Christian Lindner:Vorerst gescheitert

Christian Lindner hat eine politische Bilderbuchkarriere hinter sich. Trotz seines jungen Alters galt er im vergangenen Jahr sogar als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des FDP-Parteichefs. Nun hat der Senkrechtstarter eine harte Landung hingelegt. Skizzen einer Laufbahn.

Markus C. Schulte von Drach

Mit frenetischem Beifall feiern ihn die FDP-Delegierten auf dem Parteitag in Köln 2010. Und selbst als Christian Lindner seine Zuhörer mit den Händen zu beschwichtigen versucht, klatschen sie einfach weiter. Zu gut hat ihnen die Rede des damals 31-Jährigen gefallen, zu viel Hoffnung setzen sie in ihn und das neue Profil, das er seiner Partei geben will - einer Partei, die unter dem miserablen Start der schwarz-gelben Koalition und sinkender Zustimmung in der Bevölkerung leidet.

Der Auftritt in der "Eventhalle 9" der Kölner Messe war einer der Höhepunkte eines Aufstiegs, der so schnell vor sich ging, dass der Rheinländer vor einem Jahr bereits als möglicher Nachfolger von Guido Westerwelle als Parteivorsitzender gehandelt wurde. So schnell hatte er Karriere gemacht, dass genau sein Alter eines der wichtigsten Argumente war, die gegen ihn ins Feld geführt wurden: zu jung sei er, und zu unerfahren.

Dabei konnte Lindner zu dieser Zeit bereits auf eine zehnjährige Karriere zurückblicken. Schließlich zog er bereits im Jahr 2000 als jüngster Abgeordneter in den Landtag von Nordrhein-Westfalen - fünf Jahre nach seinem Eintritt in die FDP. Nebenbei gründete der 1979 in Wuppertal geborene Politiker nacheinander ein Internet-Unternehmen und eine Unternehmensberatung, die sich allerdings beide als Misserfolge erwiesen.

2004 wurde Lindner Generalsekretär der FDP in NRW unter Andreas Pinkwart, 2005 übernahm er das Amt als stellvertretender Chef der Landtagsfraktion - zu dieser Zeit studierte er noch an der Universität Bonn. 2007 wurde er Mitglied des Bundesvorstands der Partei. Nach zehn Jahren im Düsseldorfer Landtag zog der Politologe 2009 mit einem der besten Zweitstimmenergebnisse der FDP in den Bundestag in Berlin ein.

Und vieles sprach dafür, dass er weiter Karriere machen würde: Der Ex-Zivi, der es dank eines Gesinnungswandels dann noch zum Oberleutnant der Reserve geschafft hat, beging keine schwerwiegenden Fehler. Der Liebhaber schneller Autos, der sogar eine Rennfahrerlizenz besitzt, machte sich in der Partei keine gefährlichen Feinde.

Während er in Nordrhein-Westfalen sogar den christdemokratischen Koalitionspartner immer wieder mit scharfer Zunge attackierte, profitierte er von der Unterstützung durch Guido Westerwelle und dem Alt-Liberalen Gerhard Baum. Auch Nordrhein-Westfalens früherer FDP-Chef Jürgen Möllemann wusste Lindner zu schätzen. Und Möllemann war es einst, der ihm den Spitznamen "Bambi" verpasste.

Lindner ist ein begabter Redner, das bewies er nicht nur in seiner Bewerbungsrede zum Generalsekretär auf dem Parteitag im April 2010 in Köln eindrucksvoll. Ohne Vorlage hatte er den Delegierten seine Vorstellung von einem modernen Liberalismus vorgestellt. Prompt wurde der von Westerwelle vorgeschlagene Kandidat, den der Bundesvorstand bereits zuvor einstimmig zum kommissarischen Generalsekretär gemacht hatte, mit 95,6 Prozent der Stimmen bestätigt.

Vertreter eines "mitfühlenden Liberalismus"

Zusammen mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, dem FDP-Landeschef in NRW Daniel Bahr und der Europa-Abgeordneten Silvana Koch-Mehrin gehörte Lindner dann zu dem Team junger Politiker, die sich als Vertraute Westerwelles gegen die Ambitionen des damaligen Wirtschaftsministers Rainer Brüderle auf die Position des Parteichefs aufstellten.

FDP Secretary General Lindner attendsmeeting of FDP party leaders in Berlin

Christian Lindner war 2000 als jüngster Abgeordneter in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt worden - der Beginn einer steilen Politikerkarriere.

(Foto: Reuters)

Lindner hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich als Vertreter eines "mitfühlenden Liberalismus" von der Haltung eines Guido Westerwelle distanziert, der für seine Angriffe auf Hartz-IV-Empfänger in die Kritik geraten war.

Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die FDP, die viele als Partei der Steuersenkungen, als Lobby der Wohlhabenden wahrnehmen, stärker für soziale Themen zu öffnen. Er betonte die Bedeutung der sozialen Marktwirtschaft, forderte klare Regeln für die Finanzmärkte und signalisierte sogar die Bereitschaft zu Bündnissen mit den Grünen. Und er bekam vom Bundesvorstand den Auftrag, ein neues Grundsatzprogramm der Partei zu erarbeiten.

Ob er sich im vergangen Jahr nun selbst für zu jung hielt, um Westerwelles Nachfolger als Parteichef zu werden, ob es tatsächlich eine Frage des Teamgeistes war, wie Lindner in der Diskussion um die Führung der Partei erklärte, oder ob er die Gefahr für zu groß hielt, in diesem Amt zu schnell verschlissen zu werden - Parteichef wurde schließlich Philipp Rösler.

Dass Lindner nun zurückgetreten ist, kommt überraschend - trotz der vehementen Kritik aus der eigenen Partei an seinem Umgang mit dem Mitgliederentscheid über den Euro-Rettungsschirm. Und ob sein Rücktritt das Ende seiner politischen Karriere bedeutet, ist alles andere als klar.

Lindner selbst will nun als Bundestagsabgeordneter weitermachen. Und angesichts seiner bisherigen Karriere und seines jungen Alters endet der Absturz zwar möglicherweise mit einer harten Landung. Aber bekanntlich muss sich ein Politiker nach einer solchen Erfahrung noch lange nicht endgültig geschlagen geben - sondern nur vorerst.

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