Claudia Vanoni:Kämpferin gegen den Judenhass

Claudia Vanoni: Linksextreme, Rechtsextreme, Islamisten - und immer wieder Antisemiten: Claudia Vanoni hat sich auf politisch motivierte Kriminalität spezialisiert.

Linksextreme, Rechtsextreme, Islamisten - und immer wieder Antisemiten: Claudia Vanoni hat sich auf politisch motivierte Kriminalität spezialisiert.

(Foto: Privat)

Auf offener Straße geschlagen, in der Schule gequält. Fast monatlich gibt es in Berlin Übergriffe auf Juden. Nun hat das Land Claudia Vanoni zur Antisemitismusbeauftragten gemacht. Die Juristin weiß: Ein großer Teil der Straftaten landet gar nicht erst vor Gericht.

Von Verena Mayer

Berlin-Schöneberg, Dezember 2017. Der Inhaber eines jüdischen Restaurants wird von einem deutschen Passanten beschimpft: "Was macht ihr Juden noch hier, haben die Gaskammern nicht gereicht?" Berlin-Prenzlauer Berg, April 2018: Ein Israeli wird von einem jungen Syrer mit dem Gürtel geschlagen, als er mit einer Kippa auf dem Kopf spazieren geht. Berlin-Zehlendorf, im Juni: Der Fall eines 15-jährigen Schülers einer deutsch-amerikanischen Eliteschule wird bekannt. Der Junge war von Mitschülern über Monate gemobbt und gequält worden, weil er Jude ist.

Kaum ein Monat vergeht, in dem es in Berlin nicht zu einem schweren antisemitischen Vorfall kommt. Und nirgendwo in Deutschland gibt es so viele von Judenhass motivierte Vorkommnisse wie in der Hauptstadt. 947 wurden der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin im Jahr 2017 gemeldet - so viele wie niemals zuvor. Nun hat das Land Berlin reagiert und ein neues Amt geschaffen, um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen: das einer Antisemitismus-Beauftragten.

Gerade hat die Juristin Claudia Vanoni ihre Arbeit aufgenommen. Die 44-jährige Oberstaatsanwältin ist seit 15 Jahren in der Justiz. Wenn sie von ihrer Arbeit erzählt, dann ruhig und sachlich, als würde sie aus einer Akte vortragen. Aber man merkt, dass ihr daran liegt, sich in Gesprächspartner hineinzuversetzen, indem sie jeden Fachausdruck sofort erklärt.

Ihre Karriere begann die gebürtige Münchnerin in Bayern, danach war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe. In Berlin beschäftigte sie sich in den vergangenen Jahren mit politisch motivierter Kriminalität. Vanoni hat sowohl rechts- als auch linksextreme Straftäter verfolgt, sie hatte mit Islamisten zu tun und immer wieder mit Antisemitismus.

Aus ihrer Arbeit weiß sie, dass die meisten antisemitischen Straftaten von Rechtsextremen begangen werden. Und dass ein großer Teil erst gar nicht vor Gericht landet. Denn die Opfer schrecken vor einer Anzeige zurück oder haben Angst, in der Hauptverhandlung wieder auf die Täter zu treffen. Oder aber sie zögern, weil sie glauben, sie hätten von der Justiz ohnehin nicht viel zu erwarten.

Diese Sorge ist berechtigt. Immer wieder kommt es vor, dass antisemitische Vorfälle nicht verfolgt oder Verfahren eingestellt werden. Oder dass es Urteilsbegründungen gibt wie 2015 in Wuppertal: Drei Palästinenser hatten einen Brandanschlag auf die Synagoge verübt, doch das Amtsgericht konnte kein antisemitisches Motiv erkennen, nur "Kritik an Israel". Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte 2017 das Urteil.

Was antisemitisch ist, legen Polizei und Staatsanwälte unterschiedlich aus

Vanoni sagt, dass sie der Justiz die einheitliche Definition von Antisemitismus näherbringen will, wie sie von der International Holocaust Remembrance Alliance aufgestellt wurde. In deren Sicht ist Antisemitismus eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass ausdrücken kann, in Worten oder Taten.

Bislang konnte jede Polizeidienststelle, jede Staatsanwaltschaft und jede Strafkammer mehr oder weniger eigene Maßstäbe anlegen, was sie antisemitisch findet und was nicht. Vanoni will Richter und Staatsanwälte schulen, dazu gibt es in Berlin zwei auf antisemitische Straftaten spezialisierte Staatsanwälte.

Sie habe selbst keinen jüdischen Hintergrund, sagt Vanoni, sei aber in engem Kontakt mit jüdischen Institutionen. Um herauszufinden, welche Erwartungen diese haben, und um ihnen die Arbeit der Justiz näherzubringen. "Wir sprechen als Juristen eine Sprache, die nicht immer verständlich ist, da sehe ich mich als eine Art Dolmetscherin." Vanoni leistet Pionierarbeit, es gibt in Deutschland erst wenige Antisemitismusbeauftragte, und die sind nicht in der Justiz angesiedelt.

Was für sie ein Erfolg wäre? "Ich möchte es schaffen, dass es meine Position eines Tages nicht mehr geben muss."

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