Öffentliche Sicherheit:Harter Kurs im Inneren

Razzia gegen Clankriminalität

Die Polizei im Westen ging unter der schwarz-gelben Regierung verstärkt gegen organisierte Kriminalität vor: Razzia in der Villa eines mutmaßlichen Clan-Mitglieds in Leverkusen.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Wie sich Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen mit einer Null-Toleranz-Linie gegen kriminelle Clans profiliert.

Von Christian Wernicke, Essen

Ministerpräsident Armin Laschet hat bei der Vorstellung eines neuen Lageberichts zur organisierten Clan-Kriminalität in Nordrhein-Westfalen für einen harten Kurs in der Inneren Sicherheit geworben. "Der Kampf gegen kriminelle Clans gehört deutschlandweit auf die Agenda", erklärte der Kanzlerkandidat von CDU und CSU am Montag in Essen. Zugleich warf der CDU-Vorsitzende der rot-grünen Vorgängerregierung vor, diese habe "zu lange weggeschaut". Bis zum Antritt der schwarz-gelben Regierungskoalition im Frühjahr 2017 habe es "ein Versagen der Sicherheitsstrukturen" im Bundesland gegeben. NRW sei insgesamt "heute so sicher wie seit Jahren nicht mehr".

Laut dem vom Landeskriminalamt NRW (LKA) nun veröffentlichten Bericht sind kriminelle Großfamilien türkisch-arabischer Herkunft für jedes fünfte Strafverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität im bevölkerungsreichsten Bundesland verantwortlich. Demnach sank im Jahr 2020 zwar die Zahl der Straftaten (5778) um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, zugleich stieg die Zahl der Tatverdächtigen geringfügig um 1,2 Prozent auf 3826 Personen. Vier von fünf Tatverdächtigen (81,7 Prozent) waren Männer, ungefähr die Hälfte von ihnen war unter 30 Jahre alt.

Allein in Essen und Mülheim/Ruhr zählten die Behörden fast jede achte Straftat von Angehörigen der Großfamilien

Schwerpunkt der kriminellen Clan-Geschäfte wie Rauschgifthandel, Steuerhinterziehung und Betrug bei Sozialleistungen sowie Menschenhandel (etwa in der Prostitution) und Zwangsarbeit im Baugewerbe ist das Ruhrgebiet. Allein in Essen und Mülheim/Ruhr zählten die Behörden fast jede achte Straftat von Angehörigen der Großfamilien. Allein zwei bekannte Gruppen - im Bericht "Clan O" und "Clan E" genannt - seien für 17,4 Prozent aller erfassten Delikte verantwortlich. Laut LKA verfolgen die Clans ihre Ziele mit gezielter Brutalität. 28,2 Prozent aller krimineller Vergehen seien "Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit" gewesen.

NRW-Innenminister Herbert Reul hob hervor, dass eine kleine Kerngruppe (4,5 Prozent aller Tatverdächtigen) für mehr als ein Fünftel aller erfassten Straften (22,8 Prozent) verantwortlich sei. Dennoch deutete der CDU-Politiker das Jahr 2020 als einen möglichen "Wendepunkt" im Kampf gegen die Clankriminalität. Bei sogenannten Vermögensabschöpfungen - also der Beschlagnahmung von Bargeld, Immobilien oder Luxuskarossen - habe man allein 2020 eine Sicherungssumme von vier Millionen Euro erreicht. Dieser Betrag liege fast viermal so hoch wie noch 2017. "Wir gehen den kriminellen Clans an ihre Existenz", sagte Reul.

Als besonderen Erfolg erwähnte Minister Reul den Schlag gegen das Callcenter von Trickbetrügern, die von der Türkei aus - als vermeintliche Polizisten - am Telefon gezielt Senioren um ihr Geld brachten. Die türkischen Sicherheitsbehörden hätten nach Hinweisen aus Deutschland schließlich 1,5 Millionen Euro Bargeld, fünf Kilogramm Gold sowie Immobilien, Autos und Waffen sichergestellt. Die Gesamtsumme habe bei 105 Millionen gelegen.

Auch Ministerpräsident Laschet hob die Taktik hervor, die Clans bei ihrem kriminell erworbenen Vermögen zu treffen. Das Motto sei: "Follow the money." Laschet, der seit voriger Woche bei Wahlkampf-Auftritten seinen NRW-Kurs von "null Toleranz" gegenüber Kriminellen stärker hervorhebt, bestritt jeglichen Zusammenhang der jetzigen Veröffentlichung mit seiner Kampagne fürs Kanzleramt: "Nein, dies war immer ein Schwerpunkt der Landesregierung", und dies sei bereits der dritte Lagebericht zur Clan-Kriminalität.

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