Cop29:Arme Länder fordern Billionen fürs Klima

Lesezeit: 3 Min.

Auch afrikanische Länder müssen ihre Energiewirtschaft umbauen, etwa mit Solarpaneelen auf den Dächern wie in Kenias Hauptstadt Nairobi. Das wird teuer. (Foto: Brian Inganga/AP)

Bei der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan wollen die Entwicklungsländer 1300 Milliarden US-Dollar, „um den Planeten zu retten“. Und das jedes Jahr. Woher soll so viel Geld kommen?

Von Thomas Hummel, Baku

1,3 Billionen US-Dollar sollen jedes Jahr an ärmere Länder fließen. Diese Forderung machte am Mittwoch die Runde in den Hallen der Weltklimakonferenz in Baku. Sie machte manche ratlos, andere versuchten zu erklären. Woher soll so viel Geld kommen?

Die Geldfrage ist das Kernthema dieser 29. Klimakonferenz. In Aserbaidschan sollen die fast 200 Länder, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, einen neuen Finanzrahmen für die Zeit nach 2025 vereinbaren. Was steht den Ärmeren der Welt zu, um selbst die Treibhausgase zu reduzieren, sich an die Auswirkungen der Erderwärmung anzupassen sowie für den Wiederaufbau nach Dürren, Stürmen, Überschwemmungen? Ihr CO₂-Ausstoß ist meist minimal, sie haben das Problem nicht verursacht, müssen es aber nun ausbaden. Bislang stellten die Industriestaaten mühsam 100 Milliarden Dollar pro Jahr zur Verfügung. Und nun auf einmal 1,3 Billionen?

Die Summe lässt sogar Wohlmeinende schwindeln

In Deutschland sank zuletzt im Zuge der Haushaltskürzungen der Beitrag für internationale Klimafinanzierung von 6,4 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesentwicklungsministerium, erklärte in Baku offen, er habe sich zuletzt nicht getraut, Zuwendungen an andere Länder öffentlich zu machen, weil sonst Finanzminister Christian Lindner (FDP) gekommen wäre, um sie wieder einzusammeln.

Und so lässt die Billionen-Forderung selbst Wohlmeinende schwindeln. „Das ist so sicher nicht realistisch“, sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Erschwerend kommt hinzu, dass in Baku die allermeisten damit rechnen, dass die USA unter einem Präsidenten Donald Trump als Geldgeber ausfallen werden. Dennoch betonen Vertreter aus dem ärmeren Teil der Welt, dass ihre Zahl ernst gemeint ist.

„Wir brauchen die Billionen für den Zugang zu erneuerbaren Energien und um den Planeten zu retten“, erklärte Gaston Browne, der Premierminister des karibischen Inselstaates Antigua und Barbuda. Dies sei kein Akt der Wohltätigkeit, sondern eine Investition in die Zukunft. Und während die meisten in Baku zum Thema Trump lieber schweigen, ging er den kommenden Präsidenten frontal an: „Die USA haben eine moralische Verpflichtung, die Finanzen bereitzustellen, um die Klimakrise zu lösen.“ Als historisch größter Verursacher von Treibhausgasen müssten sie den Dreck wegräumen, den sie verursacht haben.

Hoffen auf die Kraft der Märkte

Doch aus den Verhandlungen hinter den Kulissen drang am Mittwoch vor allem Uneinigkeit. Wer auf Weltklimakonferenzen eine Einigung unter allen Staaten erreichen möchte, der muss wie in einem Trichter Stück für Stück die Optionen verringern, bis am Ende unten ein Ergebnis herausfällt. Doch ein aktuelles, 34-seitiges Papier enthielt quasi noch alle Wünsche. „Nach drei Jahren Vorgesprächen hatten wir gehofft, zu diesem Zeitpunkt einen gestrafften Text vorzufinden. Das ist sehr frustrierend“, urteilte Fernanda Carvalho, die das Konferenzgeschehen für die Umweltorganisation WWF beobachtet. Der Text mache es schwierig, einen Konsens zu finden.

Andere Beobachter glauben noch daran, dass es zu einer Einigung kommen kann. Sie dröseln auf, wie so viel Geld aufgebracht werden könnte. „Es geht nicht um 1,3 Billionen Steuergelder aus den Ländern des Nordens“, sagt Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP). Dies sei der Gesamtbedarf an Klimageldern. Der beinhalte Zuschüsse öffentlicher Haushalte, zinsgünstige Kredite etwa von Entwicklungsbanken wie der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds. Und vor allem Privatinvestitionen.

Die internationalen Entwicklungsbanken erklärten, sie könnten unter jetzigen Voraussetzungen ihre Klimagelder von aktuell 47 Milliarden Dollar bis 2030 auf 120 Milliarden erhöhen. Über diese Banken finanzieren reiche Staaten ihre Entwicklungspolitik. „Pro eingezahlten Dollar können die Institute durch ihre gute Bonität sechs bis acht Dollar zinsgünstige Kredite für ärmere Länder vergeben“, erläutert Avinash Persaud, Sonderberater für Klimawandel in der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Das sei der effizienteste Weg, die Finanzierung zu erhöhen.

Presaud rechnet, dass etwa 300 Milliarden Dollar aus den Banken und aus öffentlichen Haushalten des Nordens zusammenkommen müssten, den Rest würden Investitionen privater Unternehmen beitragen. Er glaube an eine 60-zu-40-Chance, dass sich die Staaten in Baku auf ein derartiges Modell einigen könnten. Auch Staatssekretär Flasbarth mahnte, man werde die Klimaziele nur erreichen, wenn es gelinge, die „positive Kraft der Märkte zu entfesseln“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungErderwärmung
:Trumps Wiederkehr ist eine sehr schlechte Nachricht für den Klimaschutz

Kommentar von Michael Bauchmüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: