COP29:Crunchtime auf der Klimakonferenz

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Es dürfe keine "ungedeckten Schecks" für die ärmeren Länder geben, sagt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Freitag in Baku. (Foto: Murad Sezer/REUTERS)

Die Verhandlungen zu Finanzhilfen für ärmere Länder im Zuge der Erderwärmung gehen in die Verlängerung, es tut sich ein Milliardenloch auf in Baku. Doch die Staaten, die es füllen könnten, schweigen. Wer bewegt sich zuerst?

Von Michael Bauchmüller, Baku

Annalena Baerbock hat sich noch einmal aufgerafft. Eigentlich wollte die deutsche Außenministerin schon Freitag aufbrechen, nach Hause. Seit sie am Mittwoch in Baku angekommen ist, ist sie gesundheitlich angeschlagen. „Ich appelliere an alle, dass wir alle Kräfte sammeln“, sagt sie bei einer Pressekonferenz. „Deswegen bin ich auch hiergeblieben.“ Ob aber diese Kräfte reichen, hier das Schlimmste zu verhindern? Das weiß am Freitagnachmittag keiner beim Klimagipfel in Aserbaidschan.

Große Zahlen wirbeln durch die Verhandlungsräume, es geht um die Klimafinanzierung für die Jahre bis 2035. Das sind jene Gelder, die reiche Staaten zur Verfügung stellen, damit andere mit den Folgen der Klimakrise besser zurechtkommen. Sei es, um selbst auf fossile Energien zu verzichten; sei es, um Schäden auszugleichen, die jetzt schon auftreten; sei es, um eben solchen Schäden vorzubeugen. Inselstaaten und Entwicklungsländer fordern 1,3 Billionen Dollar jährlich, Industriestaaten wollen verhindern, dass sie am Ende alleine zahlen. Zwischen den Fronten steht eine Delegation: China. Bis Freitagnachmittag hat sie geschwiegen.

Saudi-Arabien versucht sogar, die Abkehr von Kohle, Öl und Gas zu widerrufen

Es sei ausgeschlossen, dass in Baku „ungedeckte Schecks“ unterschrieben würden, sagt Baerbock. Mehr Staaten müssten sich an der Finanzierung beteiligen. „Das bedeutet, dass auch die großen Emittenten, die es sich leisten können, sich beteiligen.“ So genau lautet auch das Ziel, mit dem die Europäische Union zur Konferenz angereist ist. China soll sich beteiligen, und auch Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien. Doch vor allem dieses Königreich am Persischen Golf müht sich seit Beginn der Konferenz, Sand ins Getriebe zu werfen.

Dazu zählt auch, dass bis Freitag unsicher blieb, ob die Konferenz nicht sogar mit Rückschritten endet. Denn neben den offenen Milliardenfragen haben die Ministerinnen und Minister aus aller Welt auch mit den Vorgaben zu kämpfen, die künftig für neue nationale Klimaziele gelten sollen. Diese Ziele stehen im Zentrum des Pariser Klimaabkommens: Alle fünf Jahre sollen sie neu gesteckt werden, und das jeweils besser als zuvor. Die Summe des wachsenden Ehrgeizes soll am Ende dazu führen, dass das Klimaabkommen seinen Zweck erfüllt: Die Erderhitzung möglichst bei plus 1,5 Grad Celsius zu stabilisieren, verglichen mit der Zeit vor Beginn der Industrialisierung.

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Vor einem Jahr hatten die Staaten in Dubai deshalb den folgerichtigen Beschluss gefasst, die Abkehr von fossiler Energie einzuleiten, ein „transitioning away“. Doch in Baku ist diese Formulierung plötzlich wieder umstritten, vor allem Saudi-Arabien dringt darauf, sie aus Textpassagen rund um die nächsten Klimaziele zu streichen. Offensichtlich seien andere Staaten mit dem Ziel angereist, „zurückzudrehen, was wir im letzten Jahr in Dubai beschlossen haben“, sagt Baerbock. Das komme gar nicht infrage.

Damit ist eine zweite Front eröffnet, die eine Einigung in den Milliardenfragen nicht einfacher macht. Während Baerbock noch spricht, werden neue Verhandlungsentwürfe bekannt, erstmals sind konkrete Zahlen enthalten. 250 Milliarden Dollar jährlich sollten die alten Industriestaaten des Westens demnach bis 2035 aufbringen, teils aus Mitteln der öffentlichen Haushalte, teils als Kredite. Andere Länder werden „eingeladen“, sich ebenfalls zu beteiligen – mehr nicht. Zwar sollen Finanzmittel auch aus anderen Quellen fließen, etwa von Entwicklungsbanken, aus dem Privatsektor, von Investoren. Aber der Graben bleibt tief.

Die Schlüsselfrage sei nun, „ob da genug Geld von reicheren Staaten auf dem Tisch liegt“, sagt Rob Moore, Klimaexperte beim britischen Thinktank E3G. Und ob es genug Sicherheit gebe, dass es wirklich fließt. „Sollten Industriestaaten bereit sein, weiterzugehen, dann sollten sie es rasch machen.“ Andernfalls sei der Erfolg der Konferenz bedroht. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis) erklärte, sie sei zutiefst enttäuscht über die jüngsten Vorschläge, die reicheren Länder würden quasi nur gefragt, was ihre Minimalzusage sein könnte. Das werde nicht ausreichen, um das Pariser Abkommen umzusetzen und Maßnahmen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze voranzutreiben. „Das ist inakzeptabel.“

Auch Umweltschützer sind ernüchtert. Die 250 Milliarden Dollar fielen „weit hinter das zurück, was wirklich nötig wäre“, sagt etwa Viviane Raddatz von der Umweltstiftung WWF. „Die Delegationen müssen zurück an den Verhandlungstisch, auch wenn das eine Verlängerung bedeutet.“

Genau die ist nun sicher. Es sei „Crunchtime“, sagt Baerbock, das sei wie im Basketball. „Dann wird das Spiel auch ruppiger.“ Entweder werfe jetzt in letzter Sekunde noch einer einen Dreier, oder das Spiel gehe in die Verlängerung. Doch der Spieler, der den Dreier werfen könnte, hat sich den Ball nicht genommen.

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