Süddeutsche Zeitung

CNN-Diskussion:Obama verteidigt "maßvolle" Waffenkontrolle

Der US-Präsident muss sich kritische Publikumsfragen zur Regulierung von Waffenkäufen gefallen lassen - und ärgert sich über "Verschwörungstheorien".

Von Johannes Kuhn, New Orleans

"Change" war einst Barack Obamas Leitmotiv, doch an diesem Abend wirbt er nur für ein kleines bisschen Veränderung. "Wir versuchen, maßvoll zu handeln", rechtfertigt sich der US-Präsident vor dem Publikum an der George Mason University in einem Vorort von Washington. "Und die Reaktion ist, dass wir angeblich allen die Waffen wegnehmen wollen." Eine "Verschwörungstheorie" sei das, schimpft er später.

Kurz vor dem Beginn seines letzten Amtsjahres hat Obama Amerikas tödlichste Epidemie auf die Tagesordnung gesetzt, den Missbrauch von Schusswaffen. Am Dienstag ordnete er an, dass sich künftig alle Waffenverkäufer eine Lizenz besorgen und damit auch Hintergrundprüfungen der Interessenten durchführen müssen. Für die Durchsetzung wird er bei der Waffenkontrollbehörde ATF und dem FBI 200 beziehungsweise 230 Stellen schaffen.

Obama will die Debatte nicht abreißen lassen und auch dem scharfen Gegenwind aus dem konservativen Lager im Präsidentschaftswahlkampf entgegentreten. Zur besten Sendezeit stellt er sich deshalb nun auf CNN den Fragen des Moderators Anderson Cooper und der anwesenden (und vom TV-Sender ausgesuchten) Zuschauer.

"Ich respektiere das Recht, Waffen zu tragen"

Er habe noch nie eine Waffe besessen, sagt Obama zu Beginn, betont aber: "Ich respektiere das Recht, Waffen zu tragen." Das ist im zweiten Zusatzartikel der Verfassung festgeschrieben. Aber es dürfe nicht sein, dass die USA jedes Jahr 30 000 Menschenleben durch Schusswaffen verliere (zwei Drittel davon sind Suizide). Man wolle deshalb Schlupflöcher schließen, durch die sich beispielsweise Vorbestrafte auf Waffen-Messen ohne Prüfung eindecken könnten.

Doch in der amerikanischen Waffen-Debatte geht es nicht um Schlupflöcher, sondern um Grundsätzliches. Die Waffenlobby NRA hatte eine Teilnahme an dem "PR-Spektakel des Weißen Hauses" abgelehnt (den Abend dann aber per Twitter kommentiert). Dennoch gibt es an diesem Abend genügend kritische Fragen zum Kurs des Präsidenten.

Kimberly Corban wurde mit 21 Jahren vergewaltigt und ist eine prominente Waffen-Befürworterin. "Diese Einschränkungen machen es schwieriger für mich, eine Waffe zu besitzen", sagt sie, "sie machen es schwieriger, mich und meine Kinder zu verteidigen." Obama entgegnet, dass man es rechtschaffenden Menschen natürlich nicht schwerer machen werde, eine Waffe zu ihrem Schutz zu kaufen. Aber man wolle mit den Hintergrundprüfungen es Angreifern schwieriger machen, eine Waffe zu besitzen.

Hätten die neuen Regelungen denn die jüngsten Amokläufe verhindert, fragt ein republikanischer Sheriff aus Arizona. "Nur weil wir nicht jedes Verbrechen verhindern können, sollten wir nicht versuchen, gar keine Verbrechen zu verhindern", entgegnet Obama.

Andere Redner fordern Obama auf, noch weiter zu gehen. Ein Pastor fragt: Warum müsse jedes Auto auf einen Eigentümer registriert sein, nicht aber jede Waffe? Genau solche Register sind kaum durchsetzbar - schon die moderaten Vorschläge der aktuellen Regierung haben die Panik-Waffenkäufe in die Höhe getrieben.

Obama selbst bringt technische Lösungen ins Spiel, die Schusswaffen nur durch den Besitzer aktivierbar machen und so zumindest Unfälle verhindern und Diebstahl schwerer machen könnten. So etwas könne es schon längst geben, wären da nicht die NRA und ihre Handlanger im Kongress, klagt er.

"Die meisten von uns denken Minute für Minute"

Es ist keine großartige Diskussion, aber eine sachliche, die Einblicke jenseits von Statistiken liefert. Der schwarze Teenager Tre Bosley kommt zu Wort, dessen Bruder auf dem Parkplatz einer Kirche in Chicago erschossen wurde. Er habe viele Freunde und Familienmitglieder durch Waffen verloren, erzählt er. "Die meisten von uns denken nicht an eine langfristige Lebensperspektive, die meisten von uns denken Tag für Tag, Minute für Minute." Das ist die Realität in den schwarzen Armenvierteln amerikanischer Großstädte.

Wenn es nachhaltige Veränderungen geben sollte, dann liegen diese höchstens irgendwo in der Zukunft. Eine Stunde vor der Sendung war ein Gastbeitrag des Präsidenten in der New York Times online gegangen, in dem er erklärt, keinen Nachfolgekandidaten zu unterstützen, der nicht eine Reform der Schusswaffengesetze befürworte. Was alle republikanischen Anwärter naturgemäß ausschließt. Die erheben das Thema im Wahlkampf zur Entscheidung zwischen Bürgerrechten und Staatsgängelung und haben angekündigt, die Erlasse im Fall eines Sieges zurückzunehmen.

Ebenfalls vor der Sendung veröffentlichte CNN eine Umfrage, wonach zwei Drittel der US-Bürger die angekündigten Maßnahmen des Präsidenten unterstützen. Jedoch glaubt nur jeder Dritte, dass sie helfen werden, die Morde durch Waffen einzudämmen. Es ist eine realistische Einschätzung, was ein US-Präsident ohne Unterstützung im Kongress in dieser Frage erreichen kann.

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