Comeback der Lega Nord:Renzi droht Gefahr von rechts

Comeback der Lega Nord: Ein versierter Populist: Lega-Nord-Chef Matteo Salvini auf einer Demonstration von Rechten in Mailand. Auf seinem T-Shirt: "Stoppt die Invasion".

Ein versierter Populist: Lega-Nord-Chef Matteo Salvini auf einer Demonstration von Rechten in Mailand. Auf seinem T-Shirt: "Stoppt die Invasion".

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Seit mehr als drei Jahren steckt Italien in der Rezession, selbst der hemdsärmelige Premier Matteo Renzi hat bisher die Wende nicht geschafft. Nun wird der Chef der rechten Lega Nord sein rabiater Herausforderer.

Von Stefan Ulrich

Alle blicken auf Matteo. Das gilt in Italien für die regierende Linke und für die oppositionelle Rechte. Während der sozialdemokratische Premier Matteo Renzi versucht, sein Land zu reformieren, macht sich der Parteichef der Lega Nord, Matteo Salvini, daran, die Rechte unter seiner Führung zu vereinen.

Dabei kommt der rabiate 41 Jahre alte Mailänder erstaunlich gut voran. Lag seine Lega Nord vor einem Jahr in Umfragen noch bei zwei Prozent, werden ihr jetzt schon bis zu zwölf Prozent der Wählerstimmen prophezeit, Tendenz steigend. Damit rückt Salvinis Lega der bislang wichtigsten Partei im rechten Spektrum nahe - der Forza Italia Silvio Berlusconis.

Bei der Regionalwahl am Sonntag in der Emilia-Romagna könnte die Lega erstmals Forza Italia überholen und den Führungswechsel einleiten. Das Vorbild des Europaabgeordneten Salvini ist der rechtsradikale Front National in Frankreich. Mit ihm will er eine stramme europäische Rechte aufbauen und den Euro sturmreif schießen.

Landauf, landab kündigt Salvini an, er werde seine bisher auf Norditalien ausgerichtete Lega Nord zu einer landesweiten Bewegung ausweiten und Berlusconi als Anführer der italienischen Rechten ablösen. Danach möchte Matteo Salvini seinen Namensvetter Matteo Renzi herausfordern. Auf die Frage, ob er das Premiersamt anstrebe, sagte der Lega-Chef diese Woche: "Das möchte ich nicht bestreiten." Italiens Rechte könne, von ihm geeint, durchaus 51 Prozent der Stimmen holen.

Als der hemdsärmelige Polit-Aufsteiger aus einer kleinbürgerlichen Mailänder Familie im Dezember 2013 Parteiführer wurde, hätte man über solche Sprüche gelacht. Damals lag die mal separatistisch, mal autonomistisch auftretende Lega Nord am Boden, obwohl etliche ihrer Lokalpolitiker im Norden durchaus ordentliche Arbeit machten. Doch die Zeiten, da sie unter ihrem Gründer Umberto Bossi als Partner Berlusconis Italien mitregierte, waren vorbei.

Populistische Parolen, dreiste Aktionen

Stattdessen musste die Lega mit Korruptionsskandalen kämpfen, in die Bossis Familie tief verstrickt war. Die Wähler liefen in Scharen davon - und der junge Salvini deklassierte den alten Bossi bei der Abstimmung über den Parteivorsitz. Seitdem ging es mit der Lega so steil bergauf, dass sie nun die Machtfrage im rechten Lager stellt.

Drei Dinge erklären die Renaissance der Lega: ihr neuer Anführer, die Themen der Zeit und ein Loch in der politischen Landschaft. Salvini, der mit 17 Jahren zur Lega stieß, hat früh gelernt, dass er mit populistischen Parolen und dreisten Aktionen Schlagzeilen machen und Ressentiments bedienen konnte.

Mal forderte er eigene Waggons in der Mailänder Metro für Frauen, um sie vor "Frechheiten" von Ausländern zu schützen; mal verweigerte er dem Staatspräsidenten im Mailänder Stadtrat den Handschlag, weil er sich von ihm nicht repräsentiert fühle; mal schmiss er ein Ei auf den damaligen Ministerpräsidenten Massimo D'Alema.

Freie Bahn für Populist Salvini

Als Parteichef bleibt "der andere Matteo", wie er genannt wird, seinem Stil treu. Er vergleicht die EU mit der Sowjetunion, agitiert vor einem Roma-Lager, lobt Russland, weil dort keine illegal eingereisten Einwanderer lebten, will mit Putin den Islamismus bekämpfen und behauptet, nur weil es seine Lega gebe, übten die Italiener noch keine Selbstjustiz.

Comeback der Lega Nord: Lob für Russland, Zorn auf Europa: Sympathisanten der Lega Nord schwenken auf einem Protestmarsch in Mailand rot durchkreuzte Europafahnen.

Lob für Russland, Zorn auf Europa: Sympathisanten der Lega Nord schwenken auf einem Protestmarsch in Mailand rot durchkreuzte Europafahnen.

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Einige Ex-Bürgermeister von Rom will er, wegen deren Fehlern, "auf eine von Haien umschwommene verlassene Insel im Pazifik" verbannen. Und statt des Euro möchte er eine Währung für Mittelmeerländer einführen, um "Deutschland und dessen Satelliten zu widerstehen". Außerdem verheißt Salvini drastische Steuersenkungen.

Einwanderung, Überfremdungsängste, Wirtschaftskrise, Euro und Frust über etablierte Politiker - das sind die Themen, bei denen ein versierter Populist wie Salvini in Krisenzeiten punkten kann. Und dann hat er auch noch freie Bahn.

Berlusconi? Laut Salvini ein Mann von gestern

Die italienische Rechte ist seit dem Ende Berlusconis als Premier im Jahr 2011 geschwächt. Forza Italia, dümpelt in Umfragen nur noch bei 14 Prozent der Stimmen vor sich hin. Gianfranco Fini, früher ein starker Mann der Nationalkonservativen und bis 2013 Präsident des Abgeordnetenhauses, erzielte mit seiner Partei Futuro e Libertà bei der Parlamentswahl 2013 nur knapp 0,5 Prozent der Stimmen und verlor seinen Sitz.

Die Rechtspartei Fratelli d'Italia und die christdemokratische UDC sind unbedeutende Kleinparteien. Die Forza-Italia-Abspaltung Nuovo Centrodestra ist ebenfalls mickrig und koaliert mit Renzis Sozialdemokraten. Auch Berlusconi paktiert punktuell mit dem linken Matteo.

Für den rechten Matteo bleibt daher viel Raum. Diesen will er für eine Übernahme der anderen Rechtsparteien unter seiner Führung nutzen - sei es freundlich oder feindlich. Gemeinsam könne man die Linke schlagen, sagt er. Und wer ihm vorhält, Führer der Rechten sei doch Berlusconi, dem gibt er zu verstehen, der Ex-Cavaliere sei ein Mann von gestern.

Um sein Wählerreservoir zu erweitern, greift Salvini weit über die Stammlande der Lega im Norden - von ihr "Padanien" genannt - hinaus. Er will künftig auch in allen Regionen des Südens mit eigenen Listen antreten. "Lega dei Popoli" oder "Lista Salvini" könne diese Bewegung heißen.

Rhetorisch geschickt nimmt er der Lega das Image der Regionalpartei, um sie in eine rechtsnationale Partei umzuwandeln, die Italiener im ganzen Land ansprechen kann. Statt gegen "Roma ladrona", das "räuberische Rom", hetzt die Lega nun gegen das "Regime" in Brüssel. Dabei hat sie es auf Nichtwähler abgesehen, auf enttäuschte Anhänger der 5-Sterne-Bewegung des Beppe Grillo und auf Leute, die sich von Forza Italia abwenden. Berlusconis Versuche, dagegen anzugehen und selbst wieder Herr im rechten Haus zu werden, wirken da eher verzagt und erratisch.

Salvini dröhnt bereits: "Wir legen Renzi ad acta." Womöglich wird das nächste Duell um Italien tatsächlich Matteo gegen Matteo heißen.

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