milde Symptome und könne weiter von zu Hause aus arbeiten. Sie plane, nach Ablauf einer zehntägigen Quarantäne und nach einem negativen Testergebnis ins Weiße Haus zurückzukehren.
US-Präsident Joe Biden selbst ist nach Angaben eines Insiders am Samstag negativ auf das Corona-Virus getestet worden. Es habe sich um einen PCR-Test gehandelt. (31.10.2021)