Computerspiel:Im Namen des Herrn

Bibeltreue sollen virtuell in Jesu Sandalen schlüpfen und Wunder vollbringen.

Von Matthias Drobinksi

Erst sieht man ihn, wie er durch die Wüstenlandschaft geht, langhaarig, vollbärtig, im roten Gewand. Und dann ist man: er. Die Hände, die da merkwürdig starr ins Bild ragen, sind die eigenen heilenden Hände. Schon kommt sie ins Bild gehumpelt, die alte, blinde Frau, ein kurzer Blick auf die Heilungsenergievorratsanzeige, die Hände leuchten, ein Strahl erfasst die Blinde, ihre Augen öffnen sich. Geschafft.

Du bist Jesus. Dein Auftrag: die Welt erlösen, virtuell. "Prüfe, ob du alle berühmten Wunder aus der Bibel wie Jesus Christus vollbringen kannst", schreiben die Entwickler der Firma Simula-M, "in diesem Simulationsspiel kannst du versuchen, die Welt so zu retten, wie er es getan hat." Das Spiel ist noch in Arbeit, auf der Plattform Steam ist bislang nur ein Trailer zu sehen. Doch weil Weihnachten naht, geht die Nachricht vom neuen Jesus-Computerspiel um die Welt, als hätten Engel sie verkündet. Selbst Donald Trumps Lieblingssender Fox News ist sie eine Geschichte wert.

Das Filmchen, das die Ankunft des Erlösungsspiels weissagt, zeigt einige der Aufgaben, die man als Jesus bewältigen muss: Fische aus einem Eimer springen lassen, um die Hungrigen zu speisen; übers Wasser gehen und den Sturm beruhigen, um die Jünger im Fischerboot zu retten; mit Dämonen kämpfen, die hier rothäutige, gehörnte Muskelprotze sind. Nach der Kreuzigung gilt es, mit der Strahlkraft der Hände den Stein vorm Grab wegzuschieben und wiederauferstanden gen Himmel zu fahren. Immer wieder blenden die Spielemacher Bibelstellen ein, um zu belegen, dass sie treu der Überlieferung folgen. Auch von der Software her ist das Spiel nicht neu: In einem anderen Simula-M-Spiel kann man in die Rolle eines Einbrechers schlüpfen, der die Alarmanlagen und Schlösser der Reichen und die Polizei überlisten muss. Auch hier ragen die Jesus-Hände in den Bildschirm, nur dass sie schwarz glänzende Handschuhe tragen und Einbruchswerkzeuge bedienen.

Wer war dieser Jesus? Seit seinem Tod vor 2000 Jahren haben ziemlich viele Menschen darüber nachgedacht, gestritten und höchst unterschiedliche Antworten gefunden: ein König, ein Revoluzzer, ein Hippie, ein Heiler. Der Jesus im Computerspiel ist ein Mann der Tat, der dem Dämon zwischen die Hörner haut, statt die Bergpredigt zu verkünden, der heilt, statt sich in verrätselten Gleichnissen zu ergehen. Die Energie fürs große Werk strömt zuverlässig durchs Wolkenloch herab, der Kreuzigungsszene fehlt jeder Schrecken, sie wirkt wie aus Monty Pythons "Leben des Brian" geklaut. Der Jesus der Computerwelt erinnert an das Heliand-Epos, das vor 1200 Jahren den Sachsen das Christentum nahebringen sollte: Auch dort war der Heiland ein starker Held, der wenig quatschte und das Böse mutig zum Zweikampf herausforderte.

Auf der Plattform Steam rangiert die Ankündigung des Jesus-Spiels allerdings ziemlich weit hinten; vorn in der Publikumsgunst stehen die Baller- und Kampfspiele. Bei aller Medienaufmerksamkeit: Es dürften nicht allzu viele sein, die, wird der virtuelle Jesus Realität, in seine Sandalen schlüpfen und täglich eine gute Tat spielen.

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