Klimagipfel in Glasgow:Kampagne aus Kampala

Trost von Greta Thunberg nach einem emotionalen Auftritt von Vanessa Nakate auf dem Youth4Climate-Gipfel in Mailand im September.

Trost von Greta Thunberg nach einem emotionalen Auftritt von Vanessa Nakate auf dem Youth4Climate-Gipfel in Mailand im September.

(Foto: AP)

Die Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda erzählt in ihrem Buch von ihrem kreativen Kampf gegen die Erderhitzung. Anlass dafür war ein Foto, von dem sie einfach abgeschnitten wurde.

Von Judith Raupp

Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hat sich 2020 einen Fauxpas geleistet, der international Aufsehen erregte. Als AP über das Engagement von Klimaaktivistinnen beim World Economic Forum in Davos berichtete, schnitt die Redaktion die Uganderin Vanessa Nakate vom Bild ab. Zu sehen blieben nur die Europäerinnen Greta Thunberg, Loukina Tille, Luisa Neubauer und Isabelle Axelsson.

Ausgerechnet die Afrikanerin fehlte. Dabei leiden die Menschen auf dem südlichen Kontinent im Vergleich zu anderen Erdteilen stärker unter den Folgen der Klimaerwärmung, obwohl sie weniger Treibhausgase emittieren. Fluten wie jüngst im rheinland-pfälzischen Ahrtal, kommen in Afrika häufig vor, ebenso wie Dürren und andere Naturkatastrophen. Sie zerstören Häuser, Felder, Krankenstationen und Schulen, lösen Hungersnöte aus und kosten jedes Jahr zahlreiche Menschen das Leben.

Nakate war schockiert über die Ignoranz von AP. Das änderte sich auch nicht, als die Agentur später das Originalfoto publizierte, das Nakate mit ihren europäischen Kolleginnen zeigt. "Mit mir war ein ganzer Kontinent eliminiert worden", kommentiert die Aktivistin das ursprünglich veröffentlichte Foto. Die Uganderin wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen und schrieb das Buch "Unser Haus steht längst in Flammen".

Aktivistinnen in Afrika verstoßen gegen viele Regeln

Nakate schildert, wie sie Aktivistin wurde, und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hat. Das fängt schon damit an, dass sie vor 25 Jahren als Mädchen in Uganda geboren wurde. In Nakates Heimat lernen Frauen wie in vielen afrikanischen Ländern, dass sie das Reden in der Öffentlichkeit den Männern überlassen sollten. Aktivistinnen wie Nakate müssen damit klar kommen, dass sie gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen, beschimpft oder lächerlich gemacht werden, wenn sie auf der Straße oder auf Internetplattformen einen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandel fordern, um die Erderwärmung zu stoppen.

Vanessa Nakate, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson und Loukina Tille im Januar in Davos. Auf einer ersten Fassung der Agentur wurde Nakate weggeschnitten.

Das Foto, um das es geht: Vanessa Nakate, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson und Loukina Tille im Januar in Davos. Auf einer ersten Fassung der Agentur wurde Nakate weggeschnitten.

(Foto: AP)

Außerdem kann es in Ländern wie Uganda tödlich enden, zu demonstrieren. Manchmal schießt die Polizei auf Demonstranten, manchmal werden die Protestierenden niedergeknüppelt oder verhaftet. Anders als Greta Thunberg in Stockholm kann sich Nakate in der ugandischen Hauptstadt Kampala nicht einfach mit einem Plakat vor das Parlament setzen. Sie muss zuerst die Wache schiebenden Polizisten überreden, dass sie ihr nichts anhaben. Zudem können es sich Kinder und Jugendliche in Uganda nicht leisten, wegen eines Klimastreiks zu schwänzen und eventuell von der Schule oder der Universität zu fliegen. Schließlich kratzen ihre Eltern den letzten Cent zusammen, weil sie die teuren Gebühren für Bildung bezahlen müssen.

Nakate, aufgeschreckt von Fluten und Dürren in ihrer Heimat, führt den Kampf gegen den Klimawandel anders als europäische Aktivisten. Statt die Jugendlichen zum Streik aufzurufen, geht sie selbst in die Schulen. Sie erklärt, dass Wetterextreme eine Folge davon sind, dass die Menschen Bäume für Feuerholz fällen. Sie erzählt, dass die Industrienationen unter anderem reich geworden sind, weil sie ohne Rücksicht auf das Klima wirtschaften. Nakate plädiert für ein Miteinander von Arm und Reich. Sie fordert, dass die wohlhabenden Länder mit den ärmeren Staaten Technik, Wissen und Geld teilen sollen, damit sie ihren Beitrag zur Rettung der Erde leisten können, etwa indem sie den riesigen Regenwald im Kongobecken erhalten.

2019 begann sie allein, heute kennen viele ihren Namen

Nakate stellte sich erstmals 2019 mit einem Plakat an eine Kreuzung in Kampala. Später gründete sie ihre eigene Umweltlobby-Organisation, installierte mit ausländischer Finanzierung Solaranlagen in ugandischen Schulen und machte sich dank Internetplattformen weltweit einen Namen als Klimaschützerin. Das Magazine Jeune Afrique klassiert die Aktivistin auf Platz 77 der 100 einflussreichsten Afrikaner. Inzwischen ist sie regelmäßig Gast bei hochkarätigen Klimaveranstaltungen. Auch zur UN-Klimakonferenz in Glasgow ist sie gereist, allerdings ohne offiziellen Redeauftrag.

Mit großer Offenheit beschreibt die Autorin, wie sie sich anfangs trotz der internationalen Aufmerksamkeit als Afrikanerin ausgegrenzt fühlte, wie der Kampf für Umweltschutz sie bisweilen auszehrt und manchmal frustriert. Menschen lassen sich nur schwer überzeugen, ihre Gewohnheiten zugunsten des Klimas zu ändern. Im Kongo zum Beispiel, einem Nachbarland von Uganda, kochen die Frauen Bohnen stundenlang auf dem Holzfeuer, ohne sie vorher in Wasser einzuweichen. Jede andere Zubereitungsart, etwa auf einem Solarkocher, verdirbt nach Ansicht vieler Kongolesen den Geschmack. Außerdem brauchen die meisten Leute in armen Ländern ihre gesamte Energie dafür, den Tag zu überleben, sodass sie keine Zeit haben, über den Klimawandel nachzudenken.

Vanessa Nakate: Unser Haus steht längst in Flammen

Vanessa Nakate: Unser Haus steht längst in Flammen. Warum Afrikas Stimme in der Klimakrise gehört werden muss. Übersetzt von Sabine Längsfeld. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 240 Seiten, 16 Euro. E-Book: 12,99 Euro

(Foto: Rowohlt)

Manchmal trägt die Bevölkerung sogar gewaltsame Konflikte mit Klimaschützern aus. Im Kongobecken etwa finanzieren die Regierungen reicher Länder, darunter auch Deutschland, viele Nationalparks zum Schutz des Tropenwaldes. Immer wieder töten bewaffnete Parkwächter Bauern und Hirten, die Feuerholz oder Nahrung suchen. Ebenso ermorden Bauern und Jäger immer wieder Ranger.

Nakate will vor allem Mut machen

Solche Konflikte erwähnt Nakate nicht in ihrem Buch. Die Autorin will Mut machen. Sie beschreibt, wie sie an innerer Stärke gewinnt, wie sie in Uganda Mitstreiter findet, und wie viel internationale Solidarität sie erfährt. Sie fordert das Recht auf Bildung ein, vor allem für Mädchen, weil sie Wissen, zum Beispiel über Bevölkerungswachstum, als Schlüssel im Kampf für eine klimagerechte Welt sieht. Nakate zitiert viele Studien zur Erderwärmung und bringt auch eigene Erfahrungen ein. Allerdings ist ihre Kritik, dass Fahrzeuge in Uganda die Luft mit verbleitem Benzin verpesteten, veraltet. Das UN-Umweltprogramm (UNEP) teilte Ende August mit, dass mit Algerien nun auch das letzte Land verbleites Benzin von den Tankstellen verbannt hat.

Nakate ruft in ihrem Buch dazu auf, man möge dafür einstehen, "was richtig und gerecht ist". Zum guten Gelingen gibt sie zehn allgemeine Lebensweisheiten mit auf den Weg, wie zuhören, Verbündete suchen, Vorbild sein. Die Stärke des Werkes liegt aber vor allem darin, dass die Autorin zeigt, mit welcher Kraft und Kreativität afrikanische Aktivisten Probleme angehen, obwohl sie ihren Kampf unter harten Bedingungen führen.

So ist aus Vanessa Nakates Frustration über den engen Horizont der AP-Journalisten ein Lehrstück mit Weitblick entstanden.

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