Ex-Anwalt Cohen im Kongress:"Ich bin nicht länger Ihr Ausputzer, Mister Trump"

  • Im Kongress rechnet Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen mit dem Präsidenten ab.
  • Cohen konkretisiert insbesondere die Vorwürfe zu WikiLeaks und den Schweigegeldzahlungen an Frauen, die offenbar Sex mit Trump hatten.
  • Die Republikaner greifen die Glaubwürdigkeit Cohens an, der den Kongress schon einmal belogen hat.

Von Beate Wild, Austin

Es war ein inszeniertes Drama, wie es selbst Washington nicht alle Tage erlebt. CNN begann schon 24 Stunden vorher, einen Countdown einzublenden. Wenn Donald Trumps langjähriger Anwalt Michael Cohen öffentlich vor dem Kongress aussagt, riecht es nach Brisanz. Und auch ein bisschen nach Seifenoper aus dem dubiosen New Yorker Immobilien-Milieu.

Was Cohen dann ablieferte, war nicht weniger als eine Mischung aus explosiven Anschuldigungen und öffentlicher Abrechnung. Der 52-Jährige nannte den US-Präsidenten vor dem Aufsichtsausschuss einen "Rassisten", "Hochstapler" und "Betrüger". Und zog sich damit, wie schon allein mit seiner Anwesenheit, den Zorn der republikanischen Abgeordneten zu. Cohen attackierte Trump, die Konservativen attackierten ihrerseits Cohen, um Trump zu verteidigen.

Die Frage der Glaubwürdigkeit ist schon gerichtlich zu Cohens Ungunsten entschieden worden: Er muss ab Mai für drei Jahre ins Gefängnis. Cohen gestand vor Gericht, den Geheimdienstausschuss des Kongresses belogen zu haben, als der wegen russischer Wahlkampfmanipulation ermittelte. Er bekannte sich zudem der illegalen Wahlkampfhilfe, des Bankbetruges und der Steuerhinterziehung für schuldig. Außerdem hat Cohen unter falschen Voraussetzungen Kredite aufgenommen.

"Der Star-Zeuge vor diesem Komitee ist ein Mann, der bald ins Gefängnis geht, weil er den Kongress angelogen hat", rief etwa ein aufgebrachter Mark Green, republikanischer Abgeordneter aus Tennessee.

"Ich musste nicht für Trump arbeiten, ich wollte es. Und ich habe alles verloren."

Marc Meadows, Abgeordneter aus North Carolina und einer der vehementesten Verteidiger Trumps, ging am stärksten auf Konfrontationskurs. Schwarze würden ihn nie wählen, weil sie zu dumm seien, hatte Cohen zuvor Trump zitiert und den US-Präsidenten als Rassisten bezeichnet. "Haben Sie Beweise? Tonbandaufnahmen? Sie haben doch sonst immer alles aufgenommen!", schleuderte er Cohen an den Kopf. Einige heimlich aufgezeichnete Tonbandaufnahmen mit Trump hatte Cohen bereits früher veröffentlicht.

Doch damit war die Inszenierung nicht zu Ende: Trump könne kein Rassist sein, so Meadows, weil schließlich Lynne Patton, eine schwarze Veranstaltungsplanerin, für die Trump-Regierung arbeite. Und wirklich stand Patton in diesem Moment hinter dem Abgeordneten. Sie hätte doch längst gekündigt, wenn Trump ein Rassist sei, argumentierte Meadows, sichtlich aufgebracht. Cohens Konter: Er selbst sei der Sohn eines Holocaust-Überlebenden und habe schließlich auch nicht gekündigt.

Dass es auch um Charakterfragen gehen würde, war abzusehen, galt der Auftritt doch auch als Cohens Versuch, sich vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. "Ich habe genau diese Dummheiten gemacht, die Sie jetzt tun", sagte er an die Republikaner gewandt. "Ich habe Trump zehn Jahre lang verteidigt. Ich musste nicht für Trump arbeiten, ich wollte es. Und ich habe alles verloren. Ich habe einen großen Preis dafür bezahlt."

Cohen, der Trump vor dem Bruch stets verteidigt hatte und über viele Jahre als sein "Fixer" - also sein geschäftlicher Ausputzer - galt, warnte nun vor dem Präsidenten. "Wenn er sagt, er könnte auf der Fifth Avenue jemanden erschießen und es würde ihm nicht schaden, dann macht er keine Scherze. Sie kennen ihn nicht, aber ich kenne ihn." Er selbst habe in ungefähr 500 Fällen Menschen oder Organisationen auf Trumps Anweisung eingeschüchtert. Nun sei er selber eingeschüchtert worden, von Trump ("Ratte") und anderen Republikanern. "Und er hat 16 Millionen Follower hinter sich", so der Anwalt in Anspielung auf die Twitter-Gefolgschaft des Präsidenten.

Schweigegeldzahlungen und WikiLeaks

Zwei Vorwürfe konkretisierte der Ex-Anwalt in der Anhörung: Zum einen habe Trump gegen die Gesetze der Wahlkampffinanzierung verstoßen, weil er eine Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels angeordnet hatte. Als Beweis brachte Cohen die Kopie eines Schecks über 35 000 Dollar mit, den Trump ihm am 1. August 2017 ausgestellt hatte, also nach seiner Amtsübernahme. Damit habe er ihn für die geleisteten Zahlungen an Daniels entschädigen wollen.

Zum anderen habe Trump während des Wahlkampfes bereits früh gewusst, dass WikiLeaks vorhatte, die seiner Gegnerin Hillary Clinton gestohlenen E-Mails zu veröffentlichen. "Im Juli 2016, Tage vor dem Kongress der Demokraten, war ich in Trumps Büro als seine Sekretärin einen Anruf von Roger Stone (Trumps damaliger Berater; Anm. d. Red.) ankündigte", sagte Cohen. "Mr. Stone erzählte Trump, dass er gerade mit Julian Assange telefoniert hatte und dass Assange ihm gesagt habe, dass sie innerhalb weniger Tage eine massive E-Mail-Flut veröffentlichen würden, die Hillary Clintons Wahlkampf schade." Trump habe darauf geantwortet: "Wäre das nicht großartig?" Zudem gehe er davon aus, dass Trump auch vom berühmten Treffen mit kremlnahen Figuren im Trump Tower gewusst habe.

Auf Fragen nach möglicher Anstiftung zur Falschaussage äußerte sich Cohen unterschiedlich. "Das war nicht, wie er agierte", sagte Cohen. Er habe, beispielsweise in Bezug auf Geschäftsverhandlungen wegen des geplanten Trump Towers in Moskau ihm in die Augen geschaut und gesagt: "Es gibt kein Geschäft mit Russland."

An einer anderen Stelle sagte er aus, Trump habe ihn im Februar 2018 angerufen und aufgefordert, über seine Beteiligung und Wissen um die Zahlungen an Daniels zu lügen. Dies dürften die Demokraten als größte Erkenntnis aus der Anhörung mitnehmen und in die parteiinterne Debatte über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren einfließen lassen.

Und dann ging es auch noch um Cohens Motive für dessen Angriffe auf Trumps Charakter. Ob der Ex-Anwalt wohl verbittert sei, weil er keinen Job im Weißen Haus bekommen habe, fragte Jim Jordan, Abgeordneter aus Ohio. Cohen widersprach, er habe sich nie einen Job in der neuen Regierung gewünscht. Woraufhin Trump-Sohn Eric twitterte, Cohen habe unbedingt Stabschef werden wollen. "Hat er gerade schon wieder einen Meineid abgelegt?", schrieb er.

Kopfschütteln bei Cohen

Trump, der derzeit in Vietnam für das mittlerweile beendete Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un weilt, hat bislang noch nicht auf die Aussage reagiert. Allerdings dürfte ihn vor allem die Aussage Cohens reizen, Trump sei ein Hochstapler. "Wenn ich sage Hochstapler, dann rede ich von einem Mann, der sich selbst als brillant bezeichnet, aber mich angewiesen hat, seine Highschool, seine Kollegen und die Schulbehörde zu bedrohen, damit sie niemals seine Noten öffentlich machen", erzählte Cohen. Trump habe zudem immer mit seinem Vermögen übertrieben, um auf die Liste der reichsten Amerikaner zu kommen.

Wie schmutzig die Angelegenheit werden würde, hatte sich bereits am Tag vor dem Auftritt des Anwalts angedeutet. Matt Gaetz, ein republikanischer Abgeordneter aus Florida, hatte Cohen auf Twitter bedroht. "Hey @MichaelCohen212 - Wissen deine Ehefrau und dein Schwiegervater von deinen Freundinnen?", twitterte er. "Vielleicht wäre es heute Nacht eine gute Zeit zum Reden. Ich frage mich, ob sie dir treu bleiben wird, wenn du im Gefängnis bist. Sie wird viel über dich erfahren ..." Später löschte Gaetz den Tweet und entschuldigte sich. Die Demokraten sagten, dass seine Aussagen einer Zeugeneinschüchterung gleichkommen.

Im Ausschuss ließ sich Cohen von den oft in großer Lautstärke vorgetragenen Verbalattacken der Republikaner nur selten zu emotionalen Reaktionen hinreißen. Hin und wieder schüttelte er ungläubig den Kopf - und betonte, nichts mehr mit Trump zu tun haben zu wollen. "Ich habe Dinge geregelt, aber ich bin nicht länger Ihr Ausputzer, Mister Trump."

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Michael Cohen

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