Die guten Nachrichten kommen in Glasgow nicht aus den Verhandlungsräumen, sie kommen aus dem Drucker: Erklärungen, über Monate vorbereitet, lassen nun pünktlich einen ganz neuen Geist durch die Flure der Konferenz wehen: Die Welt nimmt Abschied von Kohle, Öl und Gas.
Mehr als 40 Staaten etwa stellen sich am Donnerstag hinter eine Erklärung, die der Kohle Adieu sagt. Sie wollen nicht mehr in neue Kohlekraftwerke investieren und ihre alten Meiler peu à peu stilllegen. Zu den Unterzeichnern zählen Länder, die mit der Kohle bisher verlässlich auf Du und Du standen: Polen etwa, die Ukraine, Indonesien, Vietnam und Südkorea. Man verstehe "den Imperativ, dringend die Verbreitung sauberer Energie zu forcieren", bekennen die Unterzeichner. Für Großbritannien ist es ein weiterer Zwischenerfolg, und es soll noch nicht einmal der einzige bleiben an diesem Tag. "Kohle ist nicht mehr der König", freut sich Alok Sharma, der Präsident der Klimakonferenz. "Das Ende ist in Sicht."
Dieses Ende bahnt sich schon länger an. Seit der Verabschiedung des Paris-Abkommens wurden nach Zahlen der britischen Regierung 76 Prozent der geplanten Kohleprojekte zu den Akten gelegt. Doch wenn Staaten wie Polen, Vietnam oder Indonesien den Abschied von der Kohle besiegeln, hat das noch einmal eine eigene Qualität. "Es sieht wirklich so aus, als hätten wir den point of no return überschritten", sagt Leo Roberts, Kohle-Experte beim europäischen Thinktank E3G. "Das könnte wirklich die Konferenz werden, die das Ende der Kohle verkündet."
Keine Kredite mehr für Kohlekraftwerke
In den Dreißigerjahren, so heißt es in der Erklärung, wollten die Industriestaaten unter den Unterzeichnern aus der Kohle aussteigen, in den Vierzigern auch die Entwicklungsländer. Indonesien macht diesen Schritt davon abhängig, dass das Land mehr Hilfe bekommt beim Umstieg auf saubere Energien. Und überhaupt nimmt diese Erklärung es mit den Abschaltdaten nicht ganz so genau. Wer etwas später dran ist: auch nicht schlimm. Aber gemessen daran, dass ein Land wie Polen noch vor acht Jahren parallel zum Klimagipfel eine Kohlekonferenz abgehalten hat, ist diese Erklärung ein Riesenfortschritt. Allein in Vietnam sind derzeit gut 50 Kohlekraftwerke in Bau oder Planung. "Auch Indonesiens Signal, dass man schon 2040 aussteigen kann, ist ein wesentlicher Schritt vorwärts", sagt Helen Mountford vom Washingtoner World Resources Institute. Allerdings fehlen auch eine Reihe wichtiger Länder: China zum Beispiel, Indien oder die USA.
Die aber hatten am Wochenende zumindest versprochen, kein Geld mehr in die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke im Ausland zu stecken - was auch viele der geplanten Projekte in Südostasien betreffen könnte. Beim G-20-Gipfel in Rom hatten die 20 großen Industrie- und Schwellenländer den Stopp der Finanzierung ab Ende des Jahres verabredet.
Doch auch hier setzt Glasgow noch einen drauf. Denn ebenfalls am Donnerstag wird eine Erklärung bekannt, mit der sich knapp zwei Dutzend Staaten verpflichten, nicht nur Kredite für Kohleprojekte im Ausland zu stoppen, sondern ab 2023 auch für die Förderung von Öl- und Gasprojekten. Großbritannien hatte so einen Ausstieg schon vor einem Jahr angekündigt, nun folgen auch die USA, Kanada, die Schweiz und Dänemark. Italien, Co-Gastgeber der Konferenz in Glasgow, hatte sich in letzter Minute auch hinter die Erklärung gestellt. Deutschland konnte sich nicht dazu durchringen.
Nach Zahlen der Umweltbewegung Friends of the Earth steckten allein die G-20-Staaten zuletzt jährlich fast 55 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln in fossile Projekte, sei es über Exportkredite oder Entwicklungsbanken. "Letztes Jahr um die Zeit hätte ich nie erwartet, dass wir so einen Schritt sehen würden", sagt Kate DeAngelis, Finanzexpertin der amerikanischen Umweltgruppe. Nun müssten rasch andere Länder folgen, wie Japan und Korea.
Schon am Dienstag hatten die USA und die EU eine Initiative zu fossiler Energie bei der Konferenz vorgestellt: zur Senkung der Methan-Emissionen. Mehr als 100 Staaten verpflichten sich darin, den Ausstoß dieses hochwirksamen Treibhausgases bis 2030 um 30 Prozent zu drosseln, gemessen an 2020. Bis 2050 lasse sich so die Erderwärmung um 0,2 Grad Celsius dämpfen. Nähme man noch die Zusagen hinzu, die Staaten bisher gemacht haben, lasse sich die Erderwärmung gegenüber vorindustriellen Zeiten auf 1,8 Grad Celsius begrenzen, rechnet die Internationale Energie-Agentur vor. Doch gelingen wird auch das nur, wenn die schönen Erklärungen die Druckerschwärze wert sind.