Süddeutsche Zeitung

"Colonia Dignidad":Deutscher Sektenarzt muss nicht ins Gefängnis

  • In der Siedlung der Sekte "Colonia Dignidad" in Chile wurden während der Pinochet-Diktatur jahrzehntelang Menschen gefoltert, missbraucht und getötet.
  • Sektengründer Paul Schäfer war in Chile wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden, er starb im Gefängnis.
  • Der Arzt Hartmut Hopp war ein Führungsmitglied der Kolonie; ihm könne der Tatbestand der Beihilfe aber nicht nachgewiesen werden, hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht entschieden.

Der frühere Arzt der berüchtigten Sekte "Colonia Dignidad" in Chile, Hartmut Hopp, muss nicht ins Gefängnis. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht teilte mit, das in dem Urteil der chilenischen Justiz dargestellte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar (AZ: III-3 AR 158/17). Die Entscheidung sei abschließend, weitere Rechtsmittel gebe es nicht.

Hopp war 2011 in Chile wegen der Unterstützung des Gründers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, bei der Vergewaltigung und dem sexuellen Missbrauch zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nach dem Urteil setzte er sich nach Deutschland ab. Weil er nicht nach Chile ausgeliefert werden darf, hatte die dortige Justiz beantragt, dass er die Strafe in Deutschland verbüßt.

Das Oberlandesgericht entschied nun jedoch, dass der Umstand, dass Hopp als Führungsmitglied der Kolonie das System stützte und das dortige Internat mitgründete, nicht ausreiche, um eine Beihilfe zu den Taten des Sektengründers Paul Schäfer zu begründen. Die chilenischen Gerichte hätten keine konkreten Handlungen Hopps belegt, durch die Schäfer der Zugriff auf die Kinder ermöglicht oder erleichtert worden wäre, hieß es weiter.

Hartmut Hopp leitete das berüchtigte Krankenhaus der Kolonie, die heute Villa Baviera heißt. Der Laienprediger Paul Schäfer hatte die Sekte "Colonia Dignidad" gegründet und war mit seinen Anhängern in den Sechzigerjahren aus dem Rheinland in die Anden ausgewandert, um dort einen Staat im Staate aufzubauen.

Jahrzehntelang wurden dort während der chilenischen Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) Menschen vergewaltigt, gequält, versklavt und ermordet - betroffen waren Regimegegner, aber auch Kinder. Außerdem wurden dort Waffen und Giftgas produziert. Schäfer wurde 2006 wegen Kindesmissbrauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb 2010 in einem Gefängnis in Santiago.

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