Süddeutsche Zeitung

Chronologie einer Affäre:Vom Flugblatt zum Todessturz

Am Anfang stand eine umstrittene Wahlwerbung, acht Monate später stürzte Möllemann mit einem Fallschirm in den Tod. Die Spendenaffäre ist bis heute nicht aufgeklärt.

Begonnen hat alles mit einem Flugblatt. Die Spendenaffäre Möllemann kam im Bundestagswahlkampf 2002 ins Rollen, als der damalige nordrhein-westfälische FDP-Landesvorsitzende ein Faltblatt an Millionen Haushalte verteilen ließ. "Klartext. Mut. Möllemann.", stand darauf zu lesen. Und das Wahlziel des Politikers: 18 Prozent.

Auf den Innenseiten des Blattes agitierte der Politiker gegen Ariel Sharon, damals Ministerpräsident Israels, und gegen Michel Friedmann, Fernsehmoderator und ehemals Vize-Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Möllemann stellte die beiden als Hindernisse für eine Lösung des Nahost-Konflikts dar. Sogar die eigene Partei distanzierte sich. Noch am Wahlabend forderte das FDP-Präsidium ihn zum Rücktritt als Vize-Vorsitzender der Bundespartei auf. Am nächsten Tag gab Möllemann das Amt auf.

Doch das war erst der Anfang einer Affäre, die nun - mehr als sechs Jahre später - eine Millionenstrafe für die Liberalen zur Folge hat. Denn Möllemann finanzierte sein Flugblatt aus anonymen Quellen - und somit rechtswidrig.

Nach wochenlangem Schweigen gab er 2002 zu, knapp eine Million Euro von nicht genannten Spendern besorgt zu haben, seinem Privatvermögen zugeführt, gestückelt und auf zwei Konten eingezahlt. Woher Möllemann das Geld hatte, ist bis heute nicht geklärt. Als Drehscheibe der undurchsichtigen Finanztransaktionen des Politikers hatte die Staatsanwaltschaft Liechtenstein ausgemacht.

Ein Koffer voller Geld

Noch im November beschloss der FDP-Bundesvorstand ein Verfahren gegen Möllemann, um ihn aus der Partei auszuschließen. Es blieb zunächst ohne Erfolg. Erst Monate später - im März 2003 - kam er seinem drohenden Ausschluss zuvor und legte seine Parteimitgliedschaft nieder. Zu diesem Zeitpunkt ermittelte die Staatsanwaltschaft längst wegen illegaler Spendenverbuchung gegen ihn. Möllemann hatte das Geld für sein Flugblatt über den damaligen Landesgeschäftsführer der FDP in Nordrhein-Westfalen, Hans-Joachim Kuhl, in die Partei eingespeist.

Er gab Kuhl einen Koffer mit einer Million Euro: Dieser sollte das Geld in kleinen Teilen unter dem Stichwort "Wahlkampf wg. Möllemann" auf ein Sonderkonto einzahlen. Kuhl reiste mit einigen Helfern durchs Land und zahlte die Beträge - meist unter erfundenen Namen - bei verschiedenen Banken auf das Sonderkonto und ein anderes Parteikonto ein.

Es war nicht das erste Mal, dass Möllemann den Geschäftsführer als Geldboten einsetze. Seit 1996 habe er immer wieder Beträge erhalten, räumte Kuhl damals ein. Auch der Wahlkampf 2000, als die FDP überraschend deutlich den Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag schaffte, sei von Möllemann mitfinanziert worden.

Am Tag der Razzia sprang er in den Tod

Fast zwei Millionen Euro ließ er so seiner Partei zukommen. Das Amtsgericht Düsseldorf verhängte gegen Kuhl 2005 per Strafbefehl eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten und 10.000 Euro Geldbuße. Auch gegen einige Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle ergingen Strafbefehle.

Möllemann selbst kam nie vor Gericht. Am 5. Juni 2003 beschloss der Bundestag die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des inzwischen fraktionslosen Abgeordneten. Unmittelbar danach rückten mehr als 100 Ermittler im Zuge einer internationalen Razzia aus, um sein Firmengeflecht zu durchsuchen.

Offenbar fast zeitgleich stieg der passionierte Fallschirmspringer Möllemann in ein Flugzeug. Er überlebte den Sprung aus 4600 Metern Höhe nicht. Seinen Hauptschirm verlor er in einer Höhe von etwa 1000 Metern - der Reserveschirm öffnete sich nicht. Die Staatsanwaltschaft konnte einen Selbstmord nicht ausschließen, aber auch nicht sicher feststellen.

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