FDP-Chef Lindner:"Die Partei bin nicht nur ich"

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Doch keine Ein-Mann-Partei? In Stuttgart gab es Gruppenbilder, hier Michael Theurer, Landesverbandschef Baden-Württemberg, Christian Lindner, Generalsekretärin Nicola Beer, Hans-Ulrich Rülke, Stuttgarter Fraktionsschef (v. li.). (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
  • FDP-Chef Lindner präsentiert für das Jahr der Europawahl und dreier Landtagswahlen in Ostdeutschland eine Doppelstrategie.
  • Lindners Lieblingsgegner bleiben die Grünen, denen er "Kommandowirtschaft" vorwirft.

Von Daniel Brössler, Stuttgart

Klar, reden wird er natürlich auch noch. Christian Lindner, der Parteivorsitzende, spricht beim Dreikönigstreffen, wie es die Tradition gebietet, erst zum Schluss. Aber das Wichtigste ist diesmal schon gesagt, ehe der Mann, der an diesem Montag 40 Jahre alt wird, seine erste Pointe gezündet, seinen ersten Angriff gefahren, seinen ersten langen Applaus eingestrichen hat.

Auf der Bühne im Opernhaus herrscht diesmal Gewimmel. Neun Frauen und sieben Männer haben auf einer geschlängelten, weißen Lederbanklandschaft Platz genommen. Das jüngste Neumitglied aus Baden-Württemberg sitzt da, zumeist wenig bekanntes Parteivolk aus Ländern und Kommunen und mittendrin Christian Lindner. Seht her, soll das heißen: Die Partei ist breit aufgestellt.

Nach Neuerfindung, Wiederauferstehung und Selbstvergewisserung bringt Lindner diesmal etwas Neues auf die Stuttgarter Bühne. Die Partei bin nicht nur ich, könnte das Stück heißen. Lindner will sich gegen den Eindruck der One-Man-Partei wenden. Am Ende wird man sich fragen, ob er nicht auch das wieder alleine gemacht hat.

Nicht das Jamaika-Aus, sondern Medien und Gegner verfolgen die Partei. Meint ihr Vorsitzender

Lindner hat Nicola Beer, die noch Generalsekretärin ist und die FDP bald in die Europawahl führen soll, ermuntert, sich etwas mehr Zeit zu nehmen. Sie tut es, spricht eine halbe Stunde über ein "Europa der Freiheit und der Freiheiten", ein Europa, "das unseren Wohlstand sichert", ein Europa, das die FDP "zum Leuchten bringen" wolle. Es gibt freundlichen Applaus dafür, auch, als ihr Plädoyer für die deutsche Autoindustrie in der Mahnung gipfelt, wenn "diese Super-Lokomotive im Bahnhof stehen bleibt, ist das der Super-Gau". Als Beer schließlich für die Europawahl im Mai eine höhere Wahlbeteiligung einfordert, wird schon etwas Ungeduld spürbar. Und als die Generalsekretärin nach einer halben Stunde dem Vorsitzenden das Wort gibt, ist es dafür auch höchste Zeit.

Lindner beginnt mit einer Erfolgsbilanz, würdigt Einzug und Wiedereinzug in die Landtage in Bayern und Hessen und kommt dann auf die Bundestagsfraktion zu sprechen. Die 80 "Kolleginnen und Kollegen" entwickelten ihr "fachliches Profil" und würden schon besser wahrgenommen. Das klingt nach parlamentarischen Förderstufe und bestätigt eher den Eindruck, dass Lindner mit Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki auch ein gutes Jahr nach Rückkehr der Liberalen in den Bundestag recht einsam im Scheinwerferlicht öffentlicher Wahrnehmung steht. Lindner ließ zuletzt nachdenkliche Töne hören, auch über das Risiko, das er mit dem Rückzug aus den Jamaika-Verhandlungen eingegangen sei. Zweifel, alles richtig gemacht zu haben, lässt er freilich keine erkennen. Schon gar nicht auf der Bühne der Stuttgarter Oper.

Kritische Betrachtungen in den Medien nehme er "mit Aufmerksamkeit wahr", und natürlich sei man "immer um Verbesserung bemüht". Aber tatsächlich ist es eher so, dass Lindner sich Kritik verbittet. Er verweist auf Umfragen, welche die FDP auf zehn Prozent taxierten im Unterschied zu sechs Prozent Anfang 2017. Wenn das also eine Krise sei, so würden liberale Ahnen wie Walter Scheel, Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher sich wohl vom Himmel aus wünschen, diese Krise möge möglichst lang anhalten. Es schwingt ein gewisses Beleidigtsein mit. Nicht das Jamaika-Aus verfolgt die FDP, wie Lindner es sieht, sondern Medien und politische Gegner, die es den Liberalen immer wieder vorhalten.

Dabei hat Lindner selbst nach Angela Merkels Rückzug vom CDU-Vorsitz ein Bündnis mit Union und Grünen wieder auf die Tagesordnung gesetzt - und zwar nun ohne vorherige Wahlen. "Wer uns ein faires Angebot zur Erneuerung des Landes macht, kann zu jeder Zeit damit rechnen, dass wir bereit sind, für dieses Land Verantwortung zu übernehmen", sagt er. Die FDP laufe keinem hinterher, aber auch nicht weg. "Chancen nutzen. #3K19", verheißt das Motto des Dreikönigstags 2019, und Lindner will es offensichtlich so verstanden wissen, dass sich die Chance zum Regierungseintritt bieten könnte. Überbetonen will er das aber nicht, zu dürftig war die Resonanz auf seine Jamaika-Avancen.

Der FDP-Chef präsentiert für das Jahr der Europawahl und dreier Landtagswahlen in Ostdeutschland vielmehr eine Doppelstrategie, für die er zwei Überschriften hat. Eine klingt bekannt, sie stammt von Friedrich Merz. Die CDU habe sich mit der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers gegen die "Agenda der Fleißigen" entschieden. "Dann werden wir es machen", verspricht Lindner. Er verlangt "Leistungsgerechtigkeit" auch für Hartz-IV-Empfänger, die dazuverdienen, für Mini-Jobber, Bausparer und natürlich das Abschaffen des Solidaritätszuschlags. Seine zweite Überschrift ist die "Agenda der Selbstbestimmung". Das geht zuerst gegen Kramp-Karrenbauer, die Lindner gesellschaftspolitisch rechts verortet. Dass die CDU-Chefin die Ehe für alle mit Inzest und Polygamie in Verbindung gebracht habe, sei nicht nur konservativ, "das ist sogar reaktionär".

Lindners Lieblingsgegner aber bleiben die Grünen, denen er vorwirft, den Menschen weniger Fleischkonsum und Mobilität verordnen zu wollen. Gegen die "Kommandowirtschaft der Grünen" stellten die Liberalen eine "Politik der ökonomischen Vernunft und der Selbstbestimmung im Dienst ökologischer Ziele". Den Grünen bescheinigt er, neben der FDP einzige wirklich pro-europäische Partei zu sein, nur wollten sie eben ein "Europa der Gleichmacherei" und keines der "Freiheit und Vielfalt". Das gibt viel Applaus. Nach gut einer Stunde ist der Ton gesetzt, den das liberale Publikum hören will für die Europawahl. Auch das musste der Chef wieder selber machen.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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