CIA-Affäre:Der Präsident, das "Chef-Leck"

Lewis Libby durfte mit dem Segen des Präsidenten Geheimdienst-Informationen über den Irak an Journalisten verraten. Aber wer erlaubte dem Stabschef des Vize-Präsidenten, die CIA-Agentin Plame zu enttarnen? Für die Demokraten belegen seine Aussagen, dass Bush seine Partei über die Sicherheit des Landes stellt.

Markus C. Schulte v. Drach

Geheimdienstinformationen dürften nicht an die Öffentlichkeit gelangen, sonst sei die nationale Sicherheit bedroht, warnte George W. Bush - und hielt sich offenbar selbst nicht daran.

Das geht aus einer Aussage des früheren Stabschefs von Vizepräsident Dick Cheney, Lewis Libby, hervor.

Demnach hatte Bush Libby über dessen Chef autorisiert, im Juli 2003 als geheim eingestufte Informationen über den Irak an die Medien zu lancieren, um die öffentliche Meinung zum geplanten Irak-Krieg zu beeinflussen.

Gleichzeitig hatte Libby Journalisten gegenüber allerdings die Identität einer CIA-Geheimagentin preisgegeben.

Nun darf der Präsident selbst geheime Informationen deklassifizieren - also freigeben - und Libby konnte offenbar davon ausgehen, dass dies für Teile des so genannten National Intelligence Estimate galt.

Es handelte sich dabei um einen Geheimdienstbericht, der sich mit der Suche Saddam Husseins nach atomwaffenfähigem Material befasste.

Stellt sich allerdings die Frage, wieso Libby als Sahnehäubchen noch die Enttarnung der CIA-Undercoveragentin Valerie Wilson/Valerie Plame draufsetzte - eine Straftat, für die sich der Ex-Stabschef vor Gericht verantworten muss.

Aus Libbys Aussage geht nicht hervor, dass der Präsident oder sein Vize ihn dazu aufgefordert oder autorisiert hätten - auch wenn er selbst von Cheney über Wilsons Geheimjob informiert worden war.

Libby hatte die geheimen Informationen über Saddams Massenvernichtungsprogramme am 8. Juli 2003 an eine Journalistin von der New York Times weitergegeben. Einen Tag zuvor hatte die Bush-Regierung erstmals zugegeben, dass Bushs Behauptung, der Irak habe versucht, sich in Afrika Uran zu verschaffen, falsch gewesen war.

Und ausgelöst worden war dies durch einen Artikel in der New York Times, in dem Joseph Wilson, ein früherer US-Botschafter, auf diese Tatsache hingewiesen hatte.

Nach den Aussagen Libbys sollten die verratenen Informationen aus dem Geheimdokument die Vorwürfe Wilsons abschwächen.

Es gibt jedoch den Verdacht, dass der gleichzeitige Verrat der geheimen Identität von Valerie Plame/Wilson eine Art Rache war - Rache an der Familie Wilson. Denn: Joseph Wilson ist der Ehemann der Geheimagentin.

Und dessen Artikel war in Cheneys Büro als ein direkter Angriff auf den Vizepräsidenten betrachtet worden, wie aus den Gerichtsunterlagen hervorgeht.

Schockierende Enthüllungen

Das Weiße Haus wollte die Aussagen Libbys nicht kommentieren. Das taten umso lieber die Demokraten - und die sind mit dem Umgang des Präsidenten mit der CIA-Affäre ganz und gar nicht zufrieden.

"Jetzt wissen wir, dass der Präsident die Weitergabe von Informationen erlaubt hat, allein für einen politischen Vorteil, sagte der Chef der demokratischen Partei, Howard Dean. Das zeige einmal mehr, dass Bush seine Partei über die Sicherheit des Landes stellte.

"Im Lichte dieser schockierenden Enthüllungen muss Präsident Bush seine Rolle bei der gezielten Verbreitung von geheimen Informationen vollständig offen legen", forderte der demokratische Senator Harry Reid. Die Demokratin Jane Harman bezeichnete Bush gar als "Chef-Leck".

Die demokratische Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sagte, sie sitze bereits 13 Jahre im Geheimdienstausschuss der Kammer. "Und ich weiß, dass geheime Informationen niemals aus politischen Gründen freigegeben werden dürfen."

Statt auf die CIA-Affäre einzugehen bemüht sich George W. Bush angesichts schlechter Umfragewerte derzeit um einen Eindruck als einsichtsfähiger Politiker.

Bei einer Rede vor mehreren hundert Zuhörern in North Carolina gestand er Fehler in der Irak-Politik ein. So die hätten USA im Irak schneller mit der Ausbildung von Soldaten und Polizisten anfangen sollen.

Und über die falschen US-Geheimdienstberichte über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak sei er genauso enttäuscht gewesen wie jeder andere, erklärte Bush.

Stellt sich die Frage, warum er trotzdem an den bereits vor dem Einmarsch als fragwürdig geltenden Behauptungen festgehalten und sein Land in einen Krieg geführt hatte, der kein Ende zu nehmen scheint.

Aber auch die Einsichtsfähigkeit eines Präsidenten hat offenbar Grenzen. So schloss Bush trotz allem, dass "die Strategie für den Irak insgesamt richtig" gewesen sei.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: