US-Repräsentantenhaus:Eine Stimme für die Schwachen

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Cori Bush während der Wahlnacht am 3. November 2020 (Foto: Michael B. Thomas/AFP)

Früher war Cori Bush obdachlos und Opfer von häuslicher Gewalt. Als erste schwarze Kongressabgeordnete aus Missouri will sie sich für linke Themen einsetzen.

Von Gianna Niewel

Die Bühne sieht improvisiert aus, da hängt eine Fahne, auf der "Black Lives Matter" steht, da steht ein Pult, an das jemand ein Schild geklebt hat - Cori Bush. Dann fängt Cori Bush in Missouri an zu reden: "An all die schwarzen Frauen, an all die schwarzen Mädchen. Das ist unser Moment." Sie hebt die rechte Faust, black power, und die Leute, die ihr zuhören, machen das auch. Sie hat ja recht.

Die USA haben gewählt, Ende Januar wird der Demokrat Joe Biden ins Weiße Haus ziehen, Kamala Harris wird die erste Vizepräsidentin. Und Cori Bush wird die erste schwarze Abgeordnete, die den Bundesstaat Missouri im Repräsentantenhaus in Washington vertritt.

Missouri liegt im Mittleren Westen und gehört zum Corn Belt, zum Wheat Belt, zum Bible Belt. St. Louis ist die zweitgrößte Stadt des Staates, hier wurde Cori Bush geboren, hier kandidierte sie auch, Wahlbezirk 01. St. Louis ist bekannt für den Gateway Arch, einen riesigen Bogen aus Edelstahl, Reiseführer nennen ihn verheißungsvoll "Tor zum Westen". Ansonsten ist die Stadt bekannt für ihre hohe Kriminalität. Während Missouri zuverlässig an den Republikaner Donald Trump ging, gewann die Demokratin Cori Bush ihren Wahlbezirk mit 78,9 Prozent. Zuverlässiger geht kaum.

Cori Bush wurde 2014 zur Aktivistin, nachdem im benachbarten Ferguson ein weißer Polizist den schwarzen Teenager Michael Brown erschossen hatte. Brown hatte in einem Laden Zigarillos gestohlen, der Polizist feuerte zwölf Mal. Manche Zeugen sagen: Brown hat den Polizisten angegriffen. Andere sagen: Hat er nicht. Im ganzen Bundesstaat protestierten Menschen gegen rassistische Polizeigewalt, aber eine Grand Jury entschied, den Polizisten nicht anzuklagen. Noch mehr Menschen protestierten, auch Cori Bush, ihr reichte es. Sie wollte nicht mehr in Megafone schreien, sie wollte Politik machen.

Im Kongress trifft sie auf vier junge Women of Color, die "The Squad" genannt werden.

Im Wahlkampf hat sie immer wieder von ihrem Leben erzählt. Dass sie 44 Jahre alt ist, Krankenschwester, alleinerziehend. Dass sie obdachlos war und in einem Auto lebte, mit dem sie um die Blocks in St. Louis fuhr und hoffte, dass die Polizei sie nicht anhält und ihr die zwei Kinder auf dem Rücksitz wegnimmt. Und dass es nicht reicht, Obdachlosen Geld zu geben und zu sagen: "Kauft euch Essen", weil sie in manche Supermärkte nicht reinkommen, wegen der zerlumpten Kleidung, des Gestanks, sie müssen erst einmal irgendwo duschen können. Bush erzählte von sexuellen Übergriffen, häuslicher Gewalt. "Ich habe viele Dinge erlebt, die hier in dieser Gemeinde geschehen sind und die von unserem Kongressabgeordneten nicht wirklich angesprochen wurden, obwohl er seit 20 Jahren diesen Sitz hat."

Sie spricht die Dinge an, sie sagt: "Ich war eine von ihnen." Und weil sie das nicht vergessen hat, warb sie im Wahlkampf für einen Mindestlohn von 15 Dollar, eine staatliche Krankenversicherung für alle. Auf Twitter retweetet sie Bernie Sanders, der auch deshalb nicht Kandidat der Demokraten wurde, weil viele Sorge hatten, er sei zu links. In St. Louis hatte Cori Bush bereits die Vorwahlen deutlich gewonnen, sie konnte sich darauf verlassen, dass ihr Linkssein funktioniert.

Als am Wochenende klar war, dass Joe Biden der nächste Präsident wird, lud Cori Bush bei Twitter ein Video hoch, in dem sie einen Müllsack wegwirft. Darauf steht "Trump". Und sie hatte gleich noch eine Nachricht: Der Präsident hatte im vergangenen Jahr "Go back home" getwittert und damit vier Women of Color gemeint, die Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, Ayanna Pressley aus Massachusetts, Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota. Alle jung, alle links. Sie werden The Squad genannt, die Truppe. Diese Truppe ist nicht nur zurück, weil jede der Frauen ihren Bezirk gewonnen hat. Sie ist größer geworden - Cori Bush ist jetzt eine von ihnen.

© SZ vom 11.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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