Beppe Grillo hat seine Reise nach Rom verschoben, auf kommende Woche. Wann immer es heißt, der Gründer und "Garant" der Cinque Stelle komme aus seinem Genua nach Rom, bedeutet das, dass die Not groß ist, dass geschlichtet werden muss, dass die Partei dafür die schier unermessliche Weisheit des Komikers benötigt. So jedenfalls sehen ihn seine Anhänger, nicht umsonst auch Grillini genannt. Doch nun braucht Grillo wohl etwas Zeit, um seine Gedanken zu sammeln, es ist Unerhörtes passiert.
Luigi Di Maio, einer seiner liebsten Zöglinge, hat die Partei verlassen und gründet eine neue. Sie heißt "Insieme per il futuro": Gemeinsam für die Zukunft. Die Fünf Sterne, sagt der italienische Außenminister, trügen keine Zukunft mehr in sich. Manche Medien nennen Di Maios Leute der Einfachheit halber schon mal Futuristi. Ihr Bruch ist ein harter, wenn auch nicht ganz überraschender Schlag für die Bewegung. Seit ihrer Gründung 2009 hat die Partei zwar viele Wirren durchlebt, aber keine echten Spaltungen.

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Di Maio nimmt einen Haufen Parlamentarier mit: 51 Abgeordnete und elf Senatoren sollen es sein, wahrscheinlich kommen in den kommenden Wochen weitere hinzu. Die Folge: Die Cinque Stelle, Triumphatoren der Parlamentswahlen von 2018 mit 33 Prozent der Stimmen, sind nicht mehr größte Partei im Parlament. Im Abgeordnetenhaus zählt die rechtspopulistische Lega mehr Sitze als sie. In Zahlen: Zu Beginn der laufenden Legislaturperiode hatten die Fünf Sterne 227 Abgeordnete - nach Abgängen, Rauswürfen und der Abspaltung sind es noch 104; im Senat waren sie 112, jetzt 61. Di Maio entzieht der Partei zudem ein halbes Dutzend Staatssekretäre, Vizeminister und Minister, sich selbst eingeschlossen, dazu Kommissionspräsidenten.
Giuseppe Conte steht als großer Verlierer da
Besonders bitter ist der Aderlass für Giuseppe Conte, den neuen Chef der Partei: Er steht als Verlierer da. Sein Machthebel verliert plötzlich einen schönen Teil der Wirkung. Contes Entourage beteuert, der "Presidente", wie sie ihn seit den Zeiten als Premier des Landes nennen, sei "gelassen und ruhig", er habe Di Maio nämlich schon lange als "Ballast" empfunden. Aber ist das tatsächlich so?
Conte wirkt immer ferngesteuert von Strippenziehern aus den Kulissen der Partei, die ihm mal dies, mal das anraten, um die Cinque Stelle aus ihrem dramatischen Umfragetief zu führen. Zuletzt wirkte das oft erratisch und konfus. Sein Versuch etwa, die außenpolitische Linie der Regierung zum Krieg in der Ukraine zu korrigieren - oder wenigstens Praxis und Entscheidungsprozesse bei den Waffenlieferungen nach Kiew -, war der Verzweiflung darüber geschuldet, dass bisher nichts Erfolg brachte. Conte ist auch damit auf ganzer Linie gescheitert. Persönlich büßte er viel Glanz und Goodwill ein, den er sich mit entschlossenem Regieren in der ersten Pandemiephase erarbeitet hatte. Der Aufschwung mit Conte blieb aus, die Operation war ein Flop.
Die Frage ist nun, was er mit der gestutzten Partei vorhat. Behält er sie in der Koalition der nationalen Einheit, wie es zunächst den Anschein machte? Oder bricht er bald, um sie neu zu profilieren?
Darüber wird er wahrscheinlich mit Grillo reden müssen, wenn der im üblichen Hotel bei den Kaiserforen absteigt und Hof hält. Auch die Personalie des Parteichefs selbst dürfte dann ein Thema sein. Conte erschien von Beginn an als unwahrscheinlicher Anführer der Parteiorthodoxie, der ökologischen, systemkritischen Urbewegung. Als linker Christdemokrat mit engen Verbindungen in den Vatikan passte er nur leidlich dazu. Auch sein Stil, modisch und rhetorisch, stand im Kontrast zum Habitus der Cinque Stelle. Ist er der richtige Mann für eine Kehrtwende, ein Jahr vor den Wahlen?
Kommt jetzt der "Che Guevara aus Rom-Nord"?
In der Partei glauben viele, das Mittun an der Macht habe ihre Natur verändert. Ihr eigentlicher Platz, jetzt und für immer, sei in der Opposition - gegen die Eliten, die Kaste, das System. Das bekannte Muster. Nur eine Rückkehr zur alten Seele, sagen sie, biete Aussicht auf ein Überleben. Und dafür bauen manche auf jenen immer noch jungenhaften Mann, der in den vergangenen Jahren lieber um die Welt reiste und Reportagen schrieb, statt an der Macht teilzuhaben: Alessandro Di Battista, auch als "Dibba" bekannt und als "Che Guevara aus Rom-Nord" belächelt, 43 Jahre alt.
Er gilt den Seinen als pur, unverdorben, unverbraucht auch. Di Battista war so etwas wie Di Maios rebellischer, etwas lauter Zwillingsbruder in der Partei, lange waren sie ein Herz und eine Seele. Nun sagt "Dibba" von Di Maio, der habe die Partei "niederträchtig verraten". Das ist die Tonlage, schrill und direkt. Viele Grillini sehnen sich auch danach zurück.