Chronik der Euro-Hawk-Affäre:Rechnungshofbericht schont de Maizière

Bundesrechnungshof schont in Bericht zur Drohne Euro Hawk den Verteidigungsminister de Maizière

Die Aufklärungsdrohne Euro Hawk beim Erstfllug2010 in Kalifornien. 

(Foto: Getty Images)

Fehler vom Anfang bis zum Ende: Die Verantwortlichen des "Euro-Hawk" bekommen vom Bundesrechnungshof reichlich Tadel. Minister de Maizière jedoch wird entlastet. Denn die Wurzeln des Fiaskos legte offenbar ein anderer CDU-Mann.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Es ist, auf 33 Seiten plus Anlagen, ein Dokument des Scheiterns. In seinem als vertraulich eingestuften "Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages" zum Euro Hawk liefert der Bundesrechnungshof eine Chronologie des Debakels um die Aufklärungsdrohne - unmittelbar bevor Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) an diesem Mittwoch seine Aufarbeitung des gescheiterten Vorhabens vorlegen will. Und der Minister kommt in dem Dokument gut weg - auch wenn sich Fehler vom Anfang bis zum Ende des Projekts finden. Der Rechnungshof nimmt andere in die Pflicht.

So nimmt er auch die Phase vor Abschluss des Vertrags Anfang 2007 in den Blick - und stellt den damals Verantwortlichen ein miserables Zeugnis aus. "Obwohl bekannt war, dass es unterschiedliche Philosophien im Zulassungsprozess gab", hätten weder das Verteidigungsministerium noch das zuständige damalige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (heute: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) untersucht, "inwieweit die im US-amerikanischen Zulassungsverfahren zu erbringenden Nachweise und vorzulegenden Unterlagen für die deutschen Musterzulassungsverfahren ausreichten".

Aus Sicht des Rechnungshofs wurden also damals, während der großen Koalition unter Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), die Wurzeln für das spätere Fiasko gelegt - denn der Euro Hawk scheiterte unter anderem an den unterschiedlichen Maßstäben, die es hierzulande und in den USA beim Zulassungsprozess gibt.

"Vorgehen in hohem Maße kritikwürdig"

"Das Bundesverteidigungsministerium erkannte den Musterzulassungsprozess bereits vor Abschluss des Entwicklungsvertrages als wesentliches Realisierungsrisiko des Euro Hawk Systems", heißt es dazu. Statt dieses Risiko aber ernst zu nehmen, hätten sich beide Behörden, also Ministerium und Bundesamt, darauf verlassen, dass "der künftige Auftragnehmer die Anforderungen des deutschen Musterzulassungsverfahrens verstanden" habe.

Gemeint ist der US-Konzern Northrop Grumman, der die Drohne baute, während EADS für die Aufklärungstechnik zuständig war. "In der Rückschau", so heißt es im Bericht des Rechnungshofs, "erscheint dieses Vorgehen in hohem Maße kritikwürdig."

Wenn im Bericht allgemein vom Ministerium die Rede ist, wird damit allerdings nicht auf die Spitze gezielt. Stattdessen, so heißt es in dem Bericht, hätte "im Frühjahr 2009, spätestens im Jahr 2011" die Leitung des Ministeriums informiert und das Projekt insgesamt neu bewertet werden müssen. Das sei aber nicht geschehen. Diese Kritik richtet sich eindeutig gegen die Rüstungsabteilung: Die "Fachaufsicht" im Haus sei "laufend über den Stand des Projekts informiert" gewesen, da die Projektleitung (angesiedelt im Bundesamt) von Beginn an immer wieder auf die Risiken hingewiesen habe.

So sei in allen Berichten zum Fortschritt des Projekts "die Musterzulassung ein wesentliches Thema" gewesen. Zudem habe die Projektleitung im Bundesamt immer wieder darauf hingewiesen, "dass sie mit der vorhandenen Personalkapazität nicht in der Lage sei, das Projekt sachgerecht abzuarbeiten".

"Schweres Organisationsversagen" in der Rüstungsabteilung

Auch die Folgen dieser mangelhaften Ausstattung hätten die Zuständigen deutlich gemacht: "Aufgaben könnten zum Teil gar nicht oder nicht zeitgerecht oder nur sehr oberflächlich abgearbeitet werden." Das beinahe vernichtende Fazit des Rechnungshofs: Eine "nachhaltige Reaktion" des Ministeriums oder der Leitung des Bundesamts habe man "nicht gefunden".

Damit weist der Rechnungshof die Hauptverantwortung für das Fiasko der Rüstungsabteilung zu, die seit der Umstrukturierung des Ministeriums im vergangenen Jahr Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung heißt. Hier sehen die Verfasser die Gründe für ein "schweres Organisationsversagen".

Für die Spitze des Hauses ist das bequem, wird sie doch von der Verantwortung weitgehend freigesprochen: Sie habe gehandelt, "sobald ihr die Probleme berichtet wurden", heißt es, also seit Anfang 2012. So gab es damals dem Bericht zufolge den Versuch, eine "Verkehrszulassung ohne vorherige Musterzulassung" zu erreichen - in Verantwortung des Inspekteurs der Luftwaffe, der die Verantwortung für die Verkehrssicherheit hätte übernehmen müssen. Das zeigt, wie hektisch die Spitze des Ministeriums Anfang 2012 wurde.

Endgültiges Aus offenbar schon Ende 2012 klar

Und der Vorwurf der Opposition, man hätte das Projekt bereits damals stoppen und damit Mehrkosten vermeiden müssen? Dazu heißt es im Bericht: "Ein Abbruch des Projektes im Jahr 2012 hätte dazu geführt, dass die Sensorik nicht mehr abschließend zusammen mit der Trägerplattform hätte getestet werden können." Gemeint ist die EADS-Aufklärungstechnik, die zu Ende getestet werden sollte.

Allerdings war dem zuständigen Staatssekretär Stéphane Beemelmans offenbar seit Ende vergangenen Jahres klar, dass es nicht nur erhebliche Probleme gab, sondern dass es endgültig vorbei war mit dem Projekt. Dem Bericht zufolge erklärte die Rüstungsabteilung ihm damals: "Die Beschaffung der Serienluftfahrzeuge sei nicht mehr weiter zu verfolgen."

Musterzulassung" als "unrealistisch zu betrachten"

Als Grund wurde unter anderem angegeben, dass "ein erfolgreicher und zugleich finanzierbarer Abschluss der Musterzulassung" als "unrealistisch zu betrachten" sei. Zudem sei die Zukunft des Global Hawk, auf dem der Euro Hawk basiert, "langfristig unsicher". Warum es dennoch weitere fünf Monate dauerte, bis das Ministerium die sogenannte Reißleine zog? Das wird eine jener Fragen sein, die de Maizière nun nach drei Wochen des Schweigens zu beantworten hat - und vor allem werden die zuständigen Abgeordneten wissen wollen, warum sie nicht früher informiert wurden.

Denn in der Zwischenzeit, also seit dem vergangenen Jahr, lief schon hektisch die Suche nach Alternativen - nach Fluggeräten, auf die man die EADS-Aufklärungstechnik montieren könnte. Bereits Anfang Dezember legte das Bundesamt dazu eine Studie vor. Am besten schnitt der Airbus A 319 ab, also ein gewöhnliches Flugzeug. "Es könnte frühestmöglich im Jahr 2017 zur Verfügung stehen", heißt es im Bericht. Profitieren würde wieder EADS.

Zum Abschluss empfiehlt der Rechnungshof der Spitze des Ministeriums, sich bei wichtigen Projekten "über die Entwicklung der wesentlichen Risiken in regelmäßigen Abständen berichten zu lassen". Bleibt die Frage, warum sie das bislang offenbar nicht getan hat.

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