Weltklimakonferenz in Ägypten:Auf Konfrontation mit dem Gastgeber

COP27: Staatssekretärin Jennifer Morgan und Sanaa Seif

Sanaa Seif (l.) ist aus London angereist, um ihrem Bruder zu helfen. Bei Staatssekretärin Jennifer Morgan im deutschen Pavillon findet sie Gehör.

(Foto: FAYEZ NURELDINE/AFP)

Die deutsche Delegation bei der Weltklimakonferenz empfängt die Schwester eines inhaftierten ägyptischen Regimegegners in ihrem Pavillon. Der Konflikt um Alaa Abdel Fattah spitzt sich zu.

Von Thomas Hummel, Scharm el-Scheich

Der deutsche Pavillon in Halle A des International Conference Centers ist am Dienstagabend rappelvoll. Männer mit kleinen und großen Kameras drängeln sich durch die Menge, um Bilder machen zu können von diesem Ereignis. Auf dem Podium ist Jennifer Morgan, Staatssekretärin des Auswärtigen Amts und Repräsentantin der Bundesregierung. Neben ihr sitzt Sanaa Seif, eine junge Frau im ockerfarbenen Kleid. Allein ihre Anwesenheit hier ist ein kalkulierter Seitenhieb auf die ägyptische Regierung.

Sanaa Seif ist die Schwester von Alaa Abdel Fattah, dem wohl derzeit prominentesten Gefangenen des Landes. Der 40-jährige Regimegegner war die meiste Zeit der vergangenen zehn Jahre in Haft, zuletzt, weil er auf Facebook einen kritischen Post geteilt hat. Er protestiert dagegen im Gefängnis seit mehr als 200 Tagen mit einem teilweisen Hungerstreik, seit Beginn der Weltklimakonferenz am vergangenen Sonntag trinkt er nichts mehr. Er nutzt die Blicke der Weltöffentlichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen und riskiert sein Leben.

Ägypten: Regierungskritiker Alaa Abdel Fattah

Alaa Abdel Fattah auf einem Foto von 2019. Abdel Fattah zählte 2011 während der ägyptischen Revolution zu den Führungsfiguren.

(Foto: Nariman El-Mofty/dpa)

Sanaa Seif ist extra aus Großbritannien nach Scharm el-Scheich geflogen. Sie sei froh, dass die Deutschen ihr den Raum geben, zu sprechen und ihren Bruder dadurch vielleicht zu retten, sagt sie. Ihre Stimme ist oft brüchig, Sanaa Seif deutet an, mit der Situation ein wenig überfordert zu sein. Sie bedankt sich für die Solidarität vieler Klimaaktivisten. Ein paar Vertreter der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung sind anwesend und demonstrieren am Ende der Veranstaltung mit #FreeAlaa-T-Shirts für die Freilassung von Fattah, obwohl auf dem Gelände der Klimakonferenz Proteste gegen einzelne Länder verboten sind.

Mehrere Regierungschefs haben in den vergangenen Tagen bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi vorgesprochen und sich für die Freilassung Fattahs eingesetzt. Allen voran der britische Premierminister Rishi Sunak, weil Fattah auch die britische Staatsbürgerschaft hat. Aber auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach das Thema an. Er habe sich deshalb an Al-Sisi gewandt, sagte der SPD-Politiker am Dienstag und nannte die Situation "bedrückend". Jennifer Morgan wird im deutschen Pavillon deutlicher: Das müsse jetzt entschieden werden, die Freilassung von Fattah müsse möglich sein, "damit Alaa leben kann". Eine offizielle Reaktion der Ägypter blieb bislang aus.

60 000 politische Gefangene soll es geben

Am Dienstagmittag hatte Sanaa Seif bereits eine Pressekonferenz gegeben. Als Fragen erlaubt waren, ließ sich ein ägyptischer Abgeordneter das Mikrofon geben und warf Fattah vor, eine ausländische Verschwörung gegen das ägyptische Militär anzuführen. Er wurde schließlich von Sicherheitsleuten aus dem Raum geleitet.

Kommt es zum Thema Menschenrechte, ist Ägypten ein schwieriger Gastgeber der 27. Weltklimakonferenz. Etwa 60 000 Menschen sollen aus politischen Gründen inhaftiert sein, das 2014 durch einen Militärputsch an die Macht gekommene Regime greift hart gegen Andersdenkende durch. Viele sitzen ohne Gerichtsprozess in Haft, es gibt Berichte über Folter in den Gefängnissen.

Neben Vertreterinnen von Human Rights Watch und Amnesty International sitzt am Dienstagabend noch Hossam Bahgat auf dem Podium im deutschen Pavillon. Er ist Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte und erzählt davon, wie restriktiv diese seit zehn Jahren eingeschränkt werden. Er könne praktisch nicht mehr aus seinem Büro gehen, weil die Menschen Angst haben, mit ihm zu sprechen. Nicht er, sondern oftmals seine Gesprächspartner seien in der Vergangenheit verhaftet worden.

Seit sieben Jahren dürfe er nicht ausreisen, berichtet Bahgat, und seine seien Konten gesperrt. Die Weltklimakonferenz sei für ihn die lang ersehnte Möglichkeit, wieder öffentlich sprechen zu können. Dabei nehme er das Risiko in Kauf, nach der Konferenz, wenn die Welt wieder aus Scharm el-Scheich abgeflogen ist, erhebliche Probleme zu bekommen. Dennoch seien jetzt die Augen auf Ägypten gerichtet, diese Chance wolle er nicht verpassen.

Sanaa Seif dankt der deutschen Delegation für die Möglichkeit, sich öffentlich äußern zu können. Sie dankt Kanzler Scholz für dessen Einsatz. Doch sie hat auch eine kritische Mitteilung dabei. "Sie sollten wirklich Ihre Außenpolitik mit der ägyptischen Regierung prüfen", fordert sie. Deutschland sei in den vergangenen Jahren Waffenlieferant Nummer eins für Ägypten gewesen.

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