"Clean Network Initiative":Amerika schrubbt das Netz

Die Trump-Regierung will den Einfluss Chinas zurückdrängen.

Von Jannis Brühl

Ein Krieger soll seinen Feinden geistig so nahe wie möglich kommen. Das schrieb Sunzi, der vielleicht älteste Militärtaktiker in seinem Werk "Die Kunst des Krieges". Zeichen für Zeichen vor mehr als 2000 Jahren geritzt in Bambus. Im Kräftemessen mit China nimmt die Regierung von US-Präsident Donald Trump den chinesischen Klassiker nun wörtlich - und stellt die Grundlagen des offenen Internets in Frage. Sie will das Netz von chinesischem Einfluss säubern. Dafür zieht sie eine Brandmauer hoch, die an die umfassendste Kontrollmaschinerie des Netzes erinnert: Chinas große Firewall.

Mit hohem technischen Aufwand und vielen Aufsehern hat die Führung in Peking ein stark überwachtes Internet geschaffen, abgekoppelt vom Rest der Welt. Die Chinesen nutzen kein Google, Twitter oder Facebook. Stattdessen: Baidu, Weibo und Wechat. Und auf diese Alternativen hat es US-Außenminister Mike Pompeo mit seiner "Clean Network Initiative" abgesehen. Er hat nun verkündet, wie das Internet "gesäubert" werden soll. Chinesische Anbieter wie China Telecom sollen aus US-Netzwerken ausgeschlossen werden, Apps aus der Volksrepublik aus den App Stores von Google und Apple fliegen, wenn ihnen "nicht vertraut wird" - was sich wohl auf so gut wie alle Apps aus China anwenden lässt. Sie dienen Pompeo zufolge der Spionage und Propaganda.

Daten von US-Bürgern sollen zudem nicht mehr bei chinesischen Cloud-Anbietern wie Alibaba, Baidu und Tencent gespeichert werden. Amerikanische Unternehmen sollen ihre Apps nicht mehr für den App Store von Huawei und für andere chinesische Handyhersteller verfügbar machen. Das dürfte etwa Microsoft, Amazon und Snapchat treffen. Umgesetzt würde es bedeuten, dass deren Apps in Staaten wie Indien kaum noch verfügbar wären, wo Menschen vor allem chinesische Handys nutzen.

So sehen zumindest Pompeos Ideen aus, die Umsetzung ist unklar. In jedem Fall steigt das Risiko einer Zersplitterung des digitalen Raumes, wie sie in Demokratien kein Vorbild hat. So eine zentral verordnete Entkopplung kennt man nur aus Iran, Russland - und natürlich China. Gerade die USA haben immer ein offenes Netz für die ganze Welt propagiert.

Der Streit um die Videoapp Tiktok zeigt, dass die Regierung in Washington auch vor drastischen Maßnahmen nicht zurückschreckt. Trump drängt das chinesische Unternehmen Bytedance, Tiktok an Microsoft zu verkaufen. Belege für Spionage via Tiktok sind nicht bekannt.

Der Säuberungs-Initiative sollen sich alle "freiheitsliebenden" Staaten anschließen. Chinas Außenminister Wang Yi hatte zuvor erklärt: "Die USA sind nicht qualifiziert, eine Koalition aus 'sauberen Staaten' zu bauen, weil sie selbst überall dreckig sind." Für China gilt allerdings: Seine Tech-Unternehmen konnten nur unter dem Schutz der großen Firewall groß werden. Facebook, Google und viele andere sind aus China ausgesperrt.

Auch das physische Internet will Pompeo verändern. Unterwasserkabel, durch die globale Datenströme fließen, sollen ohne Chinas Beteiligung entstehen. Der Tech-Nationalismus zerfrisst das Internet. Am Ende könnte eine Welt aus kleinen Netzen stehen, die jeweils an der Landesgrenze enden.

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