Cicero-Urteil:"Schallende Ohrfeige für die Potsdamer Justiz"

Medienrechtler Butz Peters über die Tragweite des Cicero-Urteils, seine praktischen Folgen und die Zukunft des Informantenschutzes.

Christoph Schäfer

Butz Peters ist Anwalt für Presserecht und ehemaliger Leiter des Ressorts Rechtspolitik beim NDR.

Rechtsanwalt Butz Peters

Butz Peters: "Ein Meilenstein für die Redaktionsarbeit"

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Stärkt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Pressefreiheit?

Peters: Es ist ein wichtiger Meilenstein für die Redaktionsarbeit, vor allem für den Informantenschutz, und zugleich eine schallende Ohrfeige für die Potsdamer Justiz - sowohl für das Amtsgericht als auch für das Landgericht, das ja den Durchsuchungsbeschluss bestätigt hatte.

sueddeutsche.de: Was bedeutet das in der Praxis?

Peters: Für die Praxis heißt dieses Urteil, dass wenn die Behörden nicht klären können, wie eine bestimmte Information nach draußen gelangt ist, sie dann nicht einfach den Journalisten der Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigen können, bloß um dahinter zu kommen, welcher Beamte das Dienstgeheimnis verletzt hat.

Der Kernsatz der Entscheidung lautet: "Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie aussschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln."

sueddeutsche.de: Können sich alle Informanten der Presse also ab heute sicher fühlen?

Peters: Nein, zumindest nicht absolut sicher. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich gesagt, dass Amtsgericht und Staatsanwaltschaft genau zu prüfen haben, ob im Fall eines Artikels wie dem in Cicero wirklich ein Verrat von Dienstgeheimnissen vorliegt.

Das Verfassungsgericht nennt Beispiele: Ein Dokument kann ja aus Versehen nach draußen gelangt sein oder aber auch durch jemanden, der gar nicht Geheimnisverpflichteter ist. Beides ist kein Geheimnisverrat, und dann kann ein Journalist auch keine Beihilfe zum Geheimnisverrat leisten.

sueddeutsche.de: Was bringt ein solches Urteil der betroffenen Zeitung im Nachhinein?

Peters: Es ist eine Klarstellung. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Durchsuchung der Cicero-Redaktion rechtswidrig war. Konkret bedeutet das, dass sich die Gerichte und Staatsanwälte künftig daran zu halten haben. Und in Fällen wie diesem der Durchsuchung einen Riegel vorschieben müssen.

sueddeutsche.de: Welche Informationen darf ich als Bürger, Angestellter oder Beamter überhaupt an die Presse geben?

Peters: Der Bürger darf grundsätzlich alle Informationen weitergeben, die er hat. Aber natürlich gibt es die Amtsverschwiegenheit. Das heißt, der "kleine Sachbearbeiter" darf ohne Zustimmung der Behördenleitung nicht einfach den Inhalt seiner Akten ausplaudern. Das trifft auch auf andere Geheimnisträger zu, und auch für Angestellte gilt das Gleiche.

sueddeutsche.de: Angenommen, ich verstoße gegen meine Verschwiegenheitspflicht. Dann heißt es seit heute: Entweder die Organisation, für die ich arbeite, findet mich von alleine, oder ich komme damit davon?

Peters: Exakt so ist es - zumindest grundsätzlich.

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