Comeback von Newt Gingrich:Feind seiner selbst

Wie ein Jojo: Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner galt Newt Gingrich bereits als abgeschrieben, doch nun siegt er überlegen bei der Vorwahl in South Carolina. Kaum ein Politiker feierte so viele Comebacks wie der Rechtsaußen - doch immer wieder wurde er zum Opfer seines übergroßen Egos.

Reymer Klüver und Christian Wernicke, Washington

In der Stunde seines Triumphs klingt Newt Gingrich ungewohnt bescheiden - wenn man nicht so genau hinhört. Am Samstagabend, als klar wird, dass ihm, mal wieder, ein Comeback in großem Stil gelungen ist und er die im republikanischen Präsidentschaftsrennen so wichtige Vorwahl in South Carolina gewonnen hat, tritt er, anders als sonst bei seinen Veranstaltungen, ohne Fanfare in den mächtigen Ballsaal des Hilton Hotels in Columbia, der Hauptstadt des Bundesstaats.

Arbeitet sich durch die dichtgedrängten Ränge seiner euphorisierten Anhänger zum Mikrofon vor und sagt, was man sagen muss in so einem Moment. Dies, ruft er in den Jubel, sei eine "demütigende Erfahrung". Wahrhaft "ernüchternd" sei es zu sehen, "dass so viele Menschen aus tiefstem Herzen danach verlangen, ihr Land wieder auf den richtigen Kurs zu bringen".

Da muss er gar nicht hinzufügen, dass er sich für den einzigen hält, der Amerika wieder auf die Beine bringen kann. Er, der noch Ende der neunziger Jahre der unbeliebteste Politiker des Landes war. Er, der seit einem Jahrzehnt seine politischen Verbindungen vor allem zur Mehrung seines eigenen Vermögens eingesetzt hat. Er, Newt Gingrich, empfindet das Wahlergebnis von South Carolina eindeutig als persönliche Bestätigung.

Noch vor einer Woche hatte alles ganz anders ausgesehen. Da galt Mitt Romney, Sieger der Vorwahl in New Hampshire, als haushoher Favorit. Newt Gingrich war abgeschrieben. Wie ein Jojo war Gingrich in den Umfragen vor den Primaries und nun auch bei den ersten Wahlen auf und ab gegangen: Blamabel waren seine vierten Plätze in Iowa und New Hampshire. Doch jetzt ist er obenauf.

Gingrich ist 68 und seit Mitte der siebziger Jahre in der Politik. Und wenn es eines in seiner langen Karriere nicht gibt, dann ist es Konstanz. Nicht zuletzt deshalb schleppt er mehr Sperrgepäck aus seinem politischen und privaten Leben herum als seine Konkurrenten.

Sprunghafter Führungsstil

Newt Gingrich ist zum dritten Mal verheiratet, und bei den beiden Scheidungen hat er sich offenkundig nicht als der überlegene Kopf gebärdet, als der sich der einstige Geschichtsdozent und selbsternannte Vordenker seiner Partei in der politischen Diskussion so gerne gibt. Erst zwei Tage vor der Primary in South Carolina hat seine zweite Ex-Frau in Interviews über sein Verhalten geklagt. Und seine erste Frau hat er zur Scheidung am Krankenbett gedrängt, als sie wegen eines Tumors im Hospital lag.

Politisch war er ein Architekt des großen republikanischen Wahlsiegs Mitte der neunziger Jahre, als seine Partei erstmals seit Dekaden wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus eroberte. Seine Parteifreunde machten ihn zu ihrem Vormann im Kongress. Mit einem sprunghaften Führungsstil und vor allem einer egomanischen Überheblichkeit aber brachte er alle gegen sich auf. Nach vier Jahren jagten sie ihn als Sprecher des Repräsentantenhauses davon.

In diesem Präsidentschaftswahlkampf wiederholte sich die Geschichte unter anderen Vorzeichen: Im Sommer verließen ihn fast alle Berater, weil sie seinen unsteten Führungsstil nicht mehr ertrugen.

Doch hat Gingrich sich von solchen Abstürzen stets erholt. Nach dem Ende seiner Karriere im Kongress hat er als Berater, Redner und Autor Millionen gemacht und schon einmal Positionen eingenommen, die der Orthodoxie seiner Partei widersprachen. Er hat sich für Klimaschutz eingesetzt. Er fand eine Gesundheitsreform eine Zeit lang gar nicht so übel. Er hat bei der halbstaatlichen Hypothekenbank Freddie Mac kräftig abkassiert, obwohl die Republikaner sie abschaffen wollen. Er hat sich mittlerweile von all dem distanziert, wie immer mit mächtigen Worten. Als seinen "größten Fehler" etwa bezeichnete er sein Eintreten für ein Klimaschutzgesetz.

Kaltblütige Attacke

Romneys Leute haben das nicht vergessen. In Iowa hatten sie Gingrichs Fehltritte den Wählern in Wahlspots mit Erfolg eingehämmert. Sie werden das in Florida zu wiederholen versuchen, wo Anfang kommender Woche die nächste Vorwahl stattfindet.

Newt Gingrich

Immer mehr Republikaner scheinen mittlerweile überzeugt zu sein: Wer so gnadenlos mit seinen Parteifreunden umspringt, der kann auch gegen Obama bestehen.

(Foto: AP)

Gingrich hat bisher nicht das Geld, um zu kontern. Und er verfügt nicht über die Organisation, die Wahlkampfbüros wie sein Konkurrent. Sein Büro in Orlando zum Beispiel, der drittgrößten Metropole in Florida, hat er erst vor zehn Tagen eröffnet.

Romneys Leute sind schon seit Monaten quer durch den so wichtigen Vorwahlstaat unterwegs. Gingrich aber, stets improvisierend, aus der Situation lebend, geradezu mit Lust auf die neue Herausforderung reagierend, setzt nun ohne Zweifel auf das, was ihm vor den Primarys schon so geholfen hatte, als seine Kandidatur eine Zeit lang völlig aussichtslos erschien, und nun wieder in South Carolina: auf seine Debattenauftritte. Zwei Drittel aller Wähler gaben an, dass sie das entscheidende Kriterium für ihre Stimmabgabe waren.

Offenkundig war es Gingrichs aggressives Auftreten, die kaltblütige Attacke auf seinen Konkurrenten Romney, was am Ende die Menschen für ihn eingenommen hat. Einer wie er, der mit ein, zwei Sätzen, so scharf wie Säbelhiebe, seinen größten Rivalen ins Stottern bringt, der so gnadenlos mit seinen Konkurrenten umspringt, hat das Zeug, gegen den Präsidenten zu bestehen - so dürfte ihre Überlegung gewesen sein.

Warum Millionär Romney nicht seine Steuererklärung jetzt veröffentliche, wenn er doch nichts zu verbergen habe, hatte Gingrich in der TV-Debatte süffisant gefragt, und nicht erst im April, wenn die wichtigsten Vorwahlen schon gelaufen seien. Darauf hatte Romney keine Antwort parat. Und die Leute mögen nicht, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass einer etwas zu verbergen hat.

Damit hat Newt Gingrich den bisherigen Favoriten nicht nur in der Debatte ins Schlingern gebracht, sondern auch dessen Strategie in Frage gestellt. Die republikanischen Wähler sind im tiefsten Herzen nicht von Romney überzeugt: zu glatt wirkt er, zu wenig fassbar.

Kombination von Intelligenz und Durchsetzungskraft

Sie nehmen ihm nicht ab, dass er der in der Wolle gefärbte Konservative ist, als der er sich immer gibt. Daran bestehen nach den ersten drei Vorwahlen, die drei unterschiedliche Sieger hervorbrachten, nun keine Zweifel mehr. Aber gezogen hat bisher immer sein Argument, dass er derjenige unter allen Kandidaten sei, der am ehesten gegen den verhassten Präsidenten bestehen könne.

Das hat sich in South Carolina zum ersten Mal verändert: Unter den 45 Prozent der Republikaner, für die das entscheidende Kriterium bei ihrer Stimmabgabe war, dass ihr Kandidat im Herbst auch eine Chance gegen Barack Obama hätte, hat nun erstmals Gingrich die Nase vorn. Mit anderen Worten: Sie trauen auf einmal diesem großmäuligen Rabauken zu, es mit dem Präsidenten aufzunehmen als dem stets abwägenden, so offenkundig berechnenden Manager Romney.

Für den konservativen Politberater Pete Wehner, der Gingrich schon seit 20 Jahren kennt, kommt das nicht überraschend. Gingrich zeichne "eine Kombination von Intelligenz und Ehrgeiz, von Durchsetzungskraft und Ego" aus, urteilt er. "Er will etwas, und er will es mit aller Macht. Und dafür ist er bereit alle Konventionen über den Haufen zu werfen."

Letzteres könnte auch sein Problem sein. Immer wieder hat Newt Gingrich Fehler gemacht - als Sprecher im Kongress und auch im Wahlkampf. Und zwar immer dann, wenn er ganz obenauf zu sein schien. Newt Gingrichs größter Feind, so sagen nicht nur seine Gegner, war immer er selbst.

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