COP 27:Klimakonferenz auf der Zielgeraden

COP 27: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Jennifer Lee Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, in Scharm El-Scheich.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Jennifer Lee Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, in Scharm El-Scheich.

(Foto: Thomas Trutschel/IMAGO/photothek)

Lange sieht es so aus, als müsste der Gipfel in Scharm El-Scheich scheitern. Doch nach chaotischen Verhandlungen gelingt den ägyptischen Gastgebern noch eine Überraschung.

Von Michael Bauchmüller, Scharm El-Scheich

Sameh Shoukry kann kein großes Problem erkennen: "Alle sind gleichermaßen unzufrieden", sagt Ägyptens Außenminister am Samstagmittag. "Es gibt eben nicht die eine perfekte Lösung." Shoukry ist der Präsident der Klimakonferenz im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich - und zu diesem Zeitpunkt deutet nichts darauf hin, als würde er die Knoten noch zerschlagen können.

Vor allem drei Fragen beschäftigen den Gipfel in den letzten Stunden:

  • Erstens, wie die Staaten in den nächsten Jahren die Minderung von Treibhausgasen vorantreiben - denn vom Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sind sie Lichtjahre entfernt.
  • Zweitens, wie die Verursacher des Klimawandels für Schäden aufkommen, die besonders verletzliche Staaten schon heute erleiden - und welche Verantwortung der mittlerweile größte Emittent, China, dabei übernimmt.
  • Und drittens, wie stark sich die Staaten in einem Schlussdokument zum Klimaschutz bekennen - oder ob sie womöglich hinter die Abmachungen von Glasgow zurückfallen.

Dass eine Klimakonferenz in die Nachspielzeit geht, ist an sich nicht ungewöhnlich. Dass sie in der verbleibenden Zeit so viele offene Fragen zu lösen hat, und obendrein so grundsätzliche, ist ungewöhnlich. "Die Welt schaut zu", sagt Shoukry am Mittag. "Und die Zeit ist nicht auf unserer Seite."

Letzteres freilich könnte auch an der Verhandlungsführung der Ägypter liegen. Denkbar spät erst präsentierten sie konkrete Textvorschläge für die Streitpunkte, die Grundlage für jede Verhandlung. Und das noch nicht einmal so, dass sich die Delegationen ernsthaft damit beschäftigen konnten. In der Nacht zu Freitag durften die Verhandler neue Texte nur auf einem Ipad lesen, das ihnen unter die Nase gehalten wurde - fotografieren verboten. Es ist ein neuer Höhepunkt einer insgesamt chaotischen Klimakonferenz. "Manchmal frage ich mich, ob die Gastgeber hier überhaupt ein Ergebnis wollen", sagt ein erfahrener Verhandler.

Doch am Nachmittag ändert sich die Lage. Shoukry hat neue Texte veröffentlicht, sie enthalten für jeden etwas. Ein Arbeitsprogramm bis 2030 findet sich darin, wie sich die Europäer das gewünscht hatten, es soll das 1,5-Grad-Ziel erreichen helfen. Auch eine Formulierung, die Staaten vor einer schärferen Gangart im Klimaschutz verschont hätte, ist verschwunden. Noch am Morgen hatte dieser Passus Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf die Barrikaden gebracht. "Wenn andere den 1,5-Grad-Pfad hier beerdigen wollen, sagen wir klar: Da machen wir nicht mit."

Auch beim Umgang mit Schäden des Klimawandels geraten mit den neuen Texten Dinge in Bewegung. So soll ein Fonds entstehen, um diese Schäden zu kompensieren. Dafür war zuletzt die EU eingetreten. Allerdings findet sich eine zentrale Forderung der Europäer darin nicht mehr: China wird nicht zwangsläufig zu einem der Geber für diesen Fonds. Die Volksrepublik ist zwar mittlerweile eine Wirtschaftsmacht und verursacht so viel Kohlendioxid wie kein anderes Land - die Klimakonvention führt sie aber immer noch als Entwicklungsland, das kein Geld für derlei Fonds geben muss.

Doch noch ist nichts beschlossen. Am Abend tritt eine Allianz auf den Plan, die schon auf früheren Konferenzen gemeinsam Druck gemacht hat: die "High Ambition Coalition". Inselstaaten und Europäer gehören ihr an, gemeinsam verlangen sie vor allem mehr Anstrengungen an der Emissionsfront. Zu einer gemeinsamen Haltung rund um den Schadensfonds hatte sich die Gruppe nicht durchringen können - wohl auch wegen chinesischen Drucks auf einige Inselstaaten. Was die Minderung von Emissionen angeht, sind sie aber geschlossen. Nötig sei ein Ergebnis, das das "1,5-Grad-Ziel am Leben hält", heißt es in einer Erklärung der Koalition.

Das wiederum betrifft vor allem das Schlussdokument, es soll dem Klimaschutz neuen Schwung geben. Bisher sei das freilich noch nicht der Fall, klagt Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler. "Und ich bin nicht gekommen, um nur das zu wiederholen, was wir schon im letzten Jahr gesagt haben." Schließlich sei der Klimawandel auch nicht auf der Stelle getreten. "Es wird verhandelt wie wild", sagt Gewessler.

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