Bundespräsident Wulff in der Schweiz:Staatsbesuch mit Heikel-Faktor

Bundespräsident Christian Wulff reist für zwei Tage in die Schweiz. Dort ist man auf Deutsche nicht gut zu sprechen.

Hannah Beitzer

Mit den Deutschen kennen sich die Schweizer gut aus. Immerhin leben rund 225.000 Einwanderer aus dem Norden in der Eidgenossenschaft und haben ihr deutsches Bier und ihre Weiß-, Curry- und Rostbratwürste gleich mit nach Basel, Bern und Zürich gebracht. Nicht zu vergessen den rauen, weil ungewohnt offenen Umgangston, das Hochdeutsche und ihre Ellenbogen-Mentalität. Die Schweizer mögen das gar nicht gern. Sie haben Angst, bald Fremde im eigenen Land zu sein. Print- und Onlinemedien beklagen sich regelmäßig und wortreich über die dominanten Deutschen. Bundespräsident Christian Wulff trifft also auf einige Vorbehalte, wenn er am Mittwoch für zwei Tage zum Staatsbesuch in die Schweiz fliegt.

Bundespräsident Christian Wulff

Bundespräsident Christian Wulff reist am Mittwoch in die Schweiz. Dort haben die Deutschen derzeit nicht den besten Ruf.

(Foto: dpa)

Die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard findet jedoch im Vorfeld ein paar beruhigende Worte für ihren deutschen Kollegen. "Die Diskussion, die es vereinzelt gab, ist auf die Finanzkrise zurückzuführen, auf die hohe Arbeitslosigkeit. Viele haben sich bedrängt gefühlt und gedacht, die deutschen Staatsbürger nehmen uns jetzt die Arbeitsplätze weg", sagte sie in einem Interview mit dem Focus. Ein Blick in die Medien zeigt, dass diese Angst keineswegs vergessen ist. "Die Bevölkerung der Schweiz explodiert - jetzt sind ein paar kühlende Maßnahmen gefragt" titelte die NZZ am Sonntag erst Ende August. In einigen Gemeinden lebten schon 50 Prozent Ausländer, heißt es da, die meisten davon Deutsche. Doris Leuthard beharrt hingegen darauf, dass gebildete Zuwanderer ein "Gewinn für die Volkswirtschaft" seien.

Deutlich reservierter reagiert die Bundespräsidentin allerdings auf ein anderes, schon lange schwelendes Konfliktthema: Deutschland, die Schweiz und die Steuern. Die deutsche Regierung hat zuletzt im Februar durch den Erwerb von in der Schweiz geklauten Bankdaten von Steuersündern bei den Nachbarn für Unmut gesorgt. Die Schweiz hat inzwischen ein Rechtshilfegesuch an Deutschland gestellt, um den Datenräuber aufzuspüren. Bisher kam keine Antwort. "Wir reden hier von einem Straftatbestand", betonte Leuthard im Focus-Interview. Deutschland hingegen ermittelt seinerseits in der Schweiz - gegen Mitarbeiter der Bank Credit Suisse, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Auf keinen Fall aber will Leuthard die Debatte ähnlich emotionalisieren, wie es im Frühjahr 2009 geschehen ist. Damals sagte Finanzminister Peer Steinbrück über eine schwarze Liste unkooperativer Steueroasen, sie sei wie eine Kavallerie: "Die kann man ausreiten lassen. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt." Auch seine Bemerkung vom Herbst 2008, im Umgang mit der Schweiz müsse man eher die Peitsche schwingen als Zuckerbrot austeilen, hatte ihn nicht gerade beliebt gemacht. Die Schweiz reagierte auf all das mit einhelliger Empörung, es fielen sogar Nazi-Vergleiche.

Ein offenes Gespräch gegen Missstimmung

Inzwischen hat sich aber die größte Aufregung gelegt, Deutschland und die Schweiz einigten sich im März grundsätzlich auf ein neues Doppelbesteuerungsabkommen. Im Moment ist allerdings noch nicht ganz klar, was mit unversteuertem Vermögen in der Schweiz geschehen soll. Eine Steueramnestie, wie sie die Schweizer Bundespräsidentin favorisieren würde, kommt für deutsche Politiker nicht in Frage. Die strittigen Fragen sollen aber noch in diesem Jahr geklärt werden.

Doris Leuthard betont, wie wichtig unter diesen Vorzeichen ein offenes Gespräch ist. "Wir hatten in letzter Zeit große Verständigungsprobleme", sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Im Raum stünden neben Fragen zur Finanzarchitektur auch die Anflüge auf den Flughafen Zürich-Kloten, die über deutsches Gebiet geführt würden. Hier hatte es unter anderem von deutscher Seite Beschwerden über Fluglärm gegeben.

Sie sei deswegen froh, dass Christian Wulff den von seinem Vorgänger Horst Köhler vereinbarten Staatsbesuch übernommen hat. "Wir wollen mit unserem großen Nachbarn ein normales, freundschaftliches Verhältnis pflegen", so Leuthard. Auch im Bundespräsidialamt hört sich das ähnlich an: "Wir wollen freundschaftlich nach vorne gucken." Zuletzt war im Jahr 2000 ein deutscher Bundespräsident zu Gast in der Schweiz: Johannes Rau. Mit Christian Wulff wird die Präsidentin mit dem Zug nach Bern fahren. Dort wird er vor dem Parlament sprechen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik treffen.

Dass der deutsche Bundespräsident die Schweizer dabei brüskiert, ist nicht zu erwarten. Er ist schließlich eher ein Mensch der leisen Töne, diplomatisch und höflich. Dazu passt auch, dass an seinem zweiten Tag in der Schweiz ein Themenkomplex im Mittelpunkt steht, bei dem mit Streit kaum zu rechnen ist: Bildung und Forschung. Hier sind die beiden Nachbarn nämlich ausnahmsweise auf einer Wellenlänge. Als Land ohne Rohstoffe müsse die Schweiz ebenso wie Deutschland auf einen Vorsprung in Technologie und Entwicklung setzen, heißt es aus dem Bundespräsidialamt. Und somit auf gutausgebildete Fachkräfte. Wulff besucht in diesem Sinne am Donnerstag die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne und nimmt abends an einer Podiumsdiskussion in der Universität Zürich teil.

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