Clement verlässt Partei:"Austreten aus der SPD - das tut man nicht"

Prominente Sozialdemokraten zeigen sich enttäuscht über Clements Parteiaustritt und halten ihm ein Türchen zur Rückkehr offen. Manch anderem Genossen kommt der Schritt zu spät.

Oliver Das Gupta und Elmar Jung

Wolfgang Clement ist aus der Partei ausgetreten - zum Bedauern vieler Genossen. Parteichef Franz Müntefering sagte: "Es ist schade, dass er nicht weiter in der Partei mitarbeiten will". Clement hatte dem Vorsitzenden seinen Austritt in einem Brief bekannt gegeben, der inzwischen auch den Medien im Wortlaut vorliegt.

Clement verlässt Partei: Wolfgang Clement will sein Parteibuch zurückgeben. Viele Genossen bedauern den Schritt des ehemaligen Wirtschaftsministers.

Wolfgang Clement will sein Parteibuch zurückgeben. Viele Genossen bedauern den Schritt des ehemaligen Wirtschaftsministers.

(Foto: Foto: dpa)

Bevor die Öffentlichkeit informiert wurde, kam es noch einmal zu einem letzten Telefonat zwischen Müntefering und Clement. Der ehemalige SPD-Vize habe ihm seine Entscheidung am Morgen dabei "noch einmal ausdrücklich und definitiv bestätigt", sagte Müntefering.

Nach der "vermittelnden Entscheidung der Bundesschiedskommission" vom Montag wäre für den früheren Bundesministers für Wirtschaft und Soziales und einstigen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten "Platz" in der SPD gewesen. "Aber nun wird es auch so gehen", sagte Müntefering. Die Entscheidung Clements schmälere nicht dessen "Verdienste in der Vergangenheit um eine zeitgemäße Politik im Sinne der sozialdemokratischen Idee".

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erklärte zur Causa Clement: "Ich bin enttäuscht, dass es trotzdem zur heutigen Entscheidung gekommen ist". Man habe versucht, dem Ex-Minister Brücken zu bauen, so der Außenminister. In der SPD gebe es weiterhin "auch Platz für Leute, die das offene Wort pflegen". Weiter sagte der SPD-Vize über seinen ehemaligen Kabinettskollegen: "Er hat in seiner politischen Arbeit viel für die SPD getan. Das bleibt."

"Kindergarten" und "Kurzschlusshandlung"

Als "persönliche Entscheidung" bezeichnete SPD-Generalsekretär Hubertus Heil Clements Austritt. Viele in der Partei hätten sich bemüht, Clement für ein Verbleiben Brücken zu bauen. Nach Heils Worten ist in der SPD auch weiter Platz für die von Clement vertretenen inhaltlichen Positionen.

Die konservativen Sozialdemokraten, zu denen auch Clement gerechnet wird, zeigten sich enttäuscht. Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, erklärte, er könne Clements Austrittsgründe nicht nachvollziehen.

Im Gespräch mit sueddeutsche.de nannte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Clements Kritik an der gegen ihn ausgesprochenen Rüge "Kindergarten". Die Rüge sei "okay" gewesen. Schließlich "sagt man bestimmte Dinge als Parteifreund im Wahlkampf einfach nicht."

Kahrs erzählte mit Blick auf Clement von der Maxime des eigenen Großvaters, die dieser ihm mit auf den Weg gegeben habe: "Man tritt in die SPD ein, man ärgert sich auch mal, aber: Austreten aus der SPD - das tut man nicht". Am Lebensende "stirbt man mit dem Parteibuch."

Der Austritt kam selbst für jene überraschend, die ihm in der SPD bis zuletzt nahe standen. "Das hat sich in keiner Weise angekündigt", sagte der andere Sprecher des Seeheimer Kreises, Klaas Hübner. "Damit habe ich nicht gerechnet."

Im Gespräch mit sueddeutsche.de nannte er Clements Entschluss "bedauerlich", da er sich "große Verdienste um die Sozialdemokratie" erworben habe. Dennoch respektiere er die Entscheidung.

Hübner macht jedoch keinen Hehl daraus, dass bei ihm auch "persönliche Enttäuschung" mitschwingt. Schließlich hätten sich in der SPD viele bis zuletzt für Clement eingesetzt. Die Schiedskommission habe zudem einen klugen Spruch gefällt und Clement die Hand gereicht. "Er hat sie nicht ergriffen. Das ist schade."

Ihr Bedauern bekundete auch die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft. Clement sei nicht bereit gewesen, die Brücke zu betreten, die ihm die SPD gebaut habe. "Die SPD hat deutlich gemacht, dass Wolfgang Clement weiterhin seinen Platz in der SPD gehabt hätte", sagte sie. Die Verdienste Clements für die SPD und Nordrhein-Westfalen seien unbestritten. "Das bleibt", sagte Kraft.

"Perplex" reagierte Renate Schmidt auf die Nachricht vom Parteiaustritt Clements. Die ehemalige Familienministerin saß mit Clement am Kabinettstisch unter dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Sie bedauere Clements Schritt "zutiefst"; dieser habe "unbestreitbare Verdienste" vorzuweisen.

Im Streit zwischen Teilen der Partei und Clement nach der hessischen Landtagswahl hätten sich "alle Seiten angemessen" verhalten, sagte Schmidt im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Sie hoffe, so Schmidt, dass Clements Schritt eine "Kurzschlusshandlung" war. "Ich hoffe, dass er noch mal darüber nachdenkt", sagte sie.

Ganz ausschließen wollte auch Franz Müntefering ein Comeback Clements nicht. "Vielleicht irgendwann, wenn die Altersteilzeit ihn auch erreicht", so der SPD-Chef, "kommt er doch noch mal zu uns zurück."

Der bayerische SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget warf Clement verletzte Eitelkeit vor. "Da hätte man sich den monatelangen Zirkus sparen können. Da hat Herr Clement auch ein Stück weit mit der SPD gespielt", erklärte Maget.

Beck: "Man führt nicht eine Partei vor"

Hermann Scheer, ein enger Vertrauter der hessischen SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti, begrüßt hingegen den Austritt Clements. "Der Schritt ist konsequent, aber er kommt einige Monate zu spät", sagte er zu sueddeutsche.de. Clement habe neben den persönlichen Attacken gegen Ypsilanti mit seinen Aussagen auch eine ganze Landespartei vor den Kopf gestoßen. "Das war ein unsäglicher Vorgang", sagte Scheer.

Der frühere Bundeswirtschaftsminister hatte die Sozialdemokraten zunächst den Parteiausschluss rückgängig machen lassen und war dann schließlich selbst ausgetreten. "Damit hat er den ganzen SPD-Vorstand an der Nase herumgeführt", sagte Scheer. Der Vorgang zeige, dass Clement entweder in provozierender Absicht gehandelt habe oder aber per se unberechenbar sei. "Wahrscheinlich trifft beides zu", so Scheer.

Die Gründe für Clements Austritt will Scheer nicht gelten lassen. "Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit. Das ist doch lächerlich", sagte er. Als ehemaliges Mitglied des SPD-Bundesvorstands müsse man einfach wissen, welche Wirkung Wahlempfehlungen gegen die eigene Partei haben.

Scheer hofft, dass mit Clements Austritt endlich wieder Ruhe in die Partei kommt. Zumindest könne sich die SPD jetzt wieder auf Zukunftsthemen konzentrieren, ohne dass ständig jemand aus der zweiten Reihe querschießt. Denn Clements Ansichten vor allem zur Energiepolitik sind nach Meinung Scheers "sehr anachronistisch".

Björn Böhning, ebenso ein Vertreter des Linken SPD-Flügels, war überrascht von Clements plötzlichem Rücktritt, zeigte aber wenig Bedauern über diesen Schritt. "Reisende soll man nicht aufhalten", sagte Böhning zu sueddeutsche.de. Großen Schaden durch Clements Rücktritt sieht das SPD-Vorstandsmitglied nicht auf seine Partei zukommen. "Die SPD wird es überleben."

Auch der der frühere SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck kommentierte den Austritt Clements - mit Unverständnis: "Man führt nicht eine Partei vor", sagte der der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. "Ich finde, das ist ein Zeichen dafür, dass das Verfahren gerechtfertigt war". Beck sagte, er habe sich in seiner Zeit als SPD-Chef dafür eingesetzt, dass der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident nicht ausgeschlossen werde.

"Eine Partei ist kein Neutrum, sondern ein Zusammenschluss von zigtausenden von Menschen", betonte Beck. Diesen Menschen gegenüber, die in Ortvereinen und Gemeinden für ihre politischen Projekte kämpften, habe ein Spitzenpolitiker Verantwortung: "Wenn man relativ hoch gefolgen ist, sollte man das nicht vergessen", fügte Beck hinzu.

Clements Verhalten entspreche nicht seiner Vorstellung "von verantwortlichem Umgehen mit der Partei, die einem die Chance gegeben hat, in Spitzenpositionen zu kommen".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: